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Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Meinige zu thun, ihn in ihren Augen immer höher zu stellen. So brachte ich nach mancherlei Umschweifen die Rede wieder auf ihn. Ich sprach davon, daß auch mich die Einsamkeit, in der er lebe, etwas besorgt mache.

Er wird immer ernster, fuhr ich fort, und über seine Jahre hinaus gesetzt und sogar in sich gekehrt. Ich hoffe, es gelingt künftig einmal einer jungen Frau, ihn wieder jugendlich heiter und froh zu machen.

Das glaub' ich nicht, sagte Marie. -- Und warum nicht? -- Weil er zu sehr glaubt, das Leben sei ein Jammerthal, und jede Freude kommt ihm vor wie ein Diebstahl, auf den gleich eine Strafe folgen muß. Träfe ihn oder einen Andern ein wahres Unglück, ja, da, glaub' ich, wäre er wie ein Felsen, auf den man bauen könnte. Da würde er sich wie zu Hause Vorkommen, wo er Bescheid weiß, und seine Frau würde die beste Stütze an ihm haben. Aber sie müßte dann auch von gleicher Art sein, wie er. Wäre sie das nicht, so würde er all ihren Frohsinn verkennen und ganz allein unglücklich sein. Und vielleicht erführe sie's nicht einmal, wie es um ihn stünde, denn sie mit unglücklich zu machen, dazu ist er auch wieder zu gut. Und so wird er vor lauter Güte niemals etwas vom Leben haben.

Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. Dieses Mädchen entwarf mir ein Bild meines Freundes, worin ich, trotz aller Uebertreibung, die Grundzüge doch als nur zu richtig erkennen mußte. Aehnliches hatte

Meinige zu thun, ihn in ihren Augen immer höher zu stellen. So brachte ich nach mancherlei Umschweifen die Rede wieder auf ihn. Ich sprach davon, daß auch mich die Einsamkeit, in der er lebe, etwas besorgt mache.

Er wird immer ernster, fuhr ich fort, und über seine Jahre hinaus gesetzt und sogar in sich gekehrt. Ich hoffe, es gelingt künftig einmal einer jungen Frau, ihn wieder jugendlich heiter und froh zu machen.

Das glaub' ich nicht, sagte Marie. — Und warum nicht? — Weil er zu sehr glaubt, das Leben sei ein Jammerthal, und jede Freude kommt ihm vor wie ein Diebstahl, auf den gleich eine Strafe folgen muß. Träfe ihn oder einen Andern ein wahres Unglück, ja, da, glaub' ich, wäre er wie ein Felsen, auf den man bauen könnte. Da würde er sich wie zu Hause Vorkommen, wo er Bescheid weiß, und seine Frau würde die beste Stütze an ihm haben. Aber sie müßte dann auch von gleicher Art sein, wie er. Wäre sie das nicht, so würde er all ihren Frohsinn verkennen und ganz allein unglücklich sein. Und vielleicht erführe sie's nicht einmal, wie es um ihn stünde, denn sie mit unglücklich zu machen, dazu ist er auch wieder zu gut. Und so wird er vor lauter Güte niemals etwas vom Leben haben.

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[0084] Meinige zu thun, ihn in ihren Augen immer höher zu stellen. So brachte ich nach mancherlei Umschweifen die Rede wieder auf ihn. Ich sprach davon, daß auch mich die Einsamkeit, in der er lebe, etwas besorgt mache. Er wird immer ernster, fuhr ich fort, und über seine Jahre hinaus gesetzt und sogar in sich gekehrt. Ich hoffe, es gelingt künftig einmal einer jungen Frau, ihn wieder jugendlich heiter und froh zu machen. Das glaub' ich nicht, sagte Marie. — Und warum nicht? — Weil er zu sehr glaubt, das Leben sei ein Jammerthal, und jede Freude kommt ihm vor wie ein Diebstahl, auf den gleich eine Strafe folgen muß. Träfe ihn oder einen Andern ein wahres Unglück, ja, da, glaub' ich, wäre er wie ein Felsen, auf den man bauen könnte. Da würde er sich wie zu Hause Vorkommen, wo er Bescheid weiß, und seine Frau würde die beste Stütze an ihm haben. Aber sie müßte dann auch von gleicher Art sein, wie er. Wäre sie das nicht, so würde er all ihren Frohsinn verkennen und ganz allein unglücklich sein. Und vielleicht erführe sie's nicht einmal, wie es um ihn stünde, denn sie mit unglücklich zu machen, dazu ist er auch wieder zu gut. Und so wird er vor lauter Güte niemals etwas vom Leben haben. Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. Dieses Mädchen entwarf mir ein Bild meines Freundes, worin ich, trotz aller Uebertreibung, die Grundzüge doch als nur zu richtig erkennen mußte. Aehnliches hatte

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Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/84>, abgerufen am 04.05.2024.