Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Theil. IX. Capitul.
len sie das Talch-Licht oben in die Spitze hinein
stecken, und wenn das übrige von der Speise ver-
zehret, anfangen das Talch-Licht auch auszuessen,
und dieses soll ihnen nachgehends gantz vortrefflich
schmecken. S. pag. 199 und p. 205.

§. 47. Ein junger Cavalier thut wohl, wenn er
sich nach und nach die unterschiedenen Frantzösi-
schen Nahmen der Speisen, der Confituren, der
Liqueurs u. s. w. bekandt macht, als der Geleen,
der blanc Manger, der Grenaden, Grilladen, Car-
bonaden
u. s. w. und sie von einander zu unter-
scheiden lernet. Es kan sonst öffters geschehen,
wenn er die Ehre hat an einer vornehmen Tafel
zu speisen, und eine Standes-Person, ein grosser
Minister oder ein Frauenzimmer verlangt von ihm,
er soll ihr etwas von der Gelee u. s. w. reichen,
und er bey diesem Befehl seine Unwissenheit am
Tag legen muß, daß er sich durch eine solche Klei-
nigkeit bey einigen verächtlich macht. Da vielen
an dieser Erkenntniß mehr gelegen als an andern
nützlichen Sachen, und sie in demjenigen, was die
äusserlichen Sinnen belustiget, trefflich erfahren,
so schreiben sie eine solche Unerkenntniß in diesen
Dingen einer besondern Einfalt zu, und bemercken
es als einen gewaltigen Fehler.

§. 48. Es stehet einem jungen Cavalier besser
an, daß er die Confituren, Liqueurs und andere
dergleichen Sachen kennet, als daß er sie, wie biß-
weilen von einigen unartigen Leuten, denen der-
gleichen selten vor den Mund kommen, zu gesche-

hen

II. Theil. IX. Capitul.
len ſie das Talch-Licht oben in die Spitze hinein
ſtecken, und wenn das uͤbrige von der Speiſe ver-
zehret, anfangen das Talch-Licht auch auszueſſen,
und dieſes ſoll ihnen nachgehends gantz vortrefflich
ſchmecken. S. pag. 199 und p. 205.

§. 47. Ein junger Cavalier thut wohl, wenn er
ſich nach und nach die unterſchiedenen Frantzoͤſi-
ſchen Nahmen der Speiſen, der Confituren, der
Liqueurs u. ſ. w. bekandt macht, als der Geleen,
der blanc Manger, der Grenaden, Grilladen, Car-
bonaden
u. ſ. w. und ſie von einander zu unter-
ſcheiden lernet. Es kan ſonſt oͤffters geſchehen,
wenn er die Ehre hat an einer vornehmen Tafel
zu ſpeiſen, und eine Standes-Perſon, ein groſſer
Miniſter oder ein Frauenzimmer verlangt von ihm,
er ſoll ihr etwas von der Gelee u. ſ. w. reichen,
und er bey dieſem Befehl ſeine Unwiſſenheit am
Tag legen muß, daß er ſich durch eine ſolche Klei-
nigkeit bey einigen veraͤchtlich macht. Da vielen
an dieſer Erkenntniß mehr gelegen als an andern
nuͤtzlichen Sachen, und ſie in demjenigen, was die
aͤuſſerlichen Sinnen beluſtiget, trefflich erfahren,
ſo ſchreiben ſie eine ſolche Unerkenntniß in dieſen
Dingen einer beſondern Einfalt zu, und bemercken
es als einen gewaltigen Fehler.

§. 48. Es ſtehet einem jungen Cavalier beſſer
an, daß er die Confituren, Liqueurs und andere
dergleichen Sachen kennet, als daß er ſie, wie biß-
weilen von einigen unartigen Leuten, denen der-
gleichen ſelten vor den Mund kommen, zu geſche-

