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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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gekommen, Erdmann." Und da wir wieder einige
Schritte gegangen sind, versetzt er: "Ein ordentlicher
Mensch sollte so alberne Dinge nicht glauben. Wie
kann uns der junge Herr Schrankenheim denn ver-
spielt haben? mit dem besten Willen nicht. Er ist
nicht Herr über die Güter seines Vaters und noch
gar nicht großjährig."

Da glotz' ich einmal drein.

Eine Bergeslast ist mir vom Herzen gefallen;
aber im zweiten Augenblick bin ich wieder erschrocken.
Ich hab' ja noch gestern vor aller Leute Ohren den
jungen Herrn einen schlechten Menschen geheißen.

Das wird mich noch in der Ewigkeit martern.
Aber, wenn ich ein Ehrenmann bin, so mach' ich's
gut. Ein lockerer Vogel mag er ja sein; aber red-
lich und hochherzig bist du, Hermann, und das
müssen die Leute wissen. An drei Sonntagen nach-
einander verkünde ich es von der Kanzel: Unser
junger, zukünftiger Herr, Hermann von Schranken-
heim, ist redlich und brav. Gott erhalte ihn! --
Und das Schmachwort bitte ich dir ab bis zu mei-
nem Tode.

Der Einspanig ist bei mir eingekehrt. Eines
meiner Stubenfenster geht gegen die Kirche und den
Pfarrhof hinüber. An demselben sitzen wir und ver-
fallen in ein Gespräch, das zwei Stunden lang
dauert.


Rosegger: Waldschulmeister. 20

gekommen, Erdmann.“ Und da wir wieder einige
Schritte gegangen ſind, verſetzt er: „Ein ordentlicher
Menſch ſollte ſo alberne Dinge nicht glauben. Wie
kann uns der junge Herr Schrankenheim denn ver-
ſpielt haben? mit dem beſten Willen nicht. Er iſt
nicht Herr über die Güter ſeines Vaters und noch
gar nicht großjährig.“

Da glotz’ ich einmal drein.

Eine Bergeslaſt iſt mir vom Herzen gefallen;
aber im zweiten Augenblick bin ich wieder erſchrocken.
Ich hab’ ja noch geſtern vor aller Leute Ohren den
jungen Herrn einen ſchlechten Menſchen geheißen.

Das wird mich noch in der Ewigkeit martern.
Aber, wenn ich ein Ehrenmann bin, ſo mach’ ich’s
gut. Ein lockerer Vogel mag er ja ſein; aber red-
lich und hochherzig biſt du, Hermann, und das
müſſen die Leute wiſſen. An drei Sonntagen nach-
einander verkünde ich es von der Kanzel: Unſer
junger, zukünftiger Herr, Hermann von Schranken-
heim, iſt redlich und brav. Gott erhalte ihn! —
Und das Schmachwort bitte ich dir ab bis zu mei-
nem Tode.

Der Einſpanig iſt bei mir eingekehrt. Eines
meiner Stubenfenſter geht gegen die Kirche und den
Pfarrhof hinüber. An demſelben ſitzen wir und ver-
fallen in ein Geſpräch, das zwei Stunden lang
dauert.


Roſegger: Waldſchulmeiſter. 20
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[305/0315] gekommen, Erdmann.“ Und da wir wieder einige Schritte gegangen ſind, verſetzt er: „Ein ordentlicher Menſch ſollte ſo alberne Dinge nicht glauben. Wie kann uns der junge Herr Schrankenheim denn ver- ſpielt haben? mit dem beſten Willen nicht. Er iſt nicht Herr über die Güter ſeines Vaters und noch gar nicht großjährig.“ Da glotz’ ich einmal drein. Eine Bergeslaſt iſt mir vom Herzen gefallen; aber im zweiten Augenblick bin ich wieder erſchrocken. Ich hab’ ja noch geſtern vor aller Leute Ohren den jungen Herrn einen ſchlechten Menſchen geheißen. Das wird mich noch in der Ewigkeit martern. Aber, wenn ich ein Ehrenmann bin, ſo mach’ ich’s gut. Ein lockerer Vogel mag er ja ſein; aber red- lich und hochherzig biſt du, Hermann, und das müſſen die Leute wiſſen. An drei Sonntagen nach- einander verkünde ich es von der Kanzel: Unſer junger, zukünftiger Herr, Hermann von Schranken- heim, iſt redlich und brav. Gott erhalte ihn! — Und das Schmachwort bitte ich dir ab bis zu mei- nem Tode. Der Einſpanig iſt bei mir eingekehrt. Eines meiner Stubenfenſter geht gegen die Kirche und den Pfarrhof hinüber. An demſelben ſitzen wir und ver- fallen in ein Geſpräch, das zwei Stunden lang dauert. Roſegger: Waldſchulmeiſter. 20

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/315>, abgerufen am 06.07.2024.