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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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"Erlösung", zur Selbstbefreiung; er kennt keine dahinweisende
Aufgabe. Nur eine festgestellte Thatsache ist die Anwesen-
heit dieses "abtrennbaren" Geistes im lebendigen Menschen;
es folgt für die Ziele des Lebens nichts aus ihr. Die That-
sache schien sich darin kundzugeben, dass dem Menschen ein
springendes Ergreifen eines unbeweisbaren obersten Erkennt-
nissinhaltes möglich ist, nicht infolge der denkenden Thätig-
keit seiner "Seele", der dieses Ergreifen schon vorausliegt,
also nur durch Kraft eines höheren Geistesvermögens, eines
eigenen Geisteswesens, dessen Sein und Dasein im Menschen
sich eben hiermit anzukündigen schien. Eine erkenntnisstheo-
retische, nicht eine theologische Betrachtung führte zu der
Unterscheidung des "Geistes" von der "Seele". Aber was
sich so neu bestätigte, war im Grunde doch die alte theolo-
gische Lehre. Ein gottverwandtes Wesen schien auch dieser
"Geist" dem Denker zu sein. Ihm gilt das rein betrachtende
Verhalten, ein Leben in der Betrachtung der letzten Gegen-
stände der Einsicht als ein Vorrecht der Gottheit und gött-
licher Wesen, als das wahre Ziel der Bethätigung lebendiger
Kraft, in dessen Schilderung die nüchterne Kargheit seines
Lehrvortrags von dem Glanz und der Wärme einer ächten und
ganz persönlichen Empfindung des Höchsten überstrahlt und
wie verklärt wird 1). Diese, in sich selbst ihr Ziel und ihre

stellung, dass beltion to no me meta somatos einai (kathaper eiothe te
legesthai kai pollois sundokei). de an. 407 b. 4.
1) Eth. Nicom. K 7--9. -- dokei e philosophia thaumastas edonas ekhein
katharioteti kai to bebaio. eulogon de tois eidosi ton zetounton edio ten
diagogen einai. Der sophos bedarf keiner sunergoi (wie der sophron und der
andreios), er ist der sich selbst autarkestatos. Die Thätigkeit des nous ist
die werthvollste, als theoretike, und par auten oudenos ephietai telous.
Ein ausreichend langes Leben in der theoretischen Thätigkeit des nous
ist teleia eudaimonia anthropou, ja dies ist nicht mehr ein anthropinos bios,
sondern kreitton e kat anthropon, ein theios bios, wie der nous theion ti en
anthropo uparkhei. So soll man nicht anthropina phronein sondern eph oson
endekhetai athanatizein (schon im Leben unsterblich sein) kai panta poiein pros
to zen kata to kratiston ton en auto (p. 1177 b, 31 ff.). Diese teleia eudai-
monia, als eine theoretike energeia bringt die Denkenden den Göttern

„Erlösung“, zur Selbstbefreiung; er kennt keine dahinweisende
Aufgabe. Nur eine festgestellte Thatsache ist die Anwesen-
heit dieses „abtrennbaren“ Geistes im lebendigen Menschen;
es folgt für die Ziele des Lebens nichts aus ihr. Die That-
sache schien sich darin kundzugeben, dass dem Menschen ein
springendes Ergreifen eines unbeweisbaren obersten Erkennt-
nissinhaltes möglich ist, nicht infolge der denkenden Thätig-
keit seiner „Seele“, der dieses Ergreifen schon vorausliegt,
also nur durch Kraft eines höheren Geistesvermögens, eines
eigenen Geisteswesens, dessen Sein und Dasein im Menschen
sich eben hiermit anzukündigen schien. Eine erkenntnisstheo-
retische, nicht eine theologische Betrachtung führte zu der
Unterscheidung des „Geistes“ von der „Seele“. Aber was
sich so neu bestätigte, war im Grunde doch die alte theolo-
gische Lehre. Ein gottverwandtes Wesen schien auch dieser
„Geist“ dem Denker zu sein. Ihm gilt das rein betrachtende
Verhalten, ein Leben in der Betrachtung der letzten Gegen-
stände der Einsicht als ein Vorrecht der Gottheit und gött-
licher Wesen, als das wahre Ziel der Bethätigung lebendiger
Kraft, in dessen Schilderung die nüchterne Kargheit seines
Lehrvortrags von dem Glanz und der Wärme einer ächten und
ganz persönlichen Empfindung des Höchsten überstrahlt und
wie verklärt wird 1). Diese, in sich selbst ihr Ziel und ihre

