so handelt er vernünfftiger, wenn er sich der Protection dessen, der ihn vertheidigen kan, unterwirfft, und hingegen vor die Beschützung sich dem andern in einem und dem andern obli- giret, als wenn er selbst seine Kräffte, die aber des andern seinen gantz und gar nicht propor- tioniret sind, dran setzen will. Jedoch muß er auch circumspect hierinnen seyn, daß er an sei- nem Schutz-Herrn nicht den ärgsten Feind be- komme, der ihn mit guter Manier nach und nach etwan gar zum Unterthan mache. Denn das Sprüchwort ist bekannt, daß aus Schirm- Herrn gar leicht Stürm-Herrn werden, und sind unterschiedene Exempel in Europa verhan- den, daß einige auf solche Art, wenn sie sich ei- nes mächtigen Nachbars protection unter- worffen, von demselben fast gäntzlich subjugiret worden.
§. 13. Die Fürsten haben Ursache dahin zu sehen, daß unter denjenigen Potentaten, deren Länder miteinander gräntzen, oder doch sonst wegen gewisser politischen Connexion combi- niret sind, die Bilance, so viel als möglich, erhal- ten werde, damit keiner den andern unterdrücke und über den Hauffen werffe, sondern einem iedweden das Seinige in Frieden und Ruhe ge- lassen werde. Denn wofern der eine gar zu mächtig ist, so müssen sich die andern alle her-
nach-
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ſo handelt er vernuͤnfftiger, wenn er ſich der Protection deſſen, der ihn vertheidigen kan, unterwirfft, und hingegen vor die Beſchuͤtzung ſich dem andern in einem und dem andern obli- giret, als wenn er ſelbſt ſeine Kraͤffte, die aber des andern ſeinen gantz und gar nicht propor- tioniret ſind, dran ſetzen will. Jedoch muß er auch circumſpect hierinnen ſeyn, daß er an ſei- nem Schutz-Herrn nicht den aͤrgſten Feind be- komme, der ihn mit guter Manier nach und nach etwan gar zum Unterthan mache. Denn das Spruͤchwort iſt bekannt, daß aus Schirm- Herrn gar leicht Stuͤrm-Herrn werden, und ſind unterſchiedene Exempel in Europa verhan- den, daß einige auf ſolche Art, wenn ſie ſich ei- nes maͤchtigen Nachbars protection unter- worffen, von demſelben faſt gaͤntzlich ſubjugiret worden.
§. 13. Die Fuͤrſten haben Urſache dahin zu ſehen, daß unter denjenigen Potentaten, deren Laͤnder miteinander graͤntzen, oder doch ſonſt wegen gewiſſer politiſchen Connexion combi- niret ſind, die Bilance, ſo viel als moͤglich, erhal- ten werde, damit keiner den andern unterdruͤcke und uͤber den Hauffen werffe, ſondern einem iedweden das Seinige in Frieden und Ruhe ge- laſſen werde. Denn wofern der eine gar zu maͤchtig iſt, ſo muͤſſen ſich die andern alle her-
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[1385/1405]
ſo handelt er vernuͤnfftiger, wenn er ſich der
Protection deſſen, der ihn vertheidigen kan,
unterwirfft, und hingegen vor die Beſchuͤtzung
ſich dem andern in einem und dem andern obli-
giret, als wenn er ſelbſt ſeine Kraͤffte, die aber
des andern ſeinen gantz und gar nicht propor-
tioniret ſind, dran ſetzen will. Jedoch muß er
auch circumſpect hierinnen ſeyn, daß er an ſei-
nem Schutz-Herrn nicht den aͤrgſten Feind be-
komme, der ihn mit guter Manier nach und
nach etwan gar zum Unterthan mache. Denn
das Spruͤchwort iſt bekannt, daß aus Schirm-
Herrn gar leicht Stuͤrm-Herrn werden, und
ſind unterſchiedene Exempel in Europa verhan-
den, daß einige auf ſolche Art, wenn ſie ſich ei-
nes maͤchtigen Nachbars protection unter-
worffen, von demſelben faſt gaͤntzlich ſubjugiret
worden.
§. 13. Die Fuͤrſten haben Urſache dahin zu
ſehen, daß unter denjenigen Potentaten, deren
Laͤnder miteinander graͤntzen, oder doch ſonſt
wegen gewiſſer politiſchen Connexion combi-
niret ſind, die Bilance, ſo viel als moͤglich, erhal-
ten werde, damit keiner den andern unterdruͤcke
und uͤber den Hauffen werffe, ſondern einem
iedweden das Seinige in Frieden und Ruhe ge-
laſſen werde. Denn wofern der eine gar zu
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1405>, abgerufen am 23.11.2024.
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