wenn er nicht den Teller mit Speisen, den er zuerst bekommen, entweder einer Person aus dem Hause, die zur Familie des Wirths gehört, oder seinem Nachbar u. s. w. praesentiren wolte.
§. 50. Eine andere Regel, die Menantes p. 140 mittheilet, daß es theils verdächtig, theils wider den Respect und Wohlstand wäre, über der Tafel ei- nes vornehmen Mannes, zu jemand etwas heimli- ches zu reden, ist ebenfalls nicht allgemein. Man muß hierbey die grossen und kleinen Gesellschafften, und die grossen und kleinen Tafeln unterscheiden: Bey einer kleinen Tafel, die aus wenig Personen bestehet, hat diese Regel ihre Richtigkeit; bey einer grossen Gesellschafft aber leidet sie ihre Ausnahme: Hier ist es ja mehr gewöhnlich, daß die nächsten Nachbarn, die bey einander sitzen, mit einander re- den, und bißweilen auch gantz heimlich, ob sie gleich eben nicht einander in das Ohr reden, als daß einer über die gantze Tafel über laut spricht, wiewohl die- ses ebenfalls erlaubt, und zu geschehen pflegt.
§. 51. Man vermeide bey der Tafel einer vor- nehmen Gesellschafft, alle gemeine Arten, Gewohn- heiten und Sprüchwörter, die entweder bey dem Pöbel eingeführt, oder auch bißweilen unter beson- ders guten Freunden erlaubt, da man einander nichts vor übel nimmt. Es würde sich also einer sehr lächerlich machen, der in einer großen Compa- gnie wider seinen Nachbar, mit dem er etwan zu- gleich den Krug ausgetruncken, sagen wolte: Sie müssen vom frischen wieder anfangen/ denn sie ha-
ben
II. Theil. IX. Capitul.
wenn er nicht den Teller mit Speiſen, den er zuerſt bekommen, entweder einer Perſon aus dem Hauſe, die zur Familie des Wirths gehoͤrt, oder ſeinem Nachbar u. ſ. w. præſentiren wolte.
§. 50. Eine andere Regel, die Menantes p. 140 mittheilet, daß es theils verdaͤchtig, theils wider den Reſpect und Wohlſtand waͤre, uͤber der Tafel ei- nes vornehmen Mannes, zu jemand etwas heimli- ches zu reden, iſt ebenfalls nicht allgemein. Man muß hierbey die groſſen und kleinen Geſellſchafften, und die groſſen und kleinen Tafeln unterſcheiden: Bey einer kleinen Tafel, die aus wenig Perſonen beſtehet, hat dieſe Regel ihre Richtigkeit; bey einer groſſen Geſellſchafft aber leidet ſie ihre Ausnahme: Hier iſt es ja mehr gewoͤhnlich, daß die naͤchſten Nachbarn, die bey einander ſitzen, mit einander re- den, und bißweilen auch gantz heimlich, ob ſie gleich eben nicht einander in das Ohr reden, als daß einer uͤber die gantze Tafel uͤber laut ſpricht, wiewohl die- ſes ebenfalls erlaubt, und zu geſchehen pflegt.
§. 51. Man vermeide bey der Tafel einer vor- nehmen Geſellſchafft, alle gemeine Arten, Gewohn- heiten und Spruͤchwoͤrter, die entweder bey dem Poͤbel eingefuͤhrt, oder auch bißweilen unter beſon- ders guten Freunden erlaubt, da man einander nichts vor uͤbel nimmt. Es wuͤrde ſich alſo einer ſehr laͤcherlich machen, der in einer großen Compa- gnie wider ſeinen Nachbar, mit dem er etwan zu- gleich den Krug ausgetruncken, ſagen wolte: Sie muͤſſen vom friſchen wieder anfangen/ denn ſie ha-
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II. Theil. IX. Capitul.
wenn er nicht den Teller mit Speiſen, den er zuerſt
bekommen, entweder einer Perſon aus dem Hauſe,
die zur Familie des Wirths gehoͤrt, oder ſeinem
Nachbar u. ſ. w. præſentiren wolte.
§. 50. Eine andere Regel, die Menantes p. 140
mittheilet, daß es theils verdaͤchtig, theils wider den
Reſpect und Wohlſtand waͤre, uͤber der Tafel ei-
nes vornehmen Mannes, zu jemand etwas heimli-
ches zu reden, iſt ebenfalls nicht allgemein. Man
muß hierbey die groſſen und kleinen Geſellſchafften,
und die groſſen und kleinen Tafeln unterſcheiden:
Bey einer kleinen Tafel, die aus wenig Perſonen
beſtehet, hat dieſe Regel ihre Richtigkeit; bey einer
groſſen Geſellſchafft aber leidet ſie ihre Ausnahme:
Hier iſt es ja mehr gewoͤhnlich, daß die naͤchſten
Nachbarn, die bey einander ſitzen, mit einander re-
den, und bißweilen auch gantz heimlich, ob ſie gleich
eben nicht einander in das Ohr reden, als daß einer
uͤber die gantze Tafel uͤber laut ſpricht, wiewohl die-
ſes ebenfalls erlaubt, und zu geſchehen pflegt.
§. 51. Man vermeide bey der Tafel einer vor-
nehmen Geſellſchafft, alle gemeine Arten, Gewohn-
heiten und Spruͤchwoͤrter, die entweder bey dem
Poͤbel eingefuͤhrt, oder auch bißweilen unter beſon-
ders guten Freunden erlaubt, da man einander
nichts vor uͤbel nimmt. Es wuͤrde ſich alſo einer
ſehr laͤcherlich machen, der in einer großen Compa-
gnie wider ſeinen Nachbar, mit dem er etwan zu-
gleich den Krug ausgetruncken, ſagen wolte: Sie
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/478>, abgerufen am 22.11.2024.
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