Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.Nicht auf Umwegen wollen wir schleichen; Ich habe aus dem Buche den Leuten einige- Und so ist nun der Herbst gekommen. Der Rosegger: Waldschulmeister. 10
Nicht auf Umwegen wollen wir ſchleichen; Ich habe aus dem Buche den Leuten einige- Und ſo iſt nun der Herbſt gekommen. Der Roſegger: Waldſchulmeiſter. 10
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Nicht auf Umwegen wollen wir ſchleichen;
eine gerade Straße hauen wir durch das Urge-
ſtämme der Wildniß.
Ich habe aus dem Buche den Leuten einige-
male Lieder vorgeleſen; den Mädchen das „Heiden-
röslein“ und den Burſchen das „Chriſtel“ gelehrt.
Gleich haben ſie — ich weiß gar nicht, woher —
eine Weiſe dazu, und jetzt werden die Lieder im
Walde ſchon vielfach geſungen.
Und ſo iſt nun der Herbſt gekommen. Der
Himmel iſt, wenn die Morgennebel in den Thälern
ſich löſen, hell und rein und alle Wolken ſind auf-
geſogen. Die Nadelwälder ſind dunkelbraun, die
Laubhölzer ſind geld oder roth, und auf der Thal-
wieſe grünt es friſch, oder es liegt auf derſelben
das matte Silber des Reifes. In dieſen Wäldern
iſt der Herbſt buntfarbiger und faſt lieblicher, als
der Lenz. Der Frühling iſt ein übermüthiges
Glitzern und Schillern, Singen und Jauchzen aller-
wege; der Nachſommer hingegen iſt, wie ein ſtiller,
feierlicher Sonntag. Da horcht und gehorcht nichts
mehr der Erde; da lauſcht Alles ahnungsvoll dem
Himmel und der Athem Gottes ſäuſelt ſtimmungs-
volle Lieder durch die gold’nen Saiten der milden
Sonne.
Roſegger: Waldſchulmeiſter. 10
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Zitationshilfe: | Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/155>, abgerufen am 16.02.2025. |