worden; Und wenn grosse Herren einander selbst kennen lernen und finden, daß ihre Gemü- ther wohl zusammen accordiren, so wird nicht sekten eine gute und beständige Freundschafft unter ihnen etabliret, die sonst nicht so gut wä- re cultiviret worden. Sonderlich muß er denjenigen Nachbar, der am mächtigsten ist, und ihm entweder am meisten assistiren oder schaden kan, am meisten caressiren, daß er den- selbigen zum Freunde behält. Er muß auff alle Art und Weise bedacht seyn, daß er sich ent- weder durch eine Mariage oder auff andere Art in eine gewisse Connexion mit ihm setze, damit sie hernach bey sich ereignenden Kriegen cau- sam communem zusammen machen und ein gemeinschafftl. Interesse mit einander haben. Darum muß er auch nicht alles so gar genau nehmen, sondern in dem einem und dem andern bißweilen nachgeben, und von seinen ihm zu- kommenden Rechten etwas remittiren. Denn aus zwey Ubeln ist das kleineste zu erwehlen, es ist besser, daß ein Schwächerer einen Mächti- gern ein wenig nachgiebt, als daß dieser jenen gantz und gar unterdrückt und über den Hauffen wirfft.
§. 12. Wenn ein Regent siehet, daß er nicht in dem Stande ist, einem auswärtigen Feind, er sey auch wer er wolle, Wiederstand zu leisten,
so
worden; Und wenn groſſe Herren einander ſelbſt kennen lernen und finden, daß ihre Gemuͤ- ther wohl zuſammen accordiren, ſo wird nicht ſekten eine gute und beſtaͤndige Freundſchafft unter ihnen etabliret, die ſonſt nicht ſo gut waͤ- re cultiviret worden. Sonderlich muß er denjenigen Nachbar, der am maͤchtigſten iſt, und ihm entweder am meiſten aſſiſtiren oder ſchaden kan, am meiſten careſſiren, daß er den- ſelbigen zum Freunde behaͤlt. Er muß auff alle Art und Weiſe bedacht ſeyn, daß er ſich ent- weder durch eine Mariage oder auff andere Art in eine gewiſſe Connexion mit ihm ſetze, damit ſie hernach bey ſich ereignenden Kriegen cau- ſam communem zuſammen machen und ein gemeinſchafftl. Intereſſe mit einander haben. Darum muß er auch nicht alles ſo gar genau nehmen, ſondern in dem einem und dem andern bißweilen nachgeben, und von ſeinen ihm zu- kommenden Rechten etwas remittiren. Denn aus zwey Ubeln iſt das kleineſte zu erwehlen, es iſt beſſer, daß ein Schwaͤcherer einen Maͤchti- gern ein wenig nachgiebt, als daß dieſer jenen gantz und gar unterdruͤckt und uͤber den Hauffen wirfft.
§. 12. Wenn ein Regent ſiehet, daß er nicht in dem Stande iſt, einem auswaͤrtigen Feind, er ſey auch wer er wolle, Wiederſtand zu leiſten,
ſo
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[1384/1404]
worden; Und wenn groſſe Herren einander
ſelbſt kennen lernen und finden, daß ihre Gemuͤ-
ther wohl zuſammen accordiren, ſo wird nicht
ſekten eine gute und beſtaͤndige Freundſchafft
unter ihnen etabliret, die ſonſt nicht ſo gut waͤ-
re cultiviret worden. Sonderlich muß er
denjenigen Nachbar, der am maͤchtigſten iſt,
und ihm entweder am meiſten aſſiſtiren oder
ſchaden kan, am meiſten careſſiren, daß er den-
ſelbigen zum Freunde behaͤlt. Er muß auff
alle Art und Weiſe bedacht ſeyn, daß er ſich ent-
weder durch eine Mariage oder auff andere Art
in eine gewiſſe Connexion mit ihm ſetze, damit
ſie hernach bey ſich ereignenden Kriegen cau-
ſam communem zuſammen machen und ein
gemeinſchafftl. Intereſſe mit einander haben.
Darum muß er auch nicht alles ſo gar genau
nehmen, ſondern in dem einem und dem andern
bißweilen nachgeben, und von ſeinen ihm zu-
kommenden Rechten etwas remittiren. Denn
aus zwey Ubeln iſt das kleineſte zu erwehlen, es
iſt beſſer, daß ein Schwaͤcherer einen Maͤchti-
gern ein wenig nachgiebt, als daß dieſer jenen
gantz und gar unterdruͤckt und uͤber den Hauffen
wirfft.
§. 12. Wenn ein Regent ſiehet, daß er nicht
in dem Stande iſt, einem auswaͤrtigen Feind, er
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1404>, abgerufen am 23.11.2024.
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