beruhet auf einigen allgemeinen Regeln und An- merckungen der natürlichen Beredsamkeit, und ist weit nützlicher, als die vielen oratorischen Figuren, zu denen junge Leute angeführt werden. Es gehet bißweilen eine lange Zeit hin, ehe eine Gelegenheit vorfällt, eine zierliche Rede nach der Kunst zu hal- ten, einen natürlichen und ordentlichen Vortrag hingegen braucht man alle Tage, theils in Reden, theils in Schreiben, da man eine speciem facti auf- setzen, oder einen Bericht abstatten muß.
§. 16. Ein vernünfftiger Mensch muß in seinen Reden auch auf den Thon der Sprache Achtung geben, damit er auch hiebey den Wohlstand beob- achtet, und dem Spötter nicht Gelegenheit gebe, ungleich von ihm zu urtheilen. Er kan sich zwar keinen andern Klang der Aussprache geben, als ihm GOtt und die Natur durch die Geburth mit- getheilet, er muß aber doch, so viel als möglich, an sich bessern, daß er dasjenige, was hierbey vor un- angenehm und unanständig geachtet wird, ver- meyden möge, diesemnach muß er den Accent, der sein Vaterland vermuth, und etwan bloß dem Pöbel unter seinen Landes-Leuten eigenthümlich ist, weg- lassen, und sich einen andern angewöhnen. Er muß in der gemeinen Conversation nicht pathe- tisch oder oratorisch reden, welchen Fehler man bey einigen von den Herren Geistlichen gewahr wird, die auf der Cantzel eine gute Schwadam ha- ben, und in dem gemeinen Discours den Klang ihrer Worte so einrichten, als ob sie auf dem Ca-
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Von der Converſation.
beruhet auf einigen allgemeinen Regeln und An- merckungen der natuͤrlichen Beredſamkeit, und iſt weit nuͤtzlicher, als die vielen oratoriſchen Figuren, zu denen junge Leute angefuͤhrt werden. Es gehet bißweilen eine lange Zeit hin, ehe eine Gelegenheit vorfaͤllt, eine zierliche Rede nach der Kunſt zu hal- ten, einen natuͤrlichen und ordentlichen Vortrag hingegen braucht man alle Tage, theils in Reden, theils in Schreiben, da man eine ſpeciem facti auf- ſetzen, oder einen Bericht abſtatten muß.
§. 16. Ein vernuͤnfftiger Menſch muß in ſeinen Reden auch auf den Thon der Sprache Achtung geben, damit er auch hiebey den Wohlſtand beob- achtet, und dem Spoͤtter nicht Gelegenheit gebe, ungleich von ihm zu urtheilen. Er kan ſich zwar keinen andern Klang der Ausſprache geben, als ihm GOtt und die Natur durch die Geburth mit- getheilet, er muß aber doch, ſo viel als moͤglich, an ſich beſſern, daß er dasjenige, was hierbey vor un- angenehm und unanſtaͤndig geachtet wird, ver- meyden moͤge, dieſemnach muß er den Accent, der ſein Vaterland vermuth, und etwan bloß dem Poͤbel unter ſeinen Landes-Leuten eigenthuͤmlich iſt, weg- laſſen, und ſich einen andern angewoͤhnen. Er muß in der gemeinen Converſation nicht pathe- tiſch oder oratoriſch reden, welchen Fehler man bey einigen von den Herren Geiſtlichen gewahr wird, die auf der Cantzel eine gute Schwadam ha- ben, und in dem gemeinen Diſcours den Klang ihrer Worte ſo einrichten, als ob ſie auf dem Ca-
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Von der Converſation.
beruhet auf einigen allgemeinen Regeln und An-
merckungen der natuͤrlichen Beredſamkeit, und iſt
weit nuͤtzlicher, als die vielen oratoriſchen Figuren,
zu denen junge Leute angefuͤhrt werden. Es gehet
bißweilen eine lange Zeit hin, ehe eine Gelegenheit
vorfaͤllt, eine zierliche Rede nach der Kunſt zu hal-
ten, einen natuͤrlichen und ordentlichen Vortrag
hingegen braucht man alle Tage, theils in Reden,
theils in Schreiben, da man eine ſpeciem facti auf-
ſetzen, oder einen Bericht abſtatten muß.
§. 16. Ein vernuͤnfftiger Menſch muß in ſeinen
Reden auch auf den Thon der Sprache Achtung
geben, damit er auch hiebey den Wohlſtand beob-
achtet, und dem Spoͤtter nicht Gelegenheit gebe,
ungleich von ihm zu urtheilen. Er kan ſich zwar
keinen andern Klang der Ausſprache geben, als
ihm GOtt und die Natur durch die Geburth mit-
getheilet, er muß aber doch, ſo viel als moͤglich, an
ſich beſſern, daß er dasjenige, was hierbey vor un-
angenehm und unanſtaͤndig geachtet wird, ver-
meyden moͤge, dieſemnach muß er den Accent, der
ſein Vaterland vermuth, und etwan bloß dem Poͤbel
unter ſeinen Landes-Leuten eigenthuͤmlich iſt, weg-
laſſen, und ſich einen andern angewoͤhnen. Er
muß in der gemeinen Converſation nicht pathe-
tiſch oder oratoriſch reden, welchen Fehler man
bey einigen von den Herren Geiſtlichen gewahr
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/309>, abgerufen am 22.11.2024.
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