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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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wüsten Einöden wie die wilden Thiere zerstreu-
et und in der Einsamkeit herum gelauffen, wä-
re billig vor eine Fabel zu achten. Allein es
errinert der Herr Puffendorf in seinem Jure
Naturae & Gentium
bey mir pag. 905 hierbey
gar sehr wohl, wenn man bey dieser natürlichen
Verknüpffung die menschlichen Pacta, die bey
constituirung der Republic concurrirten,
ausschlüssen wolte, so wäre es so viel als wenn
man sagte, aus dem Saamen wächst ein Baum,
aus dem Baume werden Balcken und Brether,
wenn die wohl zusammen gefügt werden, wird
ein Schiff draus, und also ist ein Schiff
durch die natürliche Verknüpffung von sich
selbst entstanden, ohne daß die menschliche Hülf-
fe hat mit darzu kommen dürffen. Es ist zwar
allerdings vor fabelhafft zu achten, daß eine
grosse Menge Leute sich anfänglich versamlet
hätte, hernach aber in den Wäldern und wüsten
Einöden zerstreuet herum gelauffen und endlich
eine Republic ausgemachet. Jedoch wird
auch dieses ohne Grund fingiret, daß aus ei-
nigen Familien so geschwinde, ohne daß andere
darzu antreibende Ursachen oder gewisse dar-
zwischen kommende Pacta darbey concurriret,
die Reiche zusammen geschmoltzen. Denn ob
schon die Kinder in des Vaters Familie geblie-
ben, so lange sie unerzogen gewesen, so kan

man
Q



wuͤſten Einoͤden wie die wilden Thiere zerſtreu-
et und in der Einſamkeit herum gelauffen, waͤ-
re billig vor eine Fabel zu achten. Allein es
errinert der Herr Puffendorf in ſeinem Jure
Naturæ & Gentium
bey mir pag. 905 hierbey
gar ſehr wohl, wenn man bey dieſer natuͤrlichen
Verknuͤpffung die menſchlichen Pacta, die bey
conſtituirung der Republic concurrirten,
ausſchluͤſſen wolte, ſo waͤre es ſo viel als wenn
man ſagte, aus dem Saamen waͤchſt ein Baum,
aus dem Baume werden Balcken und Brether,
wenn die wohl zuſammen gefuͤgt werden, wird
ein Schiff draus, und alſo iſt ein Schiff
durch die natuͤrliche Verknuͤpffung von ſich
ſelbſt entſtanden, ohne daß die menſchliche Huͤlf-
fe hat mit darzu kommen duͤrffen. Es iſt zwar
allerdings vor fabelhafft zu achten, daß eine
groſſe Menge Leute ſich anfaͤnglich verſamlet
haͤtte, hernach aber in den Waͤldern und wuͤſten
Einoͤden zerſtreuet herum gelauffen und endlich
eine Republic ausgemachet. Jedoch wird
auch dieſes ohne Grund fingiret, daß aus ei-
nigen Familien ſo geſchwinde, ohne daß andere
darzu antreibende Urſachen oder gewiſſe dar-
zwiſchen kommende Pacta darbey concurriret,
die Reiche zuſammen geſchmoltzen. Denn ob
ſchon die Kinder in des Vaters Familie geblie-
ben, ſo lange ſie unerzogen geweſen, ſo kan

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[241/0261] wuͤſten Einoͤden wie die wilden Thiere zerſtreu- et und in der Einſamkeit herum gelauffen, waͤ- re billig vor eine Fabel zu achten. Allein es errinert der Herr Puffendorf in ſeinem Jure Naturæ & Gentium bey mir pag. 905 hierbey gar ſehr wohl, wenn man bey dieſer natuͤrlichen Verknuͤpffung die menſchlichen Pacta, die bey conſtituirung der Republic concurrirten, ausſchluͤſſen wolte, ſo waͤre es ſo viel als wenn man ſagte, aus dem Saamen waͤchſt ein Baum, aus dem Baume werden Balcken und Brether, wenn die wohl zuſammen gefuͤgt werden, wird ein Schiff draus, und alſo iſt ein Schiff durch die natuͤrliche Verknuͤpffung von ſich ſelbſt entſtanden, ohne daß die menſchliche Huͤlf- fe hat mit darzu kommen duͤrffen. Es iſt zwar allerdings vor fabelhafft zu achten, daß eine groſſe Menge Leute ſich anfaͤnglich verſamlet haͤtte, hernach aber in den Waͤldern und wuͤſten Einoͤden zerſtreuet herum gelauffen und endlich eine Republic ausgemachet. Jedoch wird auch dieſes ohne Grund fingiret, daß aus ei- nigen Familien ſo geſchwinde, ohne daß andere darzu antreibende Urſachen oder gewiſſe dar- zwiſchen kommende Pacta darbey concurriret, die Reiche zuſammen geſchmoltzen. Denn ob ſchon die Kinder in des Vaters Familie geblie- ben, ſo lange ſie unerzogen geweſen, ſo kan man Q

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/261>, abgerufen am 22.11.2024.