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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Spät Abends, als ringsum Alles geschlafen,
habe ich auf ein Blatt Papier die Worte geschrieben:
Lebt wohl, meine Brüder. Forschet nicht nach mir.
Meine neue Mission heißt Selbsterlösung.

Und dann habe ich genommen, was mein,
und bin aus dem Hause gegangen und aus dem
Dorfe, und der Landstraße entlang die ganze Nacht.

Planlos ist mein Wandern. Ich überlasse mich
dem Zufall. Ich habe nichts zu verlieren; nur aus
dem Bereiche der belebteren Gegenden trachte ich
fortzugelangen. Ich habe meine Richtung gegen das
Gebirge genommen.

Als der Morgen graut, bin ich zwischen Wald-
bergen; ein Wildbach rauscht mir entgegen. Ich
trinke aus dem Wasser und ruhe auf einem Stein.
Da kommt so ein Waldmensch des Weges, der zieht
seine Kopfbedeckung ab vor meinem priesterlichen
Kleide. Ich erhebe mich und bitte den Mann, daß er
mir den Weg weise, ich wolle weit hinein in's Ge-
birge, bis dorthin, wo der allerletzte Mensch wohnt.

-- Der allerletzte Mensch, der wird wol der
Kohlenbrenner, der Ruß-Bartelmei sein, hat der
Mann geantwortet.

-- So weiset mir den Weg zum Ruß-Bartel-
mei und bedeckt euer Haupt.

-- Habt ihr mit dem Köhler was zu schaffen?
frägt er dreister, da wir schon auf dem Wege sind,

Spät Abends, als ringsum Alles geſchlafen,
habe ich auf ein Blatt Papier die Worte geſchrieben:
Lebt wohl, meine Brüder. Forſchet nicht nach mir.
Meine neue Miſſion heißt Selbſterlöſung.

Und dann habe ich genommen, was mein,
und bin aus dem Hauſe gegangen und aus dem
Dorfe, und der Landſtraße entlang die ganze Nacht.

Planlos iſt mein Wandern. Ich überlaſſe mich
dem Zufall. Ich habe nichts zu verlieren; nur aus
dem Bereiche der belebteren Gegenden trachte ich
fortzugelangen. Ich habe meine Richtung gegen das
Gebirge genommen.

Als der Morgen graut, bin ich zwiſchen Wald-
bergen; ein Wildbach rauſcht mir entgegen. Ich
trinke aus dem Waſſer und ruhe auf einem Stein.
Da kommt ſo ein Waldmenſch des Weges, der zieht
ſeine Kopfbedeckung ab vor meinem prieſterlichen
Kleide. Ich erhebe mich und bitte den Mann, daß er
mir den Weg weiſe, ich wolle weit hinein in’s Ge-
birge, bis dorthin, wo der allerletzte Menſch wohnt.

— Der allerletzte Menſch, der wird wol der
Kohlenbrenner, der Ruß-Bartelmei ſein, hat der
Mann geantwortet.

— So weiſet mir den Weg zum Ruß-Bartel-
mei und bedeckt euer Haupt.

— Habt ihr mit dem Köhler was zu ſchaffen?
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[290/0300] Spät Abends, als ringsum Alles geſchlafen, habe ich auf ein Blatt Papier die Worte geſchrieben: Lebt wohl, meine Brüder. Forſchet nicht nach mir. Meine neue Miſſion heißt Selbſterlöſung. Und dann habe ich genommen, was mein, und bin aus dem Hauſe gegangen und aus dem Dorfe, und der Landſtraße entlang die ganze Nacht. Planlos iſt mein Wandern. Ich überlaſſe mich dem Zufall. Ich habe nichts zu verlieren; nur aus dem Bereiche der belebteren Gegenden trachte ich fortzugelangen. Ich habe meine Richtung gegen das Gebirge genommen. Als der Morgen graut, bin ich zwiſchen Wald- bergen; ein Wildbach rauſcht mir entgegen. Ich trinke aus dem Waſſer und ruhe auf einem Stein. Da kommt ſo ein Waldmenſch des Weges, der zieht ſeine Kopfbedeckung ab vor meinem prieſterlichen Kleide. Ich erhebe mich und bitte den Mann, daß er mir den Weg weiſe, ich wolle weit hinein in’s Ge- birge, bis dorthin, wo der allerletzte Menſch wohnt. — Der allerletzte Menſch, der wird wol der Kohlenbrenner, der Ruß-Bartelmei ſein, hat der Mann geantwortet. — So weiſet mir den Weg zum Ruß-Bartel- mei und bedeckt euer Haupt. — Habt ihr mit dem Köhler was zu ſchaffen? frägt er dreiſter, da wir ſchon auf dem Wege ſind,

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/300>, abgerufen am 22.11.2024.