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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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unser Gottesaltar gewesen und das Zeichen der
Entsagung und Selbstbeherrschung. Und nun starrt
uns die moderige Grube an, aus dem es empor-
geragt.

Wer hat mir auch dieses Einzige noch weg-
genommen? Soll es Kohlen geben oder eine Herd-
flamme in der Hütte? Ist der weite Wald nicht
mehr groß genug, legen sie die Hand noch an das
Kreuz? Was hat es ihnen gethan? Oder schnitzt
Einer den Heiland dazu? Oder hat es ein Kranker,
ein Sterbender holen lassen, auf daß er davor bete?

So habe ich an jenem Tage gefragt und ge-
grübelt. Und am Abend noch eile ich durch das
steinige Thal und meine, irgendwo müsse mein
Gotteszeichen liegen. Ich laufe in den Wald hinab,
den Fußsteig hin, da sehe ich zwei Männer, die
das Kreuz auf den Schultern tragen.

Und nun ist es mir eingefallen, es kommt in
die neue Kirche am Steg, die Wäldler stellen es
auf den Altar. Sie verehren es, wie ich es ver-
ehre; auch sie wollen Entsagung und Aufopferung
lernen; auch sie sind Menschen, die streben und
ringen nach dem Rechten, wie ich. Da ist in mir
eine Freude erwacht, die mir schier das Herz hat
zersprengt. Um den Hals fallen hätte ich euch
mögen, euch, der ganzen Gemeinde. Ich gehöre ja
zu euch -- ein Pfarrkind."


unſer Gottesaltar geweſen und das Zeichen der
Entſagung und Selbſtbeherrſchung. Und nun ſtarrt
uns die moderige Grube an, aus dem es empor-
geragt.

Wer hat mir auch dieſes Einzige noch weg-
genommen? Soll es Kohlen geben oder eine Herd-
flamme in der Hütte? Iſt der weite Wald nicht
mehr groß genug, legen ſie die Hand noch an das
Kreuz? Was hat es ihnen gethan? Oder ſchnitzt
Einer den Heiland dazu? Oder hat es ein Kranker,
ein Sterbender holen laſſen, auf daß er davor bete?

So habe ich an jenem Tage gefragt und ge-
grübelt. Und am Abend noch eile ich durch das
ſteinige Thal und meine, irgendwo müſſe mein
Gotteszeichen liegen. Ich laufe in den Wald hinab,
den Fußſteig hin, da ſehe ich zwei Männer, die
das Kreuz auf den Schultern tragen.

Und nun iſt es mir eingefallen, es kommt in
die neue Kirche am Steg, die Wäldler ſtellen es
auf den Altar. Sie verehren es, wie ich es ver-
ehre; auch ſie wollen Entſagung und Aufopferung
lernen; auch ſie ſind Menſchen, die ſtreben und
ringen nach dem Rechten, wie ich. Da iſt in mir
eine Freude erwacht, die mir ſchier das Herz hat
zerſprengt. Um den Hals fallen hätte ich euch
mögen, euch, der ganzen Gemeinde. Ich gehöre ja
zu euch — ein Pfarrkind.“


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[299/0309] unſer Gottesaltar geweſen und das Zeichen der Entſagung und Selbſtbeherrſchung. Und nun ſtarrt uns die moderige Grube an, aus dem es empor- geragt. Wer hat mir auch dieſes Einzige noch weg- genommen? Soll es Kohlen geben oder eine Herd- flamme in der Hütte? Iſt der weite Wald nicht mehr groß genug, legen ſie die Hand noch an das Kreuz? Was hat es ihnen gethan? Oder ſchnitzt Einer den Heiland dazu? Oder hat es ein Kranker, ein Sterbender holen laſſen, auf daß er davor bete? So habe ich an jenem Tage gefragt und ge- grübelt. Und am Abend noch eile ich durch das ſteinige Thal und meine, irgendwo müſſe mein Gotteszeichen liegen. Ich laufe in den Wald hinab, den Fußſteig hin, da ſehe ich zwei Männer, die das Kreuz auf den Schultern tragen. Und nun iſt es mir eingefallen, es kommt in die neue Kirche am Steg, die Wäldler ſtellen es auf den Altar. Sie verehren es, wie ich es ver- ehre; auch ſie wollen Entſagung und Aufopferung lernen; auch ſie ſind Menſchen, die ſtreben und ringen nach dem Rechten, wie ich. Da iſt in mir eine Freude erwacht, die mir ſchier das Herz hat zerſprengt. Um den Hals fallen hätte ich euch mögen, euch, der ganzen Gemeinde. Ich gehöre ja zu euch — ein Pfarrkind.“

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/309>, abgerufen am 24.11.2024.