Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



ren in einem vertrauten und wahren Freund-
schaffts-Bündnisse stehen, so beraubet doch ent-
weder die Entfernung und Abwesenheit die An-
muth der Freundschafft, oder das Interesse pu-
blicum
legt doch allerhand Hindernisse in
Weg. Wollen sie mit denjenigen, die gerin-
gern Standes sind, sich in eine Freundschafft
einlassen, so müssen sie besorgen, daß dieselbige
ihrem Stande und Charactere disrenomir-
lich sey, und endlich zu einer familiarite bey de-
nen, die sich der Freundschafft und Affection
zu mißbrauchen pflegen, ausschlage.

§. 4. Das Interesse der Europäischen Po-
tentaten ist so sehr mit einander connex und
verwickelt, daß fast in den entfernesten Theilen
kein wichtig Negotium von Krieg, Frieden oder
Bündniß vorgehen kan, daß nicht auch an den-
jenigen Orten, so noch so weit von dem andern
abgesondert und entfernet sind, entweder dire-
cte
oder indirecte einen Einfluß haben solte,
und also haben sie bey einer ieden Haupt-Hand-
lung, so in einem andern Lande vorgenommen
wird, zu bedencken, ob dasselbe in gegenwärti-
gen oder zukünfftigen ihrem Interesse beförder-
lich oder hinderlich seyn könte.

§. 5. Es ist nicht gnug, daß ein Regent sich
nur um dasjenige bekümmert, was in seinem
Lande vorgehet, sondern er hat gewißlich auch

Rai-
S s s s 2



ren in einem vertrauten und wahren Freund-
ſchaffts-Buͤndniſſe ſtehen, ſo beraubet doch ent-
weder die Entfernung und Abweſenheit die An-
muth der Freundſchafft, oder das Intereſſe pu-
blicum
legt doch allerhand Hinderniſſe in
Weg. Wollen ſie mit denjenigen, die gerin-
gern Standes ſind, ſich in eine Freundſchafft
einlaſſen, ſo muͤſſen ſie beſorgen, daß dieſelbige
ihrem Stande und Charactere disrenomir-
lich ſey, und endlich zu einer familiarite bey de-
nen, die ſich der Freundſchafft und Affection
zu mißbrauchen pflegen, ausſchlage.

§. 4. Das Intereſſe der Europaͤiſchen Po-
tentaten iſt ſo ſehr mit einander connex und
verwickelt, daß faſt in den entferneſten Theilen
kein wichtig Negotium von Krieg, Frieden oder
Buͤndniß vorgehen kan, daß nicht auch an den-
jenigen Orten, ſo noch ſo weit von dem andern
abgeſondert und entfernet ſind, entweder dire-
cte
oder indirecte einen Einfluß haben ſolte,
und alſo haben ſie bey einer ieden Haupt-Hand-
lung, ſo in einem andern Lande vorgenommen
wird, zu bedencken, ob daſſelbe in gegenwaͤrti-
gen oder zukuͤnfftigen ihrem Intereſſe befoͤrder-
lich oder hinderlich ſeyn koͤnte.

§. 5. Es iſt nicht gnug, daß ein Regent ſich
nur um dasjenige bekuͤmmert, was in ſeinem
Lande vorgehet, ſondern er hat gewißlich auch

