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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Divertissemens, Comoedien, Opern, etc.
Buche, so macht er hiebey eine allzu pedantische
Mine, er scheinet nicht, als ob er in der Oper wäre,
sondern, als ob er da säße, daß er die Oper wolte
auswendig lernen, welches er zu Hause hätte auch
thun können; siehet er aber stets auf das Theatrum,
so hat er nicht das halbe Plaisir, als wenn er sich
durch Gegeneinanderhaltung des vergangenen mit
dem gegenwärtigen die gantze Connexion und die
Vorstellung der künfftigen Suiten bekandt macht.

§. 19. Man muß nicht auf eine unzeitige Weise
von der Opera oder der Music urtheilen. Manche,
die keine Zeile Poetisches geschrieben, und wenig von
guten Versen gelesen, nehmen sich doch die Frey-
heit, von der Poesie, die nicht nach ihrem einfältigen
Verstande verfertiget, ein unhöfliches Urtheil über-
haupt zu fällen, und bald an der Einrichtung, bald
an den Einfällen etwas zu tadeln, das recht geschick-
te Kenner doch wohl vor etwas schönes halten.
S. Menantes höfliche Manier zu reden und zu le-
ben. pag. 112. So hat man sich insonderheit vor
allen Erinnerungen überhaupt in Acht zu nehmen,
wenn man bey einem vornehmen Nachbar sitzt, es
mag eine Dame oder ein Cavalier seyn. Hieher
gehöret ebenfalls, wenn einige die schlechte Art an
sich haben, und wider ihren Nachbar sagen: Nun
geben sie Achtung, nun wird eine schöne Passage
kommen, oder, haben sie dieses oder jenes nicht ge-
sehen, dieses war unvergleichlich. Unter besonders
guten Freunden gehet es wohl an, bey denen aber,
denen man Respect schuldig, oder gegen die man

fremde
J i 4

Von Divertiſſemens, Comœdien, Opern, ꝛc.
Buche, ſo macht er hiebey eine allzu pedantiſche
Mine, er ſcheinet nicht, als ob er in der Oper waͤre,
ſondern, als ob er da ſaͤße, daß er die Oper wolte
auswendig lernen, welches er zu Hauſe haͤtte auch
thun koͤnnen; ſiehet er aber ſtets auf das Theatrum,
ſo hat er nicht das halbe Plaiſir, als wenn er ſich
durch Gegeneinanderhaltung des vergangenen mit
dem gegenwaͤrtigen die gantze Connexion und die
Vorſtellung der kuͤnfftigen Suiten bekandt macht.

§. 19. Man muß nicht auf eine unzeitige Weiſe
von der Opera oder der Muſic urtheilen. Manche,
die keine Zeile Poëtiſches geſchrieben, und wenig von
guten Verſen geleſen, nehmen ſich doch die Frey-
heit, von der Poëſie, die nicht nach ihrem einfaͤltigen
Verſtande verfertiget, ein unhoͤfliches Urtheil uͤber-
haupt zu faͤllen, und bald an der Einrichtung, bald
an den Einfaͤllen etwas zu tadeln, das recht geſchick-
te Kenner doch wohl vor etwas ſchoͤnes halten.
S. Menantes hoͤfliche Manier zu reden und zu le-
ben. pag. 112. So hat man ſich inſonderheit vor
allen Erinnerungen uͤberhaupt in Acht zu nehmen,
wenn man bey einem vornehmen Nachbar ſitzt, es
mag eine Dame oder ein Cavalier ſeyn. Hieher
gehoͤret ebenfalls, wenn einige die ſchlechte Art an
ſich haben, und wider ihren Nachbar ſagen: Nun
geben ſie Achtung, nun wird eine ſchoͤne Paſſage
kommen, oder, haben ſie dieſes oder jenes nicht ge-
ſehen, dieſes war unvergleichlich. Unter beſonders
guten Freunden gehet es wohl an, bey denen aber,
denen man Reſpect ſchuldig, oder gegen die man

fremde
J i 4
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[503/0523] Von Divertiſſemens, Comœdien, Opern, ꝛc. Buche, ſo macht er hiebey eine allzu pedantiſche Mine, er ſcheinet nicht, als ob er in der Oper waͤre, ſondern, als ob er da ſaͤße, daß er die Oper wolte auswendig lernen, welches er zu Hauſe haͤtte auch thun koͤnnen; ſiehet er aber ſtets auf das Theatrum, ſo hat er nicht das halbe Plaiſir, als wenn er ſich durch Gegeneinanderhaltung des vergangenen mit dem gegenwaͤrtigen die gantze Connexion und die Vorſtellung der kuͤnfftigen Suiten bekandt macht. §. 19. Man muß nicht auf eine unzeitige Weiſe von der Opera oder der Muſic urtheilen. Manche, die keine Zeile Poëtiſches geſchrieben, und wenig von guten Verſen geleſen, nehmen ſich doch die Frey- heit, von der Poëſie, die nicht nach ihrem einfaͤltigen Verſtande verfertiget, ein unhoͤfliches Urtheil uͤber- haupt zu faͤllen, und bald an der Einrichtung, bald an den Einfaͤllen etwas zu tadeln, das recht geſchick- te Kenner doch wohl vor etwas ſchoͤnes halten. S. Menantes hoͤfliche Manier zu reden und zu le- ben. pag. 112. So hat man ſich inſonderheit vor allen Erinnerungen uͤberhaupt in Acht zu nehmen, wenn man bey einem vornehmen Nachbar ſitzt, es mag eine Dame oder ein Cavalier ſeyn. Hieher gehoͤret ebenfalls, wenn einige die ſchlechte Art an ſich haben, und wider ihren Nachbar ſagen: Nun geben ſie Achtung, nun wird eine ſchoͤne Paſſage kommen, oder, haben ſie dieſes oder jenes nicht ge- ſehen, dieſes war unvergleichlich. Unter beſonders guten Freunden gehet es wohl an, bey denen aber, denen man Reſpect ſchuldig, oder gegen die man fremde J i 4

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/523>, abgerufen am 13.05.2024.