Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



Gedancken nur dahin richtet, wie er eine Glück-
seeligkeit in dieser Welt erlangen könne, bey
der er doch besorgt seyn muß, daß sie alle Augen-
blick ein Ende nehme, und hingegen sich um die
ewige und stets daurende allervollkommenste
Glückseeligkeit unbekümmert läst; Also setzen
auch diejenigen Christl. Potentaten ihre Re-
genten Pflicht sehr hindan, die bey ihren Unter-
thanen eine unvollkommene vergängliche und
zeitliche Glückseeligkeit befördern, hingegen die
allervollkommenste, allerbeständigste und ewige
negligiren wollen.

§. 3. Was fliessen aus diesem principio,
daß ein Landes-Fürst nicht nöthig habe, sich um
die Seelen Seeligkeit seiner Unterthanen zube-
kümmern, nicht vor böse conclusiones. Es
werden alle Kirchen-Ordnungen hiermit durch-
löchert und das jus circa sacra der Regenten
wird in Confusion gesetzt. Hat ein Landes-
Herr nicht nöthig, sich um die Seelen-Seelig-
keit seiner Unterthanen zu bekümmern, so wer-
den viel Anordnungen in Kirchen-Sachen ent-
weder gantz und gar wegfallen, oder doch grö-
stentheils nur nach der äusserlichen Glückseelig-
keit der Republic eingerichtet seyn und alles
dasjenige, was die Ruhe des Landes nicht stöh-
ret, ob es gleich von GOtt in seinem Worte
verbothen ist, wäre vor zuläßig zu achten. So

dürffte
R 2



Gedancken nur dahin richtet, wie er eine Gluͤck-
ſeeligkeit in dieſer Welt erlangen koͤnne, bey
der er doch beſorgt ſeyn muß, daß ſie alle Augen-
blick ein Ende nehme, und hingegen ſich um die
ewige und ſtets daurende allervollkommenſte
Gluͤckſeeligkeit unbekuͤmmert laͤſt; Alſo ſetzen
auch diejenigen Chriſtl. Potentaten ihre Re-
genten Pflicht ſehr hindan, die bey ihren Unter-
thanen eine unvollkommene vergaͤngliche und
zeitliche Gluͤckſeeligkeit befoͤrdern, hingegen die
allervollkommenſte, allerbeſtaͤndigſte und ewige
negligiren wollen.

§. 3. Was flieſſen aus dieſem principio,
daß ein Landes-Fuͤrſt nicht noͤthig habe, ſich um
die Seelen Seeligkeit ſeiner Unterthanen zube-
kuͤmmern, nicht vor boͤſe concluſiones. Es
werden alle Kirchen-Ordnungen hiermit durch-
loͤchert und das jus circa ſacra der Regenten
wird in Confuſion geſetzt. Hat ein Landes-
Herr nicht noͤthig, ſich um die Seelen-Seelig-
keit ſeiner Unterthanen zu bekuͤmmern, ſo wer-
den viel Anordnungen in Kirchen-Sachen ent-
weder gantz und gar wegfallen, oder doch groͤ-
ſtentheils nur nach der aͤuſſerlichen Gluͤckſeelig-
keit der Republic eingerichtet ſeyn und alles
dasjenige, was die Ruhe des Landes nicht ſtoͤh-
ret, ob es gleich von GOtt in ſeinem Worte
verbothen iſt, waͤre vor zulaͤßig zu achten. So