Rai-
S s s s 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f1399" n="1379"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> ren in einem vertrauten und wahren Freund-<lb/>
&#x017F;chaffts-Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tehen, &#x017F;o beraubet doch ent-<lb/>
weder die Entfernung und Abwe&#x017F;enheit die An-<lb/>
muth der Freund&#x017F;chafft, oder das <hi rendition="#aq">Intere&#x017F;&#x017F;e pu-<lb/>
blicum</hi> legt doch allerhand Hinderni&#x017F;&#x017F;e in<lb/>
Weg. Wollen &#x017F;ie mit denjenigen, die gerin-<lb/>
gern Standes &#x017F;ind, &#x017F;ich in eine Freund&#x017F;chafft<lb/>
einla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie be&#x017F;orgen, daß die&#x017F;elbige<lb/>
ihrem Stande und <hi rendition="#aq">Charactere disrenomir-</hi><lb/>
lich &#x017F;ey, und endlich zu einer <hi rendition="#aq">familiarite</hi> bey de-<lb/>
nen, die &#x017F;ich der Freund&#x017F;chafft und <hi rendition="#aq">Affection</hi><lb/>
zu mißbrauchen pflegen, aus&#x017F;chlage.</p><lb/>
        <p>§. 4. Das <hi rendition="#aq">Intere&#x017F;&#x017F;e</hi> der Europa&#x0364;i&#x017F;chen Po-<lb/>
tentaten i&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;ehr mit einander <hi rendition="#aq">connex</hi> und<lb/>
verwickelt, daß fa&#x017F;t in den entferne&#x017F;ten Theilen<lb/>
kein wichtig <hi rendition="#aq">Negotium</hi> von Krieg, Frieden oder<lb/>
Bu&#x0364;ndniß vorgehen kan, daß nicht auch an den-<lb/>
jenigen Orten, &#x017F;o noch &#x017F;o weit von dem andern<lb/>
abge&#x017F;ondert und entfernet &#x017F;ind, entweder <hi rendition="#aq">dire-<lb/>
cte</hi> oder <hi rendition="#aq">indirecte</hi> einen Einfluß haben &#x017F;olte,<lb/>
und al&#x017F;o haben &#x017F;ie bey einer ieden Haupt-Hand-<lb/>
lung, &#x017F;o in einem andern Lande vorgenommen<lb/>
wird, zu bedencken, ob da&#x017F;&#x017F;elbe in gegenwa&#x0364;rti-<lb/>
gen oder zuku&#x0364;nfftigen ihrem <hi rendition="#aq">Intere&#x017F;&#x017F;e</hi> befo&#x0364;rder-<lb/>
lich oder hinderlich &#x017F;eyn ko&#x0364;nte.</p><lb/>
        <p>§. 5. Es i&#x017F;t nicht gnug, daß ein Regent &#x017F;ich<lb/>
nur um dasjenige beku&#x0364;mmert, was in &#x017F;einem<lb/>
Lande vorgehet, &#x017F;ondern er hat gewißlich auch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S s s s 2</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Rai-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1379/1399] ren in einem vertrauten und wahren Freund- ſchaffts-Buͤndniſſe ſtehen, ſo beraubet doch ent- weder die Entfernung und Abweſenheit die An- muth der Freundſchafft, oder das Intereſſe pu- blicum legt doch allerhand Hinderniſſe in Weg. Wollen ſie mit denjenigen, die gerin- gern Standes ſind, ſich in eine Freundſchafft einlaſſen, ſo muͤſſen ſie beſorgen, daß dieſelbige ihrem Stande und Charactere disrenomir- lich ſey, und endlich zu einer familiarite bey de- nen, die ſich der Freundſchafft und Affection zu mißbrauchen pflegen, ausſchlage. §. 4. Das Intereſſe der Europaͤiſchen Po- tentaten iſt ſo ſehr mit einander connex und verwickelt, daß faſt in den entferneſten Theilen kein wichtig Negotium von Krieg, Frieden oder Buͤndniß vorgehen kan, daß nicht auch an den- jenigen Orten, ſo noch ſo weit von dem andern abgeſondert und entfernet ſind, entweder dire- cte oder indirecte einen Einfluß haben ſolte, und alſo haben ſie bey einer ieden Haupt-Hand- lung, ſo in einem andern Lande vorgenommen wird, zu bedencken, ob daſſelbe in gegenwaͤrti- gen oder zukuͤnfftigen ihrem Intereſſe befoͤrder- lich oder hinderlich ſeyn koͤnte. §. 5. Es iſt nicht gnug, daß ein Regent ſich nur um dasjenige bekuͤmmert, was in ſeinem Lande vorgehet, ſondern er hat gewißlich auch Rai- S s s s 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1399
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1399>, abgerufen am 27.11.2024.