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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von der Conversation.
kein Bedencken tragen, solche Dinge zu sagen, wel-
che andre Leute beleidigen, nur allein aus Lust, weil
er sie gerne sagen will, wobey er nicht betrachtet,
daß, wenn er dieselben bey sich behalten hätte, er
mit mehrer Höflichkeit eben so tugendhafft geblie-
ben wäre, als er zuvor gewesen, und daß er entwe-
der einen Freund hätte beybehalten, oder doch sein
Glück sonst besser machen können. s. Faramonds
Discourse
über die Sitten der gegenwärtigen Zeit
p. 255.

§. 13. Einige verletzen durch ihre unbedachtsa-
men Fragen, die sie nach einander häuffen, die Re-
geln des Wohlstandes gar sehr; manche thun es
aus einer unbesonnenen Leichtsinnigkeit, andre aber
aus einer hämischen und tückischen Neugierigkeit,
es würde mancher nicht kommen bey dem andern
seinen Besuch abzustatten, wenn ihn nicht die Be-
gierde antriebe, etwas von des andern Umständen,
die er gern wissen möchte, unter dem Schein eines
Freundschafftlichen Besuches aus zu spioniren:
Wo man nun mit solchen neugierigen Leuten um-
zugehen hat, muß man auf seiner Hut stehen, daß
man ihnen nicht mehr entdecke, als sie wissen sollen,
oder ihnen nach Gelegenheit solche Erinnerung ge-
ben, daß sie einen ein andermahl mit dergleichen
unbedachtsamen Fragen verschonen.

§. 14. Es wäre gut, wenn alle unsere Teutschen
eine solche Fertigkeit in ihrer Mutter-Sprache be-
säßen, daß sie geschickt wären in einer guten Ord-
nung, und mit einer richtigen Verbindung, eine voll-

stän-

Von der Converſation.
kein Bedencken tragen, ſolche Dinge zu ſagen, wel-
che andre Leute beleidigen, nur allein aus Luſt, weil
er ſie gerne ſagen will, wobey er nicht betrachtet,
daß, wenn er dieſelben bey ſich behalten haͤtte, er
mit mehrer Hoͤflichkeit eben ſo tugendhafft geblie-
ben waͤre, als er zuvor geweſen, und daß er entwe-
der einen Freund haͤtte beybehalten, oder doch ſein
Gluͤck ſonſt beſſer machen koͤnnen. ſ. Faramonds
Diſcourſe
uͤber die Sitten der gegenwaͤrtigen Zeit
p. 255.

§. 13. Einige verletzen durch ihre unbedachtſa-
men Fragen, die ſie nach einander haͤuffen, die Re-
geln des Wohlſtandes gar ſehr; manche thun es
aus einer unbeſonnenen Leichtſinnigkeit, andre aber
aus einer haͤmiſchen und tuͤckiſchen Neugierigkeit,
es wuͤrde mancher nicht kommen bey dem andern
ſeinen Beſuch abzuſtatten, wenn ihn nicht die Be-
gierde antriebe, etwas von des andern Umſtaͤnden,
die er gern wiſſen moͤchte, unter dem Schein eines
Freundſchafftlichen Beſuches aus zu ſpioniren:
Wo man nun mit ſolchen neugierigen Leuten um-
zugehen hat, muß man auf ſeiner Hut ſtehen, daß
man ihnen nicht mehr entdecke, als ſie wiſſen ſollen,
oder ihnen nach Gelegenheit ſolche Erinnerung ge-
ben, daß ſie einen ein andermahl mit dergleichen
unbedachtſamen Fragen verſchonen.

§. 14. Es waͤre gut, wenn alle unſere Teutſchen
eine ſolche Fertigkeit in ihrer Mutter-Sprache be-
ſaͤßen, daß ſie geſchickt waͤren in einer guten Ord-
nung, und mit einer richtigen Verbindung, eine voll-

ſtaͤn-
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[287/0307] Von der Converſation. kein Bedencken tragen, ſolche Dinge zu ſagen, wel- che andre Leute beleidigen, nur allein aus Luſt, weil er ſie gerne ſagen will, wobey er nicht betrachtet, daß, wenn er dieſelben bey ſich behalten haͤtte, er mit mehrer Hoͤflichkeit eben ſo tugendhafft geblie- ben waͤre, als er zuvor geweſen, und daß er entwe- der einen Freund haͤtte beybehalten, oder doch ſein Gluͤck ſonſt beſſer machen koͤnnen. ſ. Faramonds Diſcourſe uͤber die Sitten der gegenwaͤrtigen Zeit p. 255. §. 13. Einige verletzen durch ihre unbedachtſa- men Fragen, die ſie nach einander haͤuffen, die Re- geln des Wohlſtandes gar ſehr; manche thun es aus einer unbeſonnenen Leichtſinnigkeit, andre aber aus einer haͤmiſchen und tuͤckiſchen Neugierigkeit, es wuͤrde mancher nicht kommen bey dem andern ſeinen Beſuch abzuſtatten, wenn ihn nicht die Be- gierde antriebe, etwas von des andern Umſtaͤnden, die er gern wiſſen moͤchte, unter dem Schein eines Freundſchafftlichen Beſuches aus zu ſpioniren: Wo man nun mit ſolchen neugierigen Leuten um- zugehen hat, muß man auf ſeiner Hut ſtehen, daß man ihnen nicht mehr entdecke, als ſie wiſſen ſollen, oder ihnen nach Gelegenheit ſolche Erinnerung ge- ben, daß ſie einen ein andermahl mit dergleichen unbedachtſamen Fragen verſchonen. §. 14. Es waͤre gut, wenn alle unſere Teutſchen eine ſolche Fertigkeit in ihrer Mutter-Sprache be- ſaͤßen, daß ſie geſchickt waͤren in einer guten Ord- nung, und mit einer richtigen Verbindung, eine voll- ſtaͤn-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/307>, abgerufen am 22.11.2024.