dentlicher Weise das männliche Geschlecht zur Regierung tüchtiger, denn das weibliche. Uber- dieß wird auch Statt finden, daß unter den Kin- dern, die dem Geschlecht nach einander gleich sind, der älteste allezeit der Succession fähig er- kannt wird, und dieses nicht nur darum, weil man glaubt, daß er diejenigen wie an Jahren, also auch am Verstande übertreffe, sondern auch, weil sonsten die Brüder in Ansehung der Conjunction mit dem Vater egal sind. Wenn dem würdigsten und geschicktesten unter ihnen das Reich deferiret werden solte, so wür- den sie gewiß in allerhand gefährlichen Streit und Widerwillen untereinander eingeflochten werden, um solchen vorzubeugen, ist am besten, die Sache dem Ausschlag der Geburth anzu- vertrauen, als welche auch fast die Einwilli- gung aller Völcker approbiret hat. Jedoch ist hierbey nöthig, daß der Erstgebohrne den übrigen in Ansehung ihrer Unterhaltung pro- spicire, denn daß er ihnen so viel erstatten und bezahlen solte, als ihre Portion austragen würde, wäre unnöthig und auch nicht wohl möglich, denn wenn z. E. vier Brüder bey ei- nem Reiche vorhanden wären, wo wolte der älteste wohl so viel Geld hernehmen, daß die ü- brigen Portiones des Reichs hierdurch com- pensiret würden?
§. 5.
dentlicher Weiſe das maͤnnliche Geſchlecht zur Regierung tuͤchtiger, denn das weibliche. Uber- dieß wird auch Statt finden, daß unter den Kin- dern, die dem Geſchlecht nach einander gleich ſind, der aͤlteſte allezeit der Succesſion faͤhig er- kannt wird, und dieſes nicht nur darum, weil man glaubt, daß er diejenigen wie an Jahren, alſo auch am Verſtande uͤbertreffe, ſondern auch, weil ſonſten die Bruͤder in Anſehung der Conjunction mit dem Vater egal ſind. Wenn dem wuͤrdigſten und geſchickteſten unter ihnen das Reich deferiret werden ſolte, ſo wuͤr- den ſie gewiß in allerhand gefaͤhrlichen Streit und Widerwillen untereinander eingeflochten werden, um ſolchen vorzubeugen, iſt am beſten, die Sache dem Ausſchlag der Geburth anzu- vertrauen, als welche auch faſt die Einwilli- gung aller Voͤlcker approbiret hat. Jedoch iſt hierbey noͤthig, daß der Erſtgebohrne den uͤbrigen in Anſehung ihrer Unterhaltung pro- ſpicire, denn daß er ihnen ſo viel erſtatten und bezahlen ſolte, als ihre Portion austragen wuͤrde, waͤre unnoͤthig und auch nicht wohl moͤglich, denn wenn z. E. vier Bruͤder bey ei- nem Reiche vorhanden waͤren, wo wolte der aͤlteſte wohl ſo viel Geld hernehmen, daß die uͤ- brigen Portiones des Reichs hierdurch com- penſiret wuͤrden?
§. 5.
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dentlicher Weiſe das maͤnnliche Geſchlecht zur
Regierung tuͤchtiger, denn das weibliche. Uber-
dieß wird auch Statt finden, daß unter den Kin-
dern, die dem Geſchlecht nach einander gleich
ſind, der aͤlteſte allezeit der Succesſion faͤhig er-
kannt wird, und dieſes nicht nur darum, weil
man glaubt, daß er diejenigen wie an Jahren,
alſo auch am Verſtande uͤbertreffe, ſondern
auch, weil ſonſten die Bruͤder in Anſehung der
Conjunction mit dem Vater egal ſind.
Wenn dem wuͤrdigſten und geſchickteſten unter
ihnen das Reich deferiret werden ſolte, ſo wuͤr-
den ſie gewiß in allerhand gefaͤhrlichen Streit
und Widerwillen untereinander eingeflochten
werden, um ſolchen vorzubeugen, iſt am beſten,
die Sache dem Ausſchlag der Geburth anzu-
vertrauen, als welche auch faſt die Einwilli-
gung aller Voͤlcker approbiret hat. Jedoch
iſt hierbey noͤthig, daß der Erſtgebohrne den
uͤbrigen in Anſehung ihrer Unterhaltung pro-
ſpicire, denn daß er ihnen ſo viel erſtatten und
bezahlen ſolte, als ihre Portion austragen
wuͤrde, waͤre unnoͤthig und auch nicht wohl
moͤglich, denn wenn z. E. vier Bruͤder bey ei-
nem Reiche vorhanden waͤren, wo wolte der
aͤlteſte wohl ſo viel Geld hernehmen, daß die uͤ-
brigen Portiones des Reichs hierdurch com-
penſiret wuͤrden?
§. 5.
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/227>, abgerufen am 26.11.2024.
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