man doch keine Raison absehen, warum in den vorigen Zeiten, da die Leute meistens von Acker- werck und der Viehzucht lebten, ein Vater sei- ne Söhne, da sie mannbar geworden und sich Weiber genommen, hätte bey sich behalten sol- len? Ja es bezeuget vielmehr die heil. Schrifft, daß die Söhne, wenn sie erwachsen und bewei- bet waren, öffters an andern Orten in der Frem- de ihren eigenen Sitz aufgeschlagen, da zumahl die Länder damahls wüste und ledig waren, und ein ieder hinziehen konte, wo er wolte. Es haben zwar die Geschwister und andere Ver- wandten Liebe vor einander, es will aber doch gerne ein ieder dem andern gleich und keiner dem andern unterworffen seyn, und bisweilen sind sie besser gute Freunde, wenn ein ieder seine be- sondere Oeconomie hat, als wenn sie bey- sammen wohnen. Es ist eher zu vermuthen, daß die Leute und die Familien sich anfänglich von einander abgesondert und ihre besondern Haußhaltungen eingerichtet, als an einem Ort beysammen geblieben. Hernach aber da sie die Beschwerlichkeit, weil sie ohne anderer Leu- te Beyhülffe hier und da zerstreuet gelebt, wahr- genommen, so haben sie nachgehends angefan- gen, sich durch allerhand Pacta zuvereinigen und Republiquen zu constituiren; Und in dem Verstande sind diejenigen zu erklären, die vorge-
ben
man doch keine Raiſon abſehen, warum in den vorigen Zeiten, da die Leute meiſtens von Acker- werck und der Viehzucht lebten, ein Vater ſei- ne Soͤhne, da ſie mannbar geworden und ſich Weiber genommen, haͤtte bey ſich behalten ſol- len? Ja es bezeuget vielmehr die heil. Schrifft, daß die Soͤhne, wenn ſie erwachſen und bewei- bet waren, oͤffters an andern Orten in der Frem- de ihren eigenen Sitz aufgeſchlagen, da zumahl die Laͤnder damahls wuͤſte und ledig waren, und ein ieder hinziehen konte, wo er wolte. Es haben zwar die Geſchwiſter und andere Ver- wandten Liebe vor einander, es will aber doch gerne ein ieder dem andern gleich und keineꝛ dem andern unterworffen ſeyn, und bisweilen ſind ſie beſſer gute Freunde, wenn ein ieder ſeine be- ſondere Oeconomie hat, als wenn ſie bey- ſammen wohnen. Es iſt eher zu vermuthen, daß die Leute und die Familien ſich anfaͤnglich von einander abgeſondert und ihre beſondern Haußhaltungen eingerichtet, als an einem Ort beyſammen geblieben. Hernach aber da ſie die Beſchwerlichkeit, weil ſie ohne anderer Leu- te Beyhuͤlffe hier und da zerſtreuet gelebt, wahr- genommen, ſo haben ſie nachgehends angefan- gen, ſich durch allerhand Pacta zuvereinigen und Republiquen zu conſtituiren; Und in dem Veꝛſtande ſind diejenigen zu erklaͤren, die voꝛge-
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man doch keine Raiſon abſehen, warum in den
vorigen Zeiten, da die Leute meiſtens von Acker-
werck und der Viehzucht lebten, ein Vater ſei-
ne Soͤhne, da ſie mannbar geworden und ſich
Weiber genommen, haͤtte bey ſich behalten ſol-
len? Ja es bezeuget vielmehr die heil. Schrifft,
daß die Soͤhne, wenn ſie erwachſen und bewei-
bet waren, oͤffters an andern Orten in der Frem-
de ihren eigenen Sitz aufgeſchlagen, da zumahl
die Laͤnder damahls wuͤſte und ledig waren,
und ein ieder hinziehen konte, wo er wolte. Es
haben zwar die Geſchwiſter und andere Ver-
wandten Liebe vor einander, es will aber doch
gerne ein ieder dem andern gleich und keineꝛ dem
andern unterworffen ſeyn, und bisweilen ſind
ſie beſſer gute Freunde, wenn ein ieder ſeine be-
ſondere Oeconomie hat, als wenn ſie bey-
ſammen wohnen. Es iſt eher zu vermuthen,
daß die Leute und die Familien ſich anfaͤnglich
von einander abgeſondert und ihre beſondern
Haußhaltungen eingerichtet, als an einem Ort
beyſammen geblieben. Hernach aber da ſie
die Beſchwerlichkeit, weil ſie ohne anderer Leu-
te Beyhuͤlffe hier und da zerſtreuet gelebt, wahr-
genommen, ſo haben ſie nachgehends angefan-
gen, ſich durch allerhand Pacta zuvereinigen
und Republiquen zu conſtituiren; Und in dem
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/262>, abgerufen am 25.11.2024.
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