stellung, dass βέλτιον τῷ νῷ μὴ μετὰ σώματος εἶναι (καϑάπερ εἴωϑέ τε
λέγεσϑαι καὶ πολλοῖς συνδοκεῖ). de an. 407 b. 4.
1) Eth. Nicom. K 7—9. — δοκεῖ ἡ φιλοσοφία ϑαυμαστὰς ἡδονὰς ἔχειν
καϑαριότητι καὶ τῷ βεβαίῳ. εὔλογον δε τοῖς εἰδόσι τῶν ζητούντων ἡδίω τὴν
διαγωγὴν εἶναι. Der σοφός bedarf keiner σύνεργοι (wie der σώφρων und der
ἀνδρεῖος), er ist der sich selbst αὐταρκέστατος. Die Thätigkeit des νοῦς ist
die werthvollste, als ϑεωρητική, und παρ̕ αὑτὴν οὐδενὸς ἐφίεται τέλους.
Ein ausreichend langes Leben in der theoretischen Thätigkeit des νοῦς
ist τελεία εὐδαιμονία ἀνϑρώπου, ja dies ist nicht mehr ein ἀνϑρώπινος βίος,
sondern κρείττων ἢ κατ̕ ἄνϑρωπον, ein ϑεῖος βίος, wie der νοῦς ϑεῖόν τι ἐν
ἀνϑρώπῳ ὑπάρχει. So soll man nicht ἀνϑρώπινα φρονεῖν sondern ἐφ̕ ὅσον
ἐνδέχεται ἀϑανατίζειν (schon im Leben unsterblich sein) καὶ πάντα ποιεῖν πρὸς
τὸ ζῆν κατὰ τὸ κράτιστον τῶν ἐν αὑτῷ (p. 1177 b, 31 ff.). Diese τελεία εὐδαι-
μονία, als eine ϑεωρητικὴ ἐνέργεια bringt die Denkenden den Göttern
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[598/0614] „Erlösung“, zur Selbstbefreiung; er kennt keine dahinweisende Aufgabe. Nur eine festgestellte Thatsache ist die Anwesen- heit dieses „abtrennbaren“ Geistes im lebendigen Menschen; es folgt für die Ziele des Lebens nichts aus ihr. Die That- sache schien sich darin kundzugeben, dass dem Menschen ein springendes Ergreifen eines unbeweisbaren obersten Erkennt- nissinhaltes möglich ist, nicht infolge der denkenden Thätig- keit seiner „Seele“, der dieses Ergreifen schon vorausliegt, also nur durch Kraft eines höheren Geistesvermögens, eines eigenen Geisteswesens, dessen Sein und Dasein im Menschen sich eben hiermit anzukündigen schien. Eine erkenntnisstheo- retische, nicht eine theologische Betrachtung führte zu der Unterscheidung des „Geistes“ von der „Seele“. Aber was sich so neu bestätigte, war im Grunde doch die alte theolo- gische Lehre. Ein gottverwandtes Wesen schien auch dieser „Geist“ dem Denker zu sein. Ihm gilt das rein betrachtende Verhalten, ein Leben in der Betrachtung der letzten Gegen- stände der Einsicht als ein Vorrecht der Gottheit und gött- licher Wesen, als das wahre Ziel der Bethätigung lebendiger Kraft, in dessen Schilderung die nüchterne Kargheit seines Lehrvortrags von dem Glanz und der Wärme einer ächten und ganz persönlichen Empfindung des Höchsten überstrahlt und wie verklärt wird 1). Diese, in sich selbst ihr Ziel und ihre 1) 1) Eth. Nicom. K 7—9. — δοκεῖ ἡ φιλοσοφία ϑαυμαστὰς ἡδονὰς ἔχειν καϑαριότητι καὶ τῷ βεβαίῳ. εὔλογον δε τοῖς εἰδόσι τῶν ζητούντων ἡδίω τὴν διαγωγὴν εἶναι. Der σοφός bedarf keiner σύνεργοι (wie der σώφρων und der ἀνδρεῖος), er ist der sich selbst αὐταρκέστατος. Die Thätigkeit des νοῦς ist die werthvollste, als ϑεωρητική, und παρ̕ αὑτὴν οὐδενὸς ἐφίεται τέλους. Ein ausreichend langes Leben in der theoretischen Thätigkeit des νοῦς ist τελεία εὐδαιμονία ἀνϑρώπου, ja dies ist nicht mehr ein ἀνϑρώπινος βίος, sondern κρείττων ἢ κατ̕ ἄνϑρωπον, ein ϑεῖος βίος, wie der νοῦς ϑεῖόν τι ἐν ἀνϑρώπῳ ὑπάρχει. So soll man nicht ἀνϑρώπινα φρονεῖν sondern ἐφ̕ ὅσον ἐνδέχεται ἀϑανατίζειν (schon im Leben unsterblich sein) καὶ πάντα ποιεῖν πρὸς τὸ ζῆν κατὰ τὸ κράτιστον τῶν ἐν αὑτῷ (p. 1177 b, 31 ff.). Diese τελεία εὐδαι- μονία, als eine ϑεωρητικὴ ἐνέργεια bringt die Denkenden den Göttern 1) stellung, dass βέλτιον τῷ νῷ μὴ μετὰ σώματος εἶναι (καϑάπερ εἴωϑέ τε λέγεσϑαι καὶ πολλοῖς συνδοκεῖ). de an. 407 b. 4.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/614>, abgerufen am 22.11.2024.