Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



daß gelehrte Leute, die viel Wissenschafften ex-
coli
ret, nicht geschickt sind, einen rechten guten
Vortrag zu thun, oder eine Historie zu erzehlen.
Bald können sie die Schul-Wörter nicht fin-
den, bald bleiben sie in Reden stecken, mengen
ein Hauffen seltzame Wörter und wunderliche
modos connectendi mit ein, daß es recht ver-
drießlich anzuhören, und machen sich hierdurch,
ob sie gleich noch so gelehrt sind, bey Leuten, die
die Welt gesehen, einen schlechten Concept,
werden auch wohl hierinnen von Weibes-Per-
sonen und ungelehrten Leuten übertroffen.

§. 19. Unter die oratorischen Exercitia,
die auf manchen Schulen getrieben werden, ge-
hören auch die Actus scenici und Comödien.
Die Absicht der Schul-Lehrer, so dergleichen
Handlungen dirigiren und anstellen, ist, daß
junge Leute bey Zeiten angewöhnet werden,
mit einer guten Art und freyen Parrhesie dasje-
nige, was ihnen zu reden vorfällt, auch in Ge-
genwart vieler Zuhörer, auszusprechen. Nun
will ich zwar dergleichen Ubungen nicht aus
dem Fundament disapprobiren, daß ich glaub-
te, als ob solche Comödien, darinnen entweder
allerhand wahre Historien oder ersonnene Ge-
dichte moralisch abgehandelt werden, sündlich
seyn, und die studirende Jugend hierdurch geär-
gert und verführet werden solte wie einige Pie-

tisten
B b 3



daß gelehrte Leute, die viel Wiſſenſchafften ex-
coli
ret, nicht geſchickt ſind, einen rechten guten
Vortrag zu thun, oder eine Hiſtorie zu erzehlen.
Bald koͤnnen ſie die Schul-Woͤrter nicht fin-
den, bald bleiben ſie in Reden ſtecken, mengen
ein Hauffen ſeltzame Woͤrter und wunderliche
modos connectendi mit ein, daß es recht ver-
drießlich anzuhoͤren, und machen ſich hierdurch,
ob ſie gleich noch ſo gelehrt ſind, bey Leuten, die
die Welt geſehen, einen ſchlechten Concept,
werden auch wohl hierinnen von Weibes-Per-
ſonen und ungelehrten Leuten uͤbertroffen.

§. 19. Unter die oratoriſchen Exercitia,
die auf manchen Schulen getrieben werden, ge-
hoͤren auch die Actus ſcenici und Comoͤdien.
Die Abſicht der Schul-Lehrer, ſo dergleichen
Handlungen dirigiren und anſtellen, iſt, daß
junge Leute bey Zeiten angewoͤhnet werden,
mit einer guten Art und freyen Parrheſie dasje-
nige, was ihnen zu reden vorfaͤllt, auch in Ge-
genwart vieler Zuhoͤrer, auszuſprechen. Nun
will ich zwar dergleichen Ubungen nicht aus
dem Fundament disapprobiren, daß ich glaub-
te, als ob ſolche Comoͤdien, darinnen entweder
allerhand wahre Hiſtorien oder erſonnene Ge-
dichte moraliſch abgehandelt werden, ſuͤndlich
ſeyn, und die ſtudirende Jugend hierdurch geaͤr-
gert und verfuͤhret werden ſolte wie einige Pie-

