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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. IV. Capitul.

§. 19. Mit den Anfangs- und Schluß-Compli-
mens
muß man sonderlich in den Schreiben, die an
die Höhern gerichtet, eine manierliche und gute Ab-
wechselung zu treffen wissen, damit man nicht stets
einerley vorbringe, und sie nicht den Formulen der
Urthelsfasser ähnlich sehen, die bey dem Eingang
und dem Ende der Urthel meistentheils einerley
Schlendriane zu behalten pflegen. Jm übrigen
sind die Regeln, die ich in dem Capitul von Compli-
mens
vorgetragen, hier ebenfalls zu appliciren.
Es bleiben einerley Anmerckungen, ob ein Compli-
ment
mündlich oder schrifftlich abgefaßt werde.

§. 20. Die ungeübten Briefsteller pflegen gar
öffters zu den gedruckten Brief-Büchern ihre Zu-
flucht zu nehmen, um nicht allein manche Redens-
Arten daraus zu stehlen, sondern auch wohl gantze
Complimens auszuschreiben. Jedoch dieser Be-
trug verräth sich meistentheils selbst durch die un-
gleiche Schreib-Art, die bald steiget, bald wieder-
um fällt, bald gemein und natürlich, und bald wie-
derum künstlich und gezwungen ist. Daß ein jun-
ger Mensch durch fleißiges lesen wohl-stylisirter
Briefe sich nach und nach einige gute Redens-Ar-
ten in den Kopff setzt, und zugleich auf die Disposi-
tion
der Theile, aus denen die Briefe zusammen ge-
setzt, Achtung giebt, damit er zu einer andern Zeit
und bey einer andern Gelegenheit dergleichen wei-
ter nachahmen könne, ist wohl gethan; daß er aber
gantze Flecken aus den Büchern ausschreiben will,
das ist nichts. Es ist weit besser, wenn es ein jun-

ger
II. Theil. IV. Capitul.

§. 19. Mit den Anfangs- und Schluß-Compli-
mens
muß man ſonderlich in den Schreiben, die an
die Hoͤhern gerichtet, eine manierliche und gute Ab-
wechſelung zu treffen wiſſen, damit man nicht ſtets
einerley vorbringe, und ſie nicht den Formulen der
Urthelsfaſſer aͤhnlich ſehen, die bey dem Eingang
und dem Ende der Urthel meiſtentheils einerley
Schlendriane zu behalten pflegen. Jm uͤbrigen
ſind die Regeln, die ich in dem Capitul von Compli-
mens
vorgetragen, hier ebenfalls zu appliciren.
Es bleiben einerley Anmerckungen, ob ein Compli-
ment
muͤndlich oder ſchrifftlich abgefaßt werde.

§. 20. Die ungeuͤbten Briefſteller pflegen gar
oͤffters zu den gedruckten Brief-Buͤchern ihre Zu-
flucht zu nehmen, um nicht allein manche Redens-
Arten daraus zu ſtehlen, ſondern auch wohl gantze
Complimens auszuſchreiben. Jedoch dieſer Be-
trug verraͤth ſich meiſtentheils ſelbſt durch die un-
gleiche Schreib-Art, die bald ſteiget, bald wieder-
um faͤllt, bald gemein und natuͤrlich, und bald wie-
derum kuͤnſtlich und gezwungen iſt. Daß ein jun-
ger Menſch durch fleißiges leſen wohl-ſtyliſirter
Briefe ſich nach und nach einige gute Redens-Ar-
ten in den Kopff ſetzt, und zugleich auf die Diſpoſi-
tion
der Theile, aus denen die Briefe zuſammen ge-
ſetzt, Achtung giebt, damit er zu einer andern Zeit
und bey einer andern Gelegenheit dergleichen wei-
ter nachahmen koͤnne, iſt wohl gethan; daß er aber
gantze Flecken aus den Buͤchern ausſchreiben will,
das iſt nichts. Es iſt weit beſſer, wenn es ein jun-

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[334/0354] II. Theil. IV. Capitul. §. 19. Mit den Anfangs- und Schluß-Compli- mens muß man ſonderlich in den Schreiben, die an die Hoͤhern gerichtet, eine manierliche und gute Ab- wechſelung zu treffen wiſſen, damit man nicht ſtets einerley vorbringe, und ſie nicht den Formulen der Urthelsfaſſer aͤhnlich ſehen, die bey dem Eingang und dem Ende der Urthel meiſtentheils einerley Schlendriane zu behalten pflegen. Jm uͤbrigen ſind die Regeln, die ich in dem Capitul von Compli- mens vorgetragen, hier ebenfalls zu appliciren. Es bleiben einerley Anmerckungen, ob ein Compli- ment muͤndlich oder ſchrifftlich abgefaßt werde. §. 20. Die ungeuͤbten Briefſteller pflegen gar oͤffters zu den gedruckten Brief-Buͤchern ihre Zu- flucht zu nehmen, um nicht allein manche Redens- Arten daraus zu ſtehlen, ſondern auch wohl gantze Complimens auszuſchreiben. Jedoch dieſer Be- trug verraͤth ſich meiſtentheils ſelbſt durch die un- gleiche Schreib-Art, die bald ſteiget, bald wieder- um faͤllt, bald gemein und natuͤrlich, und bald wie- derum kuͤnſtlich und gezwungen iſt. Daß ein jun- ger Menſch durch fleißiges leſen wohl-ſtyliſirter Briefe ſich nach und nach einige gute Redens-Ar- ten in den Kopff ſetzt, und zugleich auf die Diſpoſi- tion der Theile, aus denen die Briefe zuſammen ge- ſetzt, Achtung giebt, damit er zu einer andern Zeit und bey einer andern Gelegenheit dergleichen wei- ter nachahmen koͤnne, iſt wohl gethan; daß er aber gantze Flecken aus den Buͤchern ausſchreiben will, das iſt nichts. Es iſt weit beſſer, wenn es ein jun- ger

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/354>, abgerufen am 23.11.2024.