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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Das Weib war nicht mehr zu jung, aber es
war das, was die Wäldler "kugelrund" nennen. Sie
hatte ein zweifaches Kinn und unter demselben, um
den vollen Hals, eine Silberkette. Ihre Aeuglein
guckten klug und mild hervor, wenn sie sprach und
wenn sie, mit jedem Winkel und Nagel des ganzen
Hauses bekannt und verwachsen, lustig in allen Ecken
und Enden herumregierte. Wie im Scherze regelte
sie Alles und schäckerte mit dem Gast und lachte
mit dem Gesinde in der Küche und im Vorhause.
Daß jetzt der Schauer wieder Alles zerschlagen, sei
freilich nicht gar lustig, meinte sie, aber besser sei
es allerwege, das Eis falle vom Himmel auf die
Erde, als wenn es von der Erde auf den Himmel
fiele und da oben auch noch Alles in Scherben
schlüge. Da hätt' Eins schon gar nichts mehr zu
hoffen. Und wie sie so die Sache auslegte, spru-
delte die Fröhlichkeit ordentlich aus ihr hervor, und
der ganze Kreis um sie war heiter; und Jedes schien
sich so gehen zu lassen in Dem, was es that, em-
pfand und sagte; aber es ging doch Alles nach der
Schnur.

"Ihr habt ein treffliches Frauchen," sagte ich
zum Wirth.

"Das wol, das wol" bestätigte er leise und
lebhaft, "brav ist sie, meine Juliana, aber halt --
aber halt --" Das Wort blieb ihm im Halse stecken,

Das Weib war nicht mehr zu jung, aber es
war das, was die Wäldler „kugelrund“ nennen. Sie
hatte ein zweifaches Kinn und unter demſelben, um
den vollen Hals, eine Silberkette. Ihre Aeuglein
guckten klug und mild hervor, wenn ſie ſprach und
wenn ſie, mit jedem Winkel und Nagel des ganzen
Hauſes bekannt und verwachſen, luſtig in allen Ecken
und Enden herumregierte. Wie im Scherze regelte
ſie Alles und ſchäckerte mit dem Gaſt und lachte
mit dem Geſinde in der Küche und im Vorhauſe.
Daß jetzt der Schauer wieder Alles zerſchlagen, ſei
freilich nicht gar luſtig, meinte ſie, aber beſſer ſei
es allerwege, das Eis falle vom Himmel auf die
Erde, als wenn es von der Erde auf den Himmel
fiele und da oben auch noch Alles in Scherben
ſchlüge. Da hätt’ Eins ſchon gar nichts mehr zu
hoffen. Und wie ſie ſo die Sache auslegte, ſpru-
delte die Fröhlichkeit ordentlich aus ihr hervor, und
der ganze Kreis um ſie war heiter; und Jedes ſchien
ſich ſo gehen zu laſſen in Dem, was es that, em-
pfand und ſagte; aber es ging doch Alles nach der
Schnur.

„Ihr habt ein treffliches Frauchen,“ ſagte ich
zum Wirth.

„Das wol, das wol“ beſtätigte er leiſe und
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aber halt —“ Das Wort blieb ihm im Halſe ſtecken,

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[8/0018] Das Weib war nicht mehr zu jung, aber es war das, was die Wäldler „kugelrund“ nennen. Sie hatte ein zweifaches Kinn und unter demſelben, um den vollen Hals, eine Silberkette. Ihre Aeuglein guckten klug und mild hervor, wenn ſie ſprach und wenn ſie, mit jedem Winkel und Nagel des ganzen Hauſes bekannt und verwachſen, luſtig in allen Ecken und Enden herumregierte. Wie im Scherze regelte ſie Alles und ſchäckerte mit dem Gaſt und lachte mit dem Geſinde in der Küche und im Vorhauſe. Daß jetzt der Schauer wieder Alles zerſchlagen, ſei freilich nicht gar luſtig, meinte ſie, aber beſſer ſei es allerwege, das Eis falle vom Himmel auf die Erde, als wenn es von der Erde auf den Himmel fiele und da oben auch noch Alles in Scherben ſchlüge. Da hätt’ Eins ſchon gar nichts mehr zu hoffen. Und wie ſie ſo die Sache auslegte, ſpru- delte die Fröhlichkeit ordentlich aus ihr hervor, und der ganze Kreis um ſie war heiter; und Jedes ſchien ſich ſo gehen zu laſſen in Dem, was es that, em- pfand und ſagte; aber es ging doch Alles nach der Schnur. „Ihr habt ein treffliches Frauchen,“ ſagte ich zum Wirth. „Das wol, das wol“ beſtätigte er leiſe und lebhaft, „brav iſt ſie, meine Juliana, aber halt — aber halt —“ Das Wort blieb ihm im Halſe ſtecken,

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/18>, abgerufen am 26.04.2024.