Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Theil. III. Capitul.
sitzt, in dem Stande ist, eine gantze Stunde und
wohl noch länger in der gemeinen Conversation
von einer bekandten Materie bey guten Freunden
zu schwatzen, ohne daß er besorgt ist, er möchte in
seinen Reden etwan stecken bleiben? Nirgends an-
ders, als daher, weil er seine Gedancken ordent-
lich vorträgt, mit Bedachtsamkeit redet, nicht lan-
ge auf die Worte sinnet, was er vor welche erweh-
len will, sondern sich derjenigen bedient, die ihm am
ersten in die Gedancken, und auf die Zunge kom-
men, und sich in reden nicht blöde und furchtsam,
sondern freymüthig bezeugt. Wer nun eben
dieses bey einer öffentlichen Rede auch beobach-
tet, der wird weit besser zu recht kommen, als
sonst.

§. 3. Bey Hof-Reden muß sich ein Cavalier
mehr der Kürtze, als der Weitläufftigkeit befleißi-
gen; Große Herren haben gar selten die Gedult,
einen langwierigen Redner mit Vergnügen zu hö-
ren. Es ist rühmlicher, wenn sie in der Begierde
erhalten werden, länger zuzuhören, als wenn sie
wegen der Weitläufftigkeit der Rede verdrüßlich
werden. Es ist kein großer Fehler, wenn es heißt,
die Rede war gut, aber zu kurtz. Der Frantzösi-
sche Minister, der Herr von Callieres, sagt in seinen
Staats-erfahrnen Abgesandten: Wenn man mit
einem Fürsten redet, so soll man solches mit einer
bescheidenen und ehrerbietigen Mine, auch ver-
mittelst eines kurtz zusammen gezogenen Styli ver-
richten, nachdem einer vorhero die Redens-Arten,

die

II. Theil. III. Capitul.
ſitzt, in dem Stande iſt, eine gantze Stunde und
wohl noch laͤnger in der gemeinen Converſation
von einer bekandten Materie bey guten Freunden
zu ſchwatzen, ohne daß er beſorgt iſt, er moͤchte in
ſeinen Reden etwan ſtecken bleiben? Nirgends an-
ders, als daher, weil er ſeine Gedancken ordent-
lich vortraͤgt, mit Bedachtſamkeit redet, nicht lan-
ge auf die Worte ſinnet, was er vor welche erweh-
len will, ſondern ſich derjenigen bedient, die ihm am
erſten in die Gedancken, und auf die Zunge kom-
men, und ſich in reden nicht bloͤde und furchtſam,
ſondern freymuͤthig bezeugt. Wer nun eben
dieſes bey einer oͤffentlichen Rede auch beobach-
tet, der wird weit beſſer zu recht kommen, als
ſonſt.

§. 3. Bey Hof-Reden muß ſich ein Cavalier
mehr der Kuͤrtze, als der Weitlaͤufftigkeit befleißi-
gen; Große Herren haben gar ſelten die Gedult,
einen langwierigen Redner mit Vergnuͤgen zu hoͤ-
ren. Es iſt ruͤhmlicher, wenn ſie in der Begierde
erhalten werden, laͤnger zuzuhoͤren, als wenn ſie
wegen der Weitlaͤufftigkeit der Rede verdruͤßlich
werden. Es iſt kein großer Fehler, wenn es heißt,
die Rede war gut, aber zu kurtz. Der Frantzoͤſi-
ſche Miniſter, der Herr von Calliéres, ſagt in ſeinen
Staats-erfahrnen Abgeſandten: Wenn man mit
einem Fuͤrſten redet, ſo ſoll man ſolches mit einer
beſcheidenen und ehrerbietigen Mine, auch ver-
mittelſt eines kurtz zuſammen gezogenen Styli ver-
richten, nachdem einer vorhero die Redens-Arten,