hen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0476" n="456"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">IX.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
len &#x017F;ie das Talch-Licht oben in die Spitze hinein<lb/>
&#x017F;tecken, und wenn das u&#x0364;brige von der Spei&#x017F;e ver-<lb/>
zehret, anfangen das Talch-Licht auch auszue&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und die&#x017F;es &#x017F;oll ihnen nachgehends gantz vortrefflich<lb/>
&#x017F;chmecken. S. <hi rendition="#aq">pag.</hi> 199 und <hi rendition="#aq">p.</hi> 205.</p><lb/>
        <p>§. 47. Ein junger <hi rendition="#aq">Cavalier</hi> thut wohl, wenn er<lb/>
&#x017F;ich nach und nach die unter&#x017F;chiedenen Frantzo&#x0364;&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;chen Nahmen der Spei&#x017F;en, der <hi rendition="#aq">Confitu</hi>ren, der<lb/><hi rendition="#aq">Liqueurs</hi> u. &#x017F;. w. bekandt macht, als der <hi rendition="#aq">Geleen,</hi><lb/>
der <hi rendition="#aq">blanc Manger,</hi> der <hi rendition="#aq">Grenaden, Grilladen, Car-<lb/>
bonaden</hi> u. &#x017F;. w. und &#x017F;ie von einander zu unter-<lb/>
&#x017F;cheiden lernet. Es kan &#x017F;on&#x017F;t o&#x0364;ffters ge&#x017F;chehen,<lb/>
wenn er die Ehre hat an einer vornehmen Tafel<lb/>
zu &#x017F;pei&#x017F;en, und eine Standes-Per&#x017F;on, ein gro&#x017F;&#x017F;er<lb/><hi rendition="#aq">Mini&#x017F;ter</hi> oder ein Frauenzimmer verlangt von ihm,<lb/>
er &#x017F;oll ihr etwas von der <hi rendition="#aq">Gelee</hi> u. &#x017F;. w. reichen,<lb/>
und er bey die&#x017F;em Befehl &#x017F;eine Unwi&#x017F;&#x017F;enheit am<lb/>
Tag legen muß, daß er &#x017F;ich durch eine &#x017F;olche Klei-<lb/>
nigkeit bey einigen vera&#x0364;chtlich macht. Da vielen<lb/>
an die&#x017F;er Erkenntniß mehr gelegen als an andern<lb/>
nu&#x0364;tzlichen Sachen, und &#x017F;ie in demjenigen, was die<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Sinnen belu&#x017F;tiget, trefflich erfahren,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chreiben &#x017F;ie eine &#x017F;olche Unerkenntniß in die&#x017F;en<lb/>
Dingen einer be&#x017F;ondern Einfalt zu, und bemercken<lb/>
es als einen gewaltigen Fehler.</p><lb/>
        <p>§. 48. Es &#x017F;tehet einem jungen <hi rendition="#aq">Cavalier</hi> be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
an, daß er die <hi rendition="#aq">Confitu</hi>ren, <hi rendition="#aq">Liqueurs</hi> und andere<lb/>
dergleichen Sachen kennet, als daß er &#x017F;ie, wie biß-<lb/>
weilen von einigen unartigen Leuten, denen der-<lb/>
gleichen &#x017F;elten vor den Mund kommen, zu ge&#x017F;che-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[456/0476] II. Theil. IX. Capitul. len ſie das Talch-Licht oben in die Spitze hinein ſtecken, und wenn das uͤbrige von der Speiſe ver- zehret, anfangen das Talch-Licht auch auszueſſen, und dieſes ſoll ihnen nachgehends gantz vortrefflich ſchmecken. S. pag. 199 und p. 205. §. 47. Ein junger Cavalier thut wohl, wenn er ſich nach und nach die unterſchiedenen Frantzoͤſi- ſchen Nahmen der Speiſen, der Confituren, der Liqueurs u. ſ. w. bekandt macht, als der Geleen, der blanc Manger, der Grenaden, Grilladen, Car- bonaden u. ſ. w. und ſie von einander zu unter- ſcheiden lernet. Es kan ſonſt oͤffters geſchehen, wenn er die Ehre hat an einer vornehmen Tafel zu ſpeiſen, und eine Standes-Perſon, ein groſſer Miniſter oder ein Frauenzimmer verlangt von ihm, er ſoll ihr etwas von der Gelee u. ſ. w. reichen, und er bey dieſem Befehl ſeine Unwiſſenheit am Tag legen muß, daß er ſich durch eine ſolche Klei- nigkeit bey einigen veraͤchtlich macht. Da vielen an dieſer Erkenntniß mehr gelegen als an andern nuͤtzlichen Sachen, und ſie in demjenigen, was die aͤuſſerlichen Sinnen beluſtiget, trefflich erfahren, ſo ſchreiben ſie eine ſolche Unerkenntniß in dieſen Dingen einer beſondern Einfalt zu, und bemercken es als einen gewaltigen Fehler. §. 48. Es ſtehet einem jungen Cavalier beſſer an, daß er die Confituren, Liqueurs und andere dergleichen Sachen kennet, als daß er ſie, wie biß- weilen von einigen unartigen Leuten, denen der- gleichen ſelten vor den Mund kommen, zu geſche- hen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/476
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/476>, abgerufen am 20.05.2024.