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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. IV. Capitul.
ich rede aber hier von dem Fall, da der Briefsteller
von dem Höhern um sehr viel tieffe Grad von dem
andern unterschieden, und da die Höhern von dem
obersten Range sind; denn sonst ist dieses Compli-
ment
gar gewöhnlich, geziemend und zuläßig.

§. 23. Es ist dem Wohlstand zuwider, wenn
man in dem Schreiben, das an eine hohe Standes-
Person, oder einem grossen Minister ergehet, ein
Postscriptum mit anfüget. An statt dessen muß
man lieber ein Inserat anschlüssen, und in dasselbe
dasjenige, was man in dem Schreiben ausgelassen,
oder wovon man nur erst Nachricht erlangt, mit ein-
rücken. Bey dem Inserat fängt man eben die Ti-
tulatur
an, wie in dem Briefe, nur mit dem Unter-
schiede, daß man noch das Wörtgen auch drüber
setzt; z. E. Auch Hochgebohrner Graf, Gnädiger
Herr, und unterschreibt es, wie den Brief.

§. 24. An der Unterschrifft eines Briefes ist fast
so viel gelegen, als an der Titulatur, daß man ein
solch Wörtgen aussuche, dadurch man seine Unter-
thänigkeit und die Ehrerbietung, die man vor dem
Höhern heget, sattsam ausdrucke. Jn den ge-
druckten Briefstellern findet man bey diesem
Stück mancherley Fehler. Ein gewisser neuer
Autor meldet: An unsers gleichen schreiben wir
bey der Unterschrifft, gehorsamster, dienstschuldig-
ster, dienstwilligster, oder verbundenster Diener,
hingegen an andere, welche fürnehmern Standes,
als wir selber wären, schrieben wir insgemein unter-
thäniger, gehorsamster Knecht oder Diener. Doch

ich

II. Theil. IV. Capitul.
ich rede aber hier von dem Fall, da der Briefſteller
von dem Hoͤhern um ſehr viel tieffe Grad von dem
andern unterſchieden, und da die Hoͤhern von dem
oberſten Range ſind; denn ſonſt iſt dieſes Compli-
ment
gar gewoͤhnlich, geziemend und zulaͤßig.

§. 23. Es iſt dem Wohlſtand zuwider, wenn
man in dem Schreiben, das an eine hohe Standes-
Perſon, oder einem groſſen Miniſter ergehet, ein
Poſtſcriptum mit anfuͤget. An ſtatt deſſen muß
man lieber ein Inſerat anſchluͤſſen, und in daſſelbe
dasjenige, was man in dem Schreiben ausgelaſſen,
oder wovon man nur erſt Nachricht erlangt, mit ein-
ruͤcken. Bey dem Inſerat faͤngt man eben die Ti-
tulatur
an, wie in dem Briefe, nur mit dem Unter-
ſchiede, daß man noch das Woͤrtgen auch druͤber
ſetzt; z. E. Auch Hochgebohrner Graf, Gnaͤdiger
Herr, und unterſchreibt es, wie den Brief.

§. 24. An der Unterſchrifft eines Briefes iſt faſt
ſo viel gelegen, als an der Titulatur, daß man ein
ſolch Woͤrtgen ausſuche, dadurch man ſeine Unter-
thaͤnigkeit und die Ehrerbietung, die man vor dem
Hoͤhern heget, ſattſam ausdrucke. Jn den ge-
druckten Briefſtellern findet man bey dieſem
Stuͤck mancherley Fehler. Ein gewiſſer neuer
Autor meldet: An unſers gleichen ſchreiben wir
bey der Unterſchrifft, gehorſamſter, dienſtſchuldig-
ſter, dienſtwilligſter, oder verbundenſter Diener,
hingegen an andere, welche fuͤrnehmern Standes,
als wir ſelber waͤren, ſchrieben wir insgemein unter-
thaͤniger, gehorſamſter Knecht oder Diener. Doch

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[336/0356] II. Theil. IV. Capitul. ich rede aber hier von dem Fall, da der Briefſteller von dem Hoͤhern um ſehr viel tieffe Grad von dem andern unterſchieden, und da die Hoͤhern von dem oberſten Range ſind; denn ſonſt iſt dieſes Compli- ment gar gewoͤhnlich, geziemend und zulaͤßig. §. 23. Es iſt dem Wohlſtand zuwider, wenn man in dem Schreiben, das an eine hohe Standes- Perſon, oder einem groſſen Miniſter ergehet, ein Poſtſcriptum mit anfuͤget. An ſtatt deſſen muß man lieber ein Inſerat anſchluͤſſen, und in daſſelbe dasjenige, was man in dem Schreiben ausgelaſſen, oder wovon man nur erſt Nachricht erlangt, mit ein- ruͤcken. Bey dem Inſerat faͤngt man eben die Ti- tulatur an, wie in dem Briefe, nur mit dem Unter- ſchiede, daß man noch das Woͤrtgen auch druͤber ſetzt; z. E. Auch Hochgebohrner Graf, Gnaͤdiger Herr, und unterſchreibt es, wie den Brief. §. 24. An der Unterſchrifft eines Briefes iſt faſt ſo viel gelegen, als an der Titulatur, daß man ein ſolch Woͤrtgen ausſuche, dadurch man ſeine Unter- thaͤnigkeit und die Ehrerbietung, die man vor dem Hoͤhern heget, ſattſam ausdrucke. Jn den ge- druckten Briefſtellern findet man bey dieſem Stuͤck mancherley Fehler. Ein gewiſſer neuer Autor meldet: An unſers gleichen ſchreiben wir bey der Unterſchrifft, gehorſamſter, dienſtſchuldig- ſter, dienſtwilligſter, oder verbundenſter Diener, hingegen an andere, welche fuͤrnehmern Standes, als wir ſelber waͤren, ſchrieben wir insgemein unter- thaͤniger, gehorſamſter Knecht oder Diener. Doch ich

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/356>, abgerufen am 23.11.2024.