tiſten
B b 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0409" n="389"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> daß gelehrte Leute, die viel Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften <hi rendition="#aq">ex-<lb/>
coli</hi>ret, nicht ge&#x017F;chickt &#x017F;ind, einen rechten guten<lb/>
Vortrag zu thun, oder eine Hi&#x017F;torie zu erzehlen.<lb/>
Bald ko&#x0364;nnen &#x017F;ie die Schul-Wo&#x0364;rter nicht fin-<lb/>
den, bald bleiben &#x017F;ie in Reden &#x017F;tecken, mengen<lb/>
ein Hauffen &#x017F;eltzame Wo&#x0364;rter und wunderliche<lb/><hi rendition="#aq">modos connectendi</hi> mit ein, daß es recht ver-<lb/>
drießlich anzuho&#x0364;ren, und machen &#x017F;ich hierdurch,<lb/>
ob &#x017F;ie gleich noch &#x017F;o gelehrt &#x017F;ind, bey Leuten, die<lb/>
die Welt ge&#x017F;ehen, einen &#x017F;chlechten <hi rendition="#aq">Concept,</hi><lb/>
werden auch wohl hierinnen von Weibes-Per-<lb/>
&#x017F;onen und ungelehrten Leuten u&#x0364;bertroffen.</p><lb/>
        <p>§. 19. Unter die <hi rendition="#aq">oratori</hi>&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Exercitia,</hi><lb/>
die auf manchen Schulen getrieben werden, ge-<lb/>
ho&#x0364;ren auch die <hi rendition="#aq">Actus &#x017F;cenici</hi> und Como&#x0364;dien.<lb/>
Die Ab&#x017F;icht der Schul-Lehrer, &#x017F;o dergleichen<lb/>
Handlungen <hi rendition="#aq">dirigi</hi>ren und an&#x017F;tellen, i&#x017F;t, daß<lb/>
junge Leute bey Zeiten angewo&#x0364;hnet werden,<lb/>
mit einer guten Art und freyen <hi rendition="#aq">Parrhe&#x017F;ie</hi> dasje-<lb/>
nige, was ihnen zu reden vorfa&#x0364;llt, auch in Ge-<lb/>
genwart vieler Zuho&#x0364;rer, auszu&#x017F;prechen. Nun<lb/>
will ich zwar dergleichen Ubungen nicht aus<lb/>
dem <hi rendition="#aq">Fundament disapprobi</hi>ren, daß ich glaub-<lb/>
te, als ob &#x017F;olche Como&#x0364;dien, darinnen entweder<lb/>
allerhand wahre Hi&#x017F;torien oder er&#x017F;onnene Ge-<lb/>
dichte <hi rendition="#aq">morali</hi>&#x017F;ch abgehandelt werden, &#x017F;u&#x0364;ndlich<lb/>
&#x017F;eyn, und die <hi rendition="#aq">&#x017F;tudi</hi>rende Jugend hierdurch gea&#x0364;r-<lb/>
gert und verfu&#x0364;hret werden &#x017F;olte wie einige Pie-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ti&#x017F;ten</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[389/0409] daß gelehrte Leute, die viel Wiſſenſchafften ex- coliret, nicht geſchickt ſind, einen rechten guten Vortrag zu thun, oder eine Hiſtorie zu erzehlen. Bald koͤnnen ſie die Schul-Woͤrter nicht fin- den, bald bleiben ſie in Reden ſtecken, mengen ein Hauffen ſeltzame Woͤrter und wunderliche modos connectendi mit ein, daß es recht ver- drießlich anzuhoͤren, und machen ſich hierdurch, ob ſie gleich noch ſo gelehrt ſind, bey Leuten, die die Welt geſehen, einen ſchlechten Concept, werden auch wohl hierinnen von Weibes-Per- ſonen und ungelehrten Leuten uͤbertroffen. §. 19. Unter die oratoriſchen Exercitia, die auf manchen Schulen getrieben werden, ge- hoͤren auch die Actus ſcenici und Comoͤdien. Die Abſicht der Schul-Lehrer, ſo dergleichen Handlungen dirigiren und anſtellen, iſt, daß junge Leute bey Zeiten angewoͤhnet werden, mit einer guten Art und freyen Parrheſie dasje- nige, was ihnen zu reden vorfaͤllt, auch in Ge- genwart vieler Zuhoͤrer, auszuſprechen. Nun will ich zwar dergleichen Ubungen nicht aus dem Fundament disapprobiren, daß ich glaub- te, als ob ſolche Comoͤdien, darinnen entweder allerhand wahre Hiſtorien oder erſonnene Ge- dichte moraliſch abgehandelt werden, ſuͤndlich ſeyn, und die ſtudirende Jugend hierdurch geaͤr- gert und verfuͤhret werden ſolte wie einige Pie- tiſten B b 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/409
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/409>, abgerufen am 23.11.2024.