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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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der, der seine Mutter-Sprache reden könte, die
hierzu nöthige Geschicklichkeit mit auf die Welt.
Allein ich versichere, daß die wenigsten dieses
Talent von Natur haben, und wenn sie hierin-
nen in ihrer Jugend nicht geübet werden oder
nachgehends, da sie zu Verstande kommen und
den Nutzen davon verspüren, sich selbst exerci-
ren, so müssen sie diese Geschicklichkeit entweder
nach und nach mit allerhand incommodität,
Mühe und bißweilen auch Verspottung derje-
nigen, so ihnen zuhören, lernen, oder werden
auch wohl in ihren gantzen Leben zu diesen Sa-
chen nicht geschickt. Man hat nicht öffters
Gelegenheit, grosse weitläufftige Reden in teut-
scher oder lateinischer Sprache zu halten, aber
wohl alle Tage gewisse facta herzuerzehlen und
gewissen Ministris, wenn man in die Affairen
gezogen wird, oder auch Fürstl. Personen selbst
von einigen Sachen einen Vortrag zu thun,
und auf anderer Leute Vortrag Stückweise zu
antworten, und wer also in der Jugend eine
Promtitude hierinnen erlangt, wird mit einer
viel bessern Ordnung und Deutlichkeit sich zu
expliciren wissen, als ein anderer, der die ora-
tori
schen Praecepta noch so gut innen hat, und
in seiner Jugend viel Chrias Aphthonianas und
Weisianas zusammen gesetzet, aber hierinnen
nicht geübet worden. Man höret bißweilen,

daß



der, der ſeine Mutter-Sprache reden koͤnte, die
hierzu noͤthige Geſchicklichkeit mit auf die Welt.
Allein ich verſichere, daß die wenigſten dieſes
Talent von Natur haben, und wenn ſie hierin-
nen in ihrer Jugend nicht geuͤbet werden oder
nachgehends, da ſie zu Verſtande kommen und
den Nutzen davon verſpuͤren, ſich ſelbſt exerci-
ren, ſo muͤſſen ſie dieſe Geſchicklichkeit entweder
nach und nach mit allerhand incommoditaͤt,
Muͤhe und bißweilen auch Verſpottung derje-
nigen, ſo ihnen zuhoͤren, lernen, oder werden
auch wohl in ihren gantzen Leben zu dieſen Sa-
chen nicht geſchickt. Man hat nicht oͤffters
Gelegenheit, groſſe weitlaͤufftige Reden in teut-
ſcher oder lateiniſcher Sprache zu halten, aber
wohl alle Tage gewiſſe facta herzuerzehlen und
gewiſſen Miniſtris, wenn man in die Affairen
gezogen wird, oder auch Fuͤrſtl. Perſonen ſelbſt
von einigen Sachen einen Vortrag zu thun,
und auf anderer Leute Vortrag Stuͤckweiſe zu
antworten, und wer alſo in der Jugend eine
Promtitude hierinnen erlangt, wird mit einer
viel beſſern Ordnung und Deutlichkeit ſich zu
expliciren wiſſen, als ein anderer, der die ora-
tori
ſchen Præcepta noch ſo gut innen hat, und
in ſeiner Jugend viel Chrias Aphthonianas und
Weiſianas zuſammen geſetzet, aber hierinnen
nicht geuͤbet worden. Man hoͤret bißweilen,

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[388/0408] der, der ſeine Mutter-Sprache reden koͤnte, die hierzu noͤthige Geſchicklichkeit mit auf die Welt. Allein ich verſichere, daß die wenigſten dieſes Talent von Natur haben, und wenn ſie hierin- nen in ihrer Jugend nicht geuͤbet werden oder nachgehends, da ſie zu Verſtande kommen und den Nutzen davon verſpuͤren, ſich ſelbſt exerci- ren, ſo muͤſſen ſie dieſe Geſchicklichkeit entweder nach und nach mit allerhand incommoditaͤt, Muͤhe und bißweilen auch Verſpottung derje- nigen, ſo ihnen zuhoͤren, lernen, oder werden auch wohl in ihren gantzen Leben zu dieſen Sa- chen nicht geſchickt. Man hat nicht oͤffters Gelegenheit, groſſe weitlaͤufftige Reden in teut- ſcher oder lateiniſcher Sprache zu halten, aber wohl alle Tage gewiſſe facta herzuerzehlen und gewiſſen Miniſtris, wenn man in die Affairen gezogen wird, oder auch Fuͤrſtl. Perſonen ſelbſt von einigen Sachen einen Vortrag zu thun, und auf anderer Leute Vortrag Stuͤckweiſe zu antworten, und wer alſo in der Jugend eine Promtitude hierinnen erlangt, wird mit einer viel beſſern Ordnung und Deutlichkeit ſich zu expliciren wiſſen, als ein anderer, der die ora- toriſchen Præcepta noch ſo gut innen hat, und in ſeiner Jugend viel Chrias Aphthonianas und Weiſianas zuſammen geſetzet, aber hierinnen nicht geuͤbet worden. Man hoͤret bißweilen, daß

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/408>, abgerufen am 27.11.2024.