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0324" n="304"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">III.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
&#x017F;itzt, in dem Stande i&#x017F;t, eine gantze Stunde und<lb/>
wohl noch la&#x0364;nger in der gemeinen <hi rendition="#aq">Conver&#x017F;ation</hi><lb/>
von einer bekandten Materie bey guten Freunden<lb/>
zu &#x017F;chwatzen, ohne daß er be&#x017F;orgt i&#x017F;t, er mo&#x0364;chte in<lb/>
&#x017F;einen Reden etwan &#x017F;tecken bleiben? Nirgends an-<lb/>
ders, als daher, weil er &#x017F;eine Gedancken ordent-<lb/>
lich vortra&#x0364;gt, mit Bedacht&#x017F;amkeit redet, nicht lan-<lb/>
ge auf die Worte &#x017F;innet, was er vor welche erweh-<lb/>
len will, &#x017F;ondern &#x017F;ich derjenigen bedient, die ihm am<lb/>
er&#x017F;ten in die Gedancken, und auf die Zunge kom-<lb/>
men, und &#x017F;ich in reden nicht blo&#x0364;de und furcht&#x017F;am,<lb/>
&#x017F;ondern freymu&#x0364;thig bezeugt. Wer nun eben<lb/>
die&#x017F;es bey einer o&#x0364;ffentlichen Rede auch beobach-<lb/>
tet, der wird weit be&#x017F;&#x017F;er zu recht kommen, als<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>§. 3. Bey Hof-Reden muß &#x017F;ich ein <hi rendition="#aq">Cavalier</hi><lb/>
mehr der Ku&#x0364;rtze, als der Weitla&#x0364;ufftigkeit befleißi-<lb/>
gen; Große Herren haben gar &#x017F;elten die Gedult,<lb/>
einen langwierigen Redner mit Vergnu&#x0364;gen zu ho&#x0364;-<lb/>
ren. Es i&#x017F;t ru&#x0364;hmlicher, wenn &#x017F;ie in der Begierde<lb/>
erhalten werden, la&#x0364;nger zuzuho&#x0364;ren, als wenn &#x017F;ie<lb/>
wegen der Weitla&#x0364;ufftigkeit der Rede verdru&#x0364;ßlich<lb/>
werden. Es i&#x017F;t kein großer Fehler, wenn es heißt,<lb/>
die Rede war gut, aber zu kurtz. Der Frantzo&#x0364;&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;che <hi rendition="#aq">Mini&#x017F;ter,</hi> der Herr von <hi rendition="#aq">Calliéres,</hi> &#x017F;agt in &#x017F;einen<lb/>
Staats-erfahrnen Abge&#x017F;andten: Wenn man mit<lb/>
einem Fu&#x0364;r&#x017F;ten redet, &#x017F;o &#x017F;oll man &#x017F;olches mit einer<lb/>
be&#x017F;cheidenen und ehrerbietigen Mine, auch ver-<lb/>
mittel&#x017F;t eines kurtz zu&#x017F;ammen gezogenen <hi rendition="#aq">Styli</hi> ver-<lb/>
richten, nachdem einer vorhero die Redens-Arten,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0324] II. Theil. III. Capitul. ſitzt, in dem Stande iſt, eine gantze Stunde und wohl noch laͤnger in der gemeinen Converſation von einer bekandten Materie bey guten Freunden zu ſchwatzen, ohne daß er beſorgt iſt, er moͤchte in ſeinen Reden etwan ſtecken bleiben? Nirgends an- ders, als daher, weil er ſeine Gedancken ordent- lich vortraͤgt, mit Bedachtſamkeit redet, nicht lan- ge auf die Worte ſinnet, was er vor welche erweh- len will, ſondern ſich derjenigen bedient, die ihm am erſten in die Gedancken, und auf die Zunge kom- men, und ſich in reden nicht bloͤde und furchtſam, ſondern freymuͤthig bezeugt. Wer nun eben dieſes bey einer oͤffentlichen Rede auch beobach- tet, der wird weit beſſer zu recht kommen, als ſonſt. §. 3. Bey Hof-Reden muß ſich ein Cavalier mehr der Kuͤrtze, als der Weitlaͤufftigkeit befleißi- gen; Große Herren haben gar ſelten die Gedult, einen langwierigen Redner mit Vergnuͤgen zu hoͤ- ren. Es iſt ruͤhmlicher, wenn ſie in der Begierde erhalten werden, laͤnger zuzuhoͤren, als wenn ſie wegen der Weitlaͤufftigkeit der Rede verdruͤßlich werden. Es iſt kein großer Fehler, wenn es heißt, die Rede war gut, aber zu kurtz. Der Frantzoͤſi- ſche Miniſter, der Herr von Calliéres, ſagt in ſeinen Staats-erfahrnen Abgeſandten: Wenn man mit einem Fuͤrſten redet, ſo ſoll man ſolches mit einer beſcheidenen und ehrerbietigen Mine, auch ver- mittelſt eines kurtz zuſammen gezogenen Styli ver- richten, nachdem einer vorhero die Redens-Arten, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/324
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/324>, abgerufen am 22.11.2024.