tige Moden von uns erfunden worden, und auch von unsern Nachkömmlingen noch weiterhin werden er- funden werden.
§. 9. Daß man statt des schwerern, unbequemern und unnützern etwas leichters, bequemers und nützli- chers erwehlt, ist vernünfftig und löblich; thöricht hingegen, wenn man von dem vollkommnern auf das unvollkommene wieder zurück fällt. Hat man in einem und dem andern so lange rafinirt, biß man es auf einen gewissen Grad der Vollkommenheit gebracht, warum bleibet man denn nicht dabey? Die Wahrheit muß ja ewig Wahrheit, und das Gute stets gut bleiben. Doch das thörichte Vor- urtheil der Mode, hat viele Menschen so eingenom- men, daß sie auch das Gute, wenn sie es beständig geniessen, oder stets anschauen, vor etwas schlim- mes achten. Die Mode-Brüder widersprechen sich bey ihren Moden selbst. Jn der gegenwärti- gen Zeit lieben sie und bewundern etwas, sie schrei- ben ihm viel Vollkommenheiten zu, sie achten die Erfinder davon vor weise und kluge Leute, sie mey- nen, daß nichts bessers ausgedacht werden könte; nach dem Verlauff einiger Jahre aber verachten und verlachen sie eben die Weise, die ihnen doch ehedem so gefällig gewesen, sie spotten derer, die sie vor gut halten, und verwundern sich über sich selbst, daß sie einem so wunder-seltzamen Gebrauch haben können Beyfall geben. Alles bleibet hier überein, und man findet in nichts einen Unterscheid, als nur in der Zeit. Bey Einführung einer thörichten
Mode
I. Theil. II. Capitul.
tige Moden von uns erfunden worden, und auch von unſern Nachkoͤmmlingen noch weiterhin werden er- funden werden.
§. 9. Daß man ſtatt des ſchwerern, unbequemern und unnuͤtzern etwas leichters, bequemers und nuͤtzli- chers erwehlt, iſt vernuͤnfftig und loͤblich; thoͤricht hingegen, wenn man von dem vollkommnern auf das unvollkommene wieder zuruͤck faͤllt. Hat man in einem und dem andern ſo lange rafinirt, biß man es auf einen gewiſſen Grad der Vollkommenheit gebracht, warum bleibet man denn nicht dabey? Die Wahrheit muß ja ewig Wahrheit, und das Gute ſtets gut bleiben. Doch das thoͤrichte Vor- urtheil der Mode, hat viele Menſchen ſo eingenom- men, daß ſie auch das Gute, wenn ſie es beſtaͤndig genieſſen, oder ſtets anſchauen, vor etwas ſchlim- mes achten. Die Mode-Bruͤder widerſprechen ſich bey ihren Moden ſelbſt. Jn der gegenwaͤrti- gen Zeit lieben ſie und bewundern etwas, ſie ſchrei- ben ihm viel Vollkommenheiten zu, ſie achten die Erfinder davon vor weiſe und kluge Leute, ſie mey- nen, daß nichts beſſers ausgedacht werden koͤnte; nach dem Verlauff einiger Jahre aber verachten und verlachen ſie eben die Weiſe, die ihnen doch ehedem ſo gefaͤllig geweſen, ſie ſpotten derer, die ſie vor gut halten, und verwundern ſich uͤber ſich ſelbſt, daß ſie einem ſo wunder-ſeltzamen Gebrauch haben koͤnnen Beyfall geben. Alles bleibet hier uͤberein, und man findet in nichts einen Unterſcheid, als nur in der Zeit. Bey Einfuͤhrung einer thoͤrichten
Mode
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I. Theil. II. Capitul.
tige Moden von uns erfunden worden, und auch von
unſern Nachkoͤmmlingen noch weiterhin werden er-
funden werden.
§. 9. Daß man ſtatt des ſchwerern, unbequemern
und unnuͤtzern etwas leichters, bequemers und nuͤtzli-
chers erwehlt, iſt vernuͤnfftig und loͤblich; thoͤricht
hingegen, wenn man von dem vollkommnern auf
das unvollkommene wieder zuruͤck faͤllt. Hat man
in einem und dem andern ſo lange rafinirt, biß man
es auf einen gewiſſen Grad der Vollkommenheit
gebracht, warum bleibet man denn nicht dabey?
Die Wahrheit muß ja ewig Wahrheit, und das
Gute ſtets gut bleiben. Doch das thoͤrichte Vor-
urtheil der Mode, hat viele Menſchen ſo eingenom-
men, daß ſie auch das Gute, wenn ſie es beſtaͤndig
genieſſen, oder ſtets anſchauen, vor etwas ſchlim-
mes achten. Die Mode-Bruͤder widerſprechen
ſich bey ihren Moden ſelbſt. Jn der gegenwaͤrti-
gen Zeit lieben ſie und bewundern etwas, ſie ſchrei-
ben ihm viel Vollkommenheiten zu, ſie achten die
Erfinder davon vor weiſe und kluge Leute, ſie mey-
nen, daß nichts beſſers ausgedacht werden koͤnte;
nach dem Verlauff einiger Jahre aber verachten
und verlachen ſie eben die Weiſe, die ihnen doch
ehedem ſo gefaͤllig geweſen, ſie ſpotten derer, die ſie
vor gut halten, und verwundern ſich uͤber ſich ſelbſt,
daß ſie einem ſo wunder-ſeltzamen Gebrauch haben
koͤnnen Beyfall geben. Alles bleibet hier uͤberein,
und man findet in nichts einen Unterſcheid, als nur
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/60>, abgerufen am 23.11.2024.
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