duͤrffte
R 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0279" n="259"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> Gedancken nur dahin richtet, wie er eine Glu&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;eeligkeit in die&#x017F;er Welt erlangen ko&#x0364;nne, bey<lb/>
der er doch be&#x017F;orgt &#x017F;eyn muß, daß &#x017F;ie alle Augen-<lb/>
blick ein Ende nehme, und hingegen &#x017F;ich um die<lb/>
ewige und &#x017F;tets daurende allervollkommen&#x017F;te<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit unbeku&#x0364;mmert la&#x0364;&#x017F;t; Al&#x017F;o &#x017F;etzen<lb/>
auch diejenigen Chri&#x017F;tl. Potentaten ihre Re-<lb/>
genten Pflicht &#x017F;ehr hindan, die bey ihren Unter-<lb/>
thanen eine unvollkommene verga&#x0364;ngliche und<lb/>
zeitliche Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit befo&#x0364;rdern, hingegen die<lb/>
allervollkommen&#x017F;te, allerbe&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;te und ewige<lb/><hi rendition="#aq">negligi</hi>ren wollen.</p><lb/>
        <p>§. 3. Was flie&#x017F;&#x017F;en aus die&#x017F;em <hi rendition="#aq">principio,</hi><lb/>
daß ein Landes-Fu&#x0364;r&#x017F;t nicht no&#x0364;thig habe, &#x017F;ich um<lb/>
die Seelen Seeligkeit &#x017F;einer Unterthanen zube-<lb/>
ku&#x0364;mmern, nicht vor bo&#x0364;&#x017F;e <hi rendition="#aq">conclu&#x017F;iones.</hi> Es<lb/>
werden alle Kirchen-Ordnungen hiermit durch-<lb/>
lo&#x0364;chert und das <hi rendition="#aq">jus circa &#x017F;acra</hi> der Regenten<lb/>
wird in <hi rendition="#aq">Confu&#x017F;ion</hi> ge&#x017F;etzt. Hat ein Landes-<lb/>
Herr nicht no&#x0364;thig, &#x017F;ich um die Seelen-Seelig-<lb/>
keit &#x017F;einer Unterthanen zu beku&#x0364;mmern, &#x017F;o wer-<lb/>
den viel Anordnungen in Kirchen-Sachen ent-<lb/>
weder gantz und gar wegfallen, oder doch gro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;tentheils nur nach der a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Glu&#x0364;ck&#x017F;eelig-<lb/>
keit der <hi rendition="#aq">Republic</hi> eingerichtet &#x017F;eyn und alles<lb/>
dasjenige, was die Ruhe des Landes nicht &#x017F;to&#x0364;h-<lb/>
ret, ob es gleich von GOtt in &#x017F;einem Worte<lb/>
verbothen i&#x017F;t, wa&#x0364;re vor zula&#x0364;ßig zu achten. So<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R 2</fw><fw place="bottom" type="catch">du&#x0364;rffte</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0279] Gedancken nur dahin richtet, wie er eine Gluͤck- ſeeligkeit in dieſer Welt erlangen koͤnne, bey der er doch beſorgt ſeyn muß, daß ſie alle Augen- blick ein Ende nehme, und hingegen ſich um die ewige und ſtets daurende allervollkommenſte Gluͤckſeeligkeit unbekuͤmmert laͤſt; Alſo ſetzen auch diejenigen Chriſtl. Potentaten ihre Re- genten Pflicht ſehr hindan, die bey ihren Unter- thanen eine unvollkommene vergaͤngliche und zeitliche Gluͤckſeeligkeit befoͤrdern, hingegen die allervollkommenſte, allerbeſtaͤndigſte und ewige negligiren wollen. §. 3. Was flieſſen aus dieſem principio, daß ein Landes-Fuͤrſt nicht noͤthig habe, ſich um die Seelen Seeligkeit ſeiner Unterthanen zube- kuͤmmern, nicht vor boͤſe concluſiones. Es werden alle Kirchen-Ordnungen hiermit durch- loͤchert und das jus circa ſacra der Regenten wird in Confuſion geſetzt. Hat ein Landes- Herr nicht noͤthig, ſich um die Seelen-Seelig- keit ſeiner Unterthanen zu bekuͤmmern, ſo wer- den viel Anordnungen in Kirchen-Sachen ent- weder gantz und gar wegfallen, oder doch groͤ- ſtentheils nur nach der aͤuſſerlichen Gluͤckſeelig- keit der Republic eingerichtet ſeyn und alles dasjenige, was die Ruhe des Landes nicht ſtoͤh- ret, ob es gleich von GOtt in ſeinem Worte verbothen iſt, waͤre vor zulaͤßig zu achten. So duͤrffte R 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/279
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/279>, abgerufen am 22.11.2024.