legiorum allerhand incommoditäten. Die gantze Rechts-Gelehrsamkeit verlieret hier- durch ihr Ansehen, und wird Dunckelheit, Un- gewißheit und Unordnung in dieselbige einge- führet. Es werden die Richterlichen Perso- nen hierdurch von den Quellen der Gesetze bey ihren Urtheilssprechen abgeführet, sie sehen auf die Conclusiones und nicht auf die Gesetze und die Principia. Jst das nicht eine Einfalt, daß man sich bekümmert, wie die Vorfahren ge- sprochen, und ihnen hierinnen nachgehen, nicht aber untersuchen will, ob sie Raison gehabt, so zu sprechen, und ob man in Zukunfft nicht accu- rater sprechen kan. Es wird hierdurch eine Ungewißheit in den Rechts-Sachen verursacht, zumahl wenn unterschiedene Rechts-Collegia einander contraire Observantien haben, davon das eine etwas affirmiret, das andere aber ne- girt. Auf die Art kömmt es auf des Richters Gefallen an, ob ein Parth obsiegen oder sach- fällig werden soll. Denn nachdem er vor ei- nen oder den andern portirt ist, nachdem ver- schickt er die Sachen in dieses oder jenes Rechts- Collegium, davon ihm die Observantien und ihre discrepanten Meynungen bekannt sind. Es werden über dieses durch die Observantien die Processe noch vielmehr verzögert, denn durch die meisten Proceß-Ordnungen, wie wir sie ie-
tzund
legiorum allerhand incommoditaͤten. Die gantze Rechts-Gelehrſamkeit verlieret hier- durch ihr Anſehen, und wird Dunckelheit, Un- gewißheit und Unordnung in dieſelbige einge- fuͤhret. Es werden die Richterlichen Perſo- nen hierdurch von den Quellen der Geſetze bey ihren Urtheilsſprechen abgefuͤhret, ſie ſehen auf die Concluſiones und nicht auf die Geſetze und die Principia. Jſt das nicht eine Einfalt, daß man ſich bekuͤmmert, wie die Vorfahren ge- ſprochen, und ihnen hierinnen nachgehen, nicht aber unterſuchen will, ob ſie Raiſon gehabt, ſo zu ſprechen, und ob man in Zukunfft nicht accu- rater ſprechen kan. Es wird hierdurch eine Ungewißheit in den Rechts-Sachen verurſacht, zumahl wenn unterſchiedene Rechts-Collegia einander contraire Obſervantien haben, davon das eine etwas affirmiret, das andere aber ne- girt. Auf die Art koͤmmt es auf des Richters Gefallen an, ob ein Parth obſiegen oder ſach- faͤllig werden ſoll. Denn nachdem er vor ei- nen oder den andern portirt iſt, nachdem ver- ſchickt er die Sachen in dieſes oder jenes Rechts- Collegium, davon ihm die Obſervantien und ihre diſcrepanten Meynungen bekannt ſind. Es werden uͤber dieſes durch die Obſervantien die Proceſſe noch vielmehr verzoͤgert, denn durch die meiſten Proceß-Ordnungen, wie wir ſie ie-
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legiorum allerhand incommoditaͤten. Die
gantze Rechts-Gelehrſamkeit verlieret hier-
durch ihr Anſehen, und wird Dunckelheit, Un-
gewißheit und Unordnung in dieſelbige einge-
fuͤhret. Es werden die Richterlichen Perſo-
nen hierdurch von den Quellen der Geſetze bey
ihren Urtheilsſprechen abgefuͤhret, ſie ſehen auf
die Concluſiones und nicht auf die Geſetze und
die Principia. Jſt das nicht eine Einfalt, daß
man ſich bekuͤmmert, wie die Vorfahren ge-
ſprochen, und ihnen hierinnen nachgehen, nicht
aber unterſuchen will, ob ſie Raiſon gehabt, ſo
zu ſprechen, und ob man in Zukunfft nicht accu-
rater ſprechen kan. Es wird hierdurch eine
Ungewißheit in den Rechts-Sachen verurſacht,
zumahl wenn unterſchiedene Rechts-Collegia
einander contraire Obſervantien haben, davon
das eine etwas affirmiret, das andere aber ne-
girt. Auf die Art koͤmmt es auf des Richters
Gefallen an, ob ein Parth obſiegen oder ſach-
faͤllig werden ſoll. Denn nachdem er vor ei-
nen oder den andern portirt iſt, nachdem ver-
ſchickt er die Sachen in dieſes oder jenes Rechts-
Collegium, davon ihm die Obſervantien und
ihre diſcrepanten Meynungen bekannt ſind.
Es werden uͤber dieſes durch die Obſervantien
die Proceſſe noch vielmehr verzoͤgert, denn durch
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/722>, abgerufen am 22.11.2024.
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