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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Tractiren und denen Gastereyen.
ben die Neige ausgetruncken. Der Ursprung die-
ses gemeinen brocardici schreibet sich aus Preussen
her: Die alten heydnischen Preussen waren ge-
wohnt, es denen Christen und Ordens-Brüdern
zuzutrincken, und wenn sie ihnen vom frischen einge-
schenckt, den Trunck zu vergifften, weshalber der
Teutsche Ordens-Meister bey Lebens-Straffe an-
befohlen, daß der, so den letzten Trunck gethan, auch
von neuen anfangen muste; daher der Reim ent-
standen: Qui bibit ex negis, ex frischibus incipit
ille, Cur sic si quaeras, sic lex Prutenica sanxit.

S. Leonis Historia Prussiae p. 131.

§. 52. Bey dem Gesundheit-trincken muß man
ebenfalls behutsam seyn, daß man nicht etwas da-
bey versehe, und das Ceremoniel vornemlich gegen
den Wirth und die Wirthin, hernach auch gegen
die Gäste recht besorge. Ob man wohl meisten-
theils alle Speciel-Gesundheiten seiner Mitgäste zu
trincken pflegt, so ist es doch eben nicht nöthig, daß
man bey jeder Gesundheit ein gantz Glaß ausleeret,
sondern man kan unterschiedener Leute Gesundheit
aus einem Glase trincken. Es ist eine blosse Cere-
monie.
Daß das Gesundheit-trincken an und
vor sich selbst den zuläßigen Dingen beyzuzehlen,
habe ich in den vorhergehenden Sätzen dieses Ca-
pituls bereits angeführet. D. Brown, ein gewisser
Englischer Bischoff zu Yorck, hat anno 1716. es in
einer eignen Schrifft zwar als gottloß und sündlich
verworffen, bey den meisten aber Widerspruch ge-
funden. Es gab ihm Gelegenheit zu dieser Schrifft,

da

Vom Tractiren und denen Gaſtereyen.
ben die Neige ausgetruncken. Der Urſprung die-
ſes gemeinen brocardici ſchreibet ſich aus Preuſſen
her: Die alten heydniſchen Preuſſen waren ge-
wohnt, es denen Chriſten und Ordens-Bruͤdern
zuzutrincken, und wenn ſie ihnen vom friſchen einge-
ſchenckt, den Trunck zu vergifften, weshalber der
Teutſche Ordens-Meiſter bey Lebens-Straffe an-
befohlen, daß der, ſo den letzten Trunck gethan, auch
von neuen anfangen muſte; daher der Reim ent-
ſtanden: Qui bibit ex negis, ex friſchibus incipit
ille, Cur ſic ſi quæras, ſic lex Prutenica ſanxit.

S. Leonis Hiſtoria Pruſſiæ p. 131.

§. 52. Bey dem Geſundheit-trincken muß man
ebenfalls behutſam ſeyn, daß man nicht etwas da-
bey verſehe, und das Ceremoniel vornemlich gegen
den Wirth und die Wirthin, hernach auch gegen
die Gaͤſte recht beſorge. Ob man wohl meiſten-
theils alle Speciel-Geſundheiten ſeiner Mitgaͤſte zu
trincken pflegt, ſo iſt es doch eben nicht noͤthig, daß
man bey jeder Geſundheit ein gantz Glaß ausleeret,
ſondern man kan unterſchiedener Leute Geſundheit
aus einem Glaſe trincken. Es iſt eine bloſſe Cere-
monie.
Daß das Geſundheit-trincken an und
vor ſich ſelbſt den zulaͤßigen Dingen beyzuzehlen,
habe ich in den vorhergehenden Saͤtzen dieſes Ca-
pituls bereits angefuͤhret. D. Brown, ein gewiſſer
Engliſcher Biſchoff zu Yorck, hat anno 1716. es in
einer eignen Schrifft zwar als gottloß und ſuͤndlich
verworffen, bey den meiſten aber Widerſpruch ge-
funden. Es gab ihm Gelegenheit zu dieſer Schrifft,

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[459/0479] Vom Tractiren und denen Gaſtereyen. ben die Neige ausgetruncken. Der Urſprung die- ſes gemeinen brocardici ſchreibet ſich aus Preuſſen her: Die alten heydniſchen Preuſſen waren ge- wohnt, es denen Chriſten und Ordens-Bruͤdern zuzutrincken, und wenn ſie ihnen vom friſchen einge- ſchenckt, den Trunck zu vergifften, weshalber der Teutſche Ordens-Meiſter bey Lebens-Straffe an- befohlen, daß der, ſo den letzten Trunck gethan, auch von neuen anfangen muſte; daher der Reim ent- ſtanden: Qui bibit ex negis, ex friſchibus incipit ille, Cur ſic ſi quæras, ſic lex Prutenica ſanxit. S. Leonis Hiſtoria Pruſſiæ p. 131. §. 52. Bey dem Geſundheit-trincken muß man ebenfalls behutſam ſeyn, daß man nicht etwas da- bey verſehe, und das Ceremoniel vornemlich gegen den Wirth und die Wirthin, hernach auch gegen die Gaͤſte recht beſorge. Ob man wohl meiſten- theils alle Speciel-Geſundheiten ſeiner Mitgaͤſte zu trincken pflegt, ſo iſt es doch eben nicht noͤthig, daß man bey jeder Geſundheit ein gantz Glaß ausleeret, ſondern man kan unterſchiedener Leute Geſundheit aus einem Glaſe trincken. Es iſt eine bloſſe Cere- monie. Daß das Geſundheit-trincken an und vor ſich ſelbſt den zulaͤßigen Dingen beyzuzehlen, habe ich in den vorhergehenden Saͤtzen dieſes Ca- pituls bereits angefuͤhret. D. Brown, ein gewiſſer Engliſcher Biſchoff zu Yorck, hat anno 1716. es in einer eignen Schrifft zwar als gottloß und ſuͤndlich verworffen, bey den meiſten aber Widerſpruch ge- funden. Es gab ihm Gelegenheit zu dieſer Schrifft, da

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/479>, abgerufen am 22.11.2024.