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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. II. Capitul.
ständige und weitläufftige Erzehlung, eine Ge-
schichte, mit allen ihren Umständen, vorzubringen.
Einige können den Schluß nicht finden, und verir-
ren sich in ihren Reden, wie in einem Jrr-Garten,
andere beschauen die Nägel, und erwarten durch
derselben Anblick eine besondere Hülffe, noch ande-
re machen unnöthige Wiederhohlungen, und füh-
ren auf eine verdrüßliche Weise überflüßige Um-
stände an, die nicht zur Sache gehören, oder dehnen
die Worte, und schnarchen gleichsam dazu, damit
sie nur Zeit gewinnen, inzwischen weiter nachzu-
dencken. Bey vielen, die sich doch weiser düncken,
als andere Leute, entstehet eine Ubelredenheit da-
her, daß sie es in ihren Reden gar zu zierlich machen
wollen, und allzuviel Oratorie mit einmischen.
Sie werden in diesem Stück von vielen vom Frau-
enzimmer übertroffen, welche nach Anleitung einer
natürlichen Beredsamkeit, in ihrem Vortrage or-
dentlicher sind, als manche von den Gelehrten.

§. 15. Es wäre eine gar nützliche Arbeit, wenn
Hofmeister und Väter, die hiezu die gehörige Ge-
schicklichkeit besäßen, junge Leute, von Jugend auf
anführten, daß sie aus der Acerra Philologica,
oder einem andern historischen Buch, eine etwas
weitläufftige Geschicht in guter Ordnung und ohne
Anstoß her erzehlen lernten, und wo sie einige Feh-
ler hierbey wahrnehmen, dieselben verbesserten.
Durch diese Ubung würden sie nach und nach zu
einiger Fertigkeit gelangen, die ihnen in dem gan-
tzen Leben zu einiger Erleichterung seyn würde. Es

beru-

II. Theil. II. Capitul.
ſtaͤndige und weitlaͤufftige Erzehlung, eine Ge-
ſchichte, mit allen ihren Umſtaͤnden, vorzubringen.
Einige koͤnnen den Schluß nicht finden, und verir-
ren ſich in ihren Reden, wie in einem Jrr-Garten,
andere beſchauen die Naͤgel, und erwarten durch
derſelben Anblick eine beſondere Huͤlffe, noch ande-
re machen unnoͤthige Wiederhohlungen, und fuͤh-
ren auf eine verdruͤßliche Weiſe uͤberfluͤßige Um-
ſtaͤnde an, die nicht zur Sache gehoͤren, oder dehnen
die Worte, und ſchnarchen gleichſam dazu, damit
ſie nur Zeit gewinnen, inzwiſchen weiter nachzu-
dencken. Bey vielen, die ſich doch weiſer duͤncken,
als andere Leute, entſtehet eine Ubelredenheit da-
her, daß ſie es in ihren Reden gar zu zierlich machen
wollen, und allzuviel Oratorie mit einmiſchen.
Sie werden in dieſem Stuͤck von vielen vom Frau-
enzimmer uͤbertroffen, welche nach Anleitung einer
natuͤrlichen Beredſamkeit, in ihrem Vortrage or-
dentlicher ſind, als manche von den Gelehrten.

§. 15. Es waͤre eine gar nuͤtzliche Arbeit, wenn
Hofmeiſter und Vaͤter, die hiezu die gehoͤrige Ge-
ſchicklichkeit beſaͤßen, junge Leute, von Jugend auf
anfuͤhrten, daß ſie aus der Acerra Philologica,
oder einem andern hiſtoriſchen Buch, eine etwas
weitlaͤufftige Geſchicht in guter Ordnung und ohne
Anſtoß her erzehlen lernten, und wo ſie einige Feh-
ler hierbey wahrnehmen, dieſelben verbeſſerten.
Durch dieſe Ubung wuͤrden ſie nach und nach zu
einiger Fertigkeit gelangen, die ihnen in dem gan-
tzen Leben zu einiger Erleichterung ſeyn wuͤrde. Es

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[288/0308] II. Theil. II. Capitul. ſtaͤndige und weitlaͤufftige Erzehlung, eine Ge- ſchichte, mit allen ihren Umſtaͤnden, vorzubringen. Einige koͤnnen den Schluß nicht finden, und verir- ren ſich in ihren Reden, wie in einem Jrr-Garten, andere beſchauen die Naͤgel, und erwarten durch derſelben Anblick eine beſondere Huͤlffe, noch ande- re machen unnoͤthige Wiederhohlungen, und fuͤh- ren auf eine verdruͤßliche Weiſe uͤberfluͤßige Um- ſtaͤnde an, die nicht zur Sache gehoͤren, oder dehnen die Worte, und ſchnarchen gleichſam dazu, damit ſie nur Zeit gewinnen, inzwiſchen weiter nachzu- dencken. Bey vielen, die ſich doch weiſer duͤncken, als andere Leute, entſtehet eine Ubelredenheit da- her, daß ſie es in ihren Reden gar zu zierlich machen wollen, und allzuviel Oratorie mit einmiſchen. Sie werden in dieſem Stuͤck von vielen vom Frau- enzimmer uͤbertroffen, welche nach Anleitung einer natuͤrlichen Beredſamkeit, in ihrem Vortrage or- dentlicher ſind, als manche von den Gelehrten. §. 15. Es waͤre eine gar nuͤtzliche Arbeit, wenn Hofmeiſter und Vaͤter, die hiezu die gehoͤrige Ge- ſchicklichkeit beſaͤßen, junge Leute, von Jugend auf anfuͤhrten, daß ſie aus der Acerra Philologica, oder einem andern hiſtoriſchen Buch, eine etwas weitlaͤufftige Geſchicht in guter Ordnung und ohne Anſtoß her erzehlen lernten, und wo ſie einige Feh- ler hierbey wahrnehmen, dieſelben verbeſſerten. Durch dieſe Ubung wuͤrden ſie nach und nach zu einiger Fertigkeit gelangen, die ihnen in dem gan- tzen Leben zu einiger Erleichterung ſeyn wuͤrde. Es beru-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/308>, abgerufen am 22.11.2024.