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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XIII. Capitul.
unterschiednes dabey in Betrachtung mit zu ziehen,
wenn man sich nicht fremde Critiquen, die man
vermeiden könte, über den Hals ziehen will. Man
muß beurtheilen, welche sich vor diese oder jene
Jahrs Zeit wohl schicken möchten, ingleichen ob sie
den Jahren unsers Lebens, die wir zehlen, gemäß
sind. Es ist nichts lächerlicher, als wenn diejenigen,
denen der Winter des hohen Alters auf das Haar
geschneyet, in ihrer bunten Kleidung den Frühling
noch vorstellen wollen, wie es doch nicht selten von
denen die sich selbst nicht kennen wollen, zu gesche-
hen pflegt.

§. 34. Man muß die Farbe der Kleidung, die
man zu wehlen gedenckt, einiger maßen mit der Far-
be seines Gesichts mit in Vergleichung stellen;
Also kleidet die bleu mourant Farbe ein sehr blas-
ses Frauenzimmer nicht so gut als eine andre, und
wenn sich eine starck brunette ein weisses Kleid ver-
fertigen läst, wird sie darinnen noch viel dunckler
aussehen als sonst. Man muß nicht solche Far-
ben aussuchen von denen manche Leute, die sich am
geschicktesten achten, hierüber zu urtheilen, auch
bey andern in diesem Stück Gehör finden, raiso-
ni
ren, daß sie Dantzmeistern, Comoedianten und
Operisten anständiger wären als andern. Wenn
also ein junger Cavalier in ein hell auror farbnen
oder rosenfarbnen Tuch oder Papagoy grünen
Kleide nach Hofe käme, würde er gewiß vieler
Augen an sich ziehen, und auf mancherley Weise
wegen der von ihm erwehlten Farbe gerichtet wer-
den.

§. 35.

II. Theil. XIII. Capitul.
unterſchiednes dabey in Betrachtung mit zu ziehen,
wenn man ſich nicht fremde Critiquen, die man
vermeiden koͤnte, uͤber den Hals ziehen will. Man
muß beurtheilen, welche ſich vor dieſe oder jene
Jahrs Zeit wohl ſchicken moͤchten, ingleichen ob ſie
den Jahren unſers Lebens, die wir zehlen, gemaͤß
ſind. Es iſt nichts laͤcherlicher, als wenn diejenigen,
denen der Winter des hohen Alters auf das Haar
geſchneyet, in ihrer bunten Kleidung den Fruͤhling
noch vorſtellen wollen, wie es doch nicht ſelten von
denen die ſich ſelbſt nicht kennen wollen, zu geſche-
hen pflegt.

§. 34. Man muß die Farbe der Kleidung, die
man zu wehlen gedenckt, einiger maßen mit der Far-
be ſeines Geſichts mit in Vergleichung ſtellen;
Alſo kleidet die bleu mourant Farbe ein ſehr blaſ-
ſes Frauenzimmer nicht ſo gut als eine andre, und
wenn ſich eine ſtarck brunette ein weiſſes Kleid ver-
fertigen laͤſt, wird ſie darinnen noch viel dunckler
ausſehen als ſonſt. Man muß nicht ſolche Far-
ben ausſuchen von denen manche Leute, die ſich am
geſchickteſten achten, hieruͤber zu urtheilen, auch
bey andern in dieſem Stuͤck Gehoͤr finden, raiſo-
ni
ren, daß ſie Dantzmeiſtern, Comœdianten und
Operiſten anſtaͤndiger waͤren als andern. Wenn
alſo ein junger Cavalier in ein hell auror farbnen
oder roſenfarbnen Tuch oder Papagoy gruͤnen
Kleide nach Hofe kaͤme, wuͤrde er gewiß vieler
Augen an ſich ziehen, und auf mancherley Weiſe
wegen der von ihm erwehlten Farbe gerichtet wer-
den.

§. 35.
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[566/0586] II. Theil. XIII. Capitul. unterſchiednes dabey in Betrachtung mit zu ziehen, wenn man ſich nicht fremde Critiquen, die man vermeiden koͤnte, uͤber den Hals ziehen will. Man muß beurtheilen, welche ſich vor dieſe oder jene Jahrs Zeit wohl ſchicken moͤchten, ingleichen ob ſie den Jahren unſers Lebens, die wir zehlen, gemaͤß ſind. Es iſt nichts laͤcherlicher, als wenn diejenigen, denen der Winter des hohen Alters auf das Haar geſchneyet, in ihrer bunten Kleidung den Fruͤhling noch vorſtellen wollen, wie es doch nicht ſelten von denen die ſich ſelbſt nicht kennen wollen, zu geſche- hen pflegt. §. 34. Man muß die Farbe der Kleidung, die man zu wehlen gedenckt, einiger maßen mit der Far- be ſeines Geſichts mit in Vergleichung ſtellen; Alſo kleidet die bleu mourant Farbe ein ſehr blaſ- ſes Frauenzimmer nicht ſo gut als eine andre, und wenn ſich eine ſtarck brunette ein weiſſes Kleid ver- fertigen laͤſt, wird ſie darinnen noch viel dunckler ausſehen als ſonſt. Man muß nicht ſolche Far- ben ausſuchen von denen manche Leute, die ſich am geſchickteſten achten, hieruͤber zu urtheilen, auch bey andern in dieſem Stuͤck Gehoͤr finden, raiſo- niren, daß ſie Dantzmeiſtern, Comœdianten und Operiſten anſtaͤndiger waͤren als andern. Wenn alſo ein junger Cavalier in ein hell auror farbnen oder roſenfarbnen Tuch oder Papagoy gruͤnen Kleide nach Hofe kaͤme, wuͤrde er gewiß vieler Augen an ſich ziehen, und auf mancherley Weiſe wegen der von ihm erwehlten Farbe gerichtet wer- den. §. 35.

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/586>, abgerufen am 26.11.2024.