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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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tiefste Lust findende rein betrachtende Thätigkeit fällt dem
Göttlichen im Menschen, dem Geiste zu; sein ganzes Leben
liegt in ihr. Aber diese Thätigkeit vollendet in Wahrheit der
Geist in diesem Leben, in der Vereinigung mit dem Leibe und
dessen "Seele". Es bleibt nichts übrig was als Inhalt des
Lebens und Thuns des Geistes in seinem Sonderdasein, nach
vollendetem irdischen Lebenslaufe, sich denken liesse. Der
Geist, und der Mensch dem er zugesellt ist, kann nicht wohl
einen lebhaften Drang nach Erlangung jener, für unsere Vor-
stellung inhaltlos gelassenen jenseitigen Freiheit haben; der
Unsterblichkeitsgedanke, so gestaltet, kann für den Menschen
keinen inneren Werth, keine ethische Bedeutung haben 1). Er

nahe, deren Leben nicht prattein (auch nicht tugendhaftes), nicht poiein,
sondern reine theoria ist, wie auch das Leben der Menschen (ihres allein
unter allen zoa) sein kann, eph oson omoioma ti tes toiautes (theoretikes)
energeias uparkhei. (p. 1178 b, 7--32). -- Nirgends auch nur der Schatten
eines Gedankens daran, dass die eudaimonia des theoretikos bios erst in
einem Jenseits teleia werden könne, anderswo als im irdischen Leben
überhaupt denkbar sei. Nur mekos biou teleion wird zur Bedingung der
teleia eudaimonia gemacht (1177 b, 25), aber nichts was ausserhalb und
jenseits des Lebens läge. Der theoretikos bios findet hier auf Erden seine
volle abschliessende Entwicklung. -- teleios boos zur Erlangung der eudaimonia
nothwendig: Eth. 1100 a, 5; 1101 a, 16. Aber die eudaimonia ist ganz be-
schlossen in den Grenzen des irdischen Lebens; den Todten eudaimona
zu nennen wäre pantelos atopon, da ihm die energeia, welche das Wesen
der eudaimonia macht, abgeht, nur ein geringer Schatten von Empfindung
den kekmekotes zukommen kann (fast homerische Auffassung): ibid. 1100 a,
11--29; 1101 a, 22--b, 9. -- Da es unmöglich ist, dass das Einzelwesen einer
ununterbrochenen Dauer, des aei kai theion für sich selbst theilhaftig werde,
so beruht die Fortdauer nach dem Tode des Einzelnen nur in dem Fort-
bestehen des eidos, nicht des auto (welches vergeht), sondern eines oion
auto, welches in der Kette der Zeugungen auf Erden fortbesteht: de an.
415 a, 28--b, 7. gen. an. 731 a, 24--b, 1. (Nachahmung der Platonischen
Ausführungen, Symp. 206 C -- 207 A [vgl. auch Leg. 4, 721 C; 6, 773 E;
Philo de incorrupt. mund. § 8 p. 495 M., nach Kritolaos]. Aristoteles
konnte viel eher an dieser Auffassung ernstlich festhalten, als, auf seinem
Standpunkte, Plato, der wohl nur, für den momentanen Bedarf seines
Dialogs, sich heraklitischer Vorstellungen, sie weiter ausführend, be-
mächtigt. S. oben p. 440, 1 f.).
1) oimai de tou ginoskein ta onta kai phronein aphairethentos ou bion
alla khronon
einai ten athanasian Plut. de Is. et Osir. 1 extr. Mit voller

tiefste Lust findende rein betrachtende Thätigkeit fällt dem
Göttlichen im Menschen, dem Geiste zu; sein ganzes Leben
liegt in ihr. Aber diese Thätigkeit vollendet in Wahrheit der
Geist in diesem Leben, in der Vereinigung mit dem Leibe und
dessen „Seele“. Es bleibt nichts übrig was als Inhalt des
Lebens und Thuns des Geistes in seinem Sonderdasein, nach
vollendetem irdischen Lebenslaufe, sich denken liesse. Der
Geist, und der Mensch dem er zugesellt ist, kann nicht wohl
einen lebhaften Drang nach Erlangung jener, für unsere Vor-
stellung inhaltlos gelassenen jenseitigen Freiheit haben; der
Unsterblichkeitsgedanke, so gestaltet, kann für den Menschen
keinen inneren Werth, keine ethische Bedeutung haben 1). Er

nahe, deren Leben nicht πράττειν (auch nicht tugendhaftes), nicht ποιεῖν,
sondern reine ϑεωρία ist, wie auch das Leben der Menschen (ihres allein
unter allen ζῷα) sein kann, ἐφ̕ ὅσον ὁμοίωμά τι τῆς τοιαύτης (ϑεωρητικῆς)
ἐνεργείας ὑπάρχει. (p. 1178 b, 7—32). — Nirgends auch nur der Schatten
eines Gedankens daran, dass die εὐδαιμονία des ϑεωρητικὸς βίος erst in
einem Jenseits τελεία werden könne, anderswo als im irdischen Leben
überhaupt denkbar sei. Nur μῆκος βίου τέλειον wird zur Bedingung der
τελεία εὐδαιμονία gemacht (1177 b, 25), aber nichts was ausserhalb und
jenseits des Lebens läge. Der ϑεωρητικὸς βίος findet hier auf Erden seine
volle abschliessende Entwicklung. — τέλειος βὸος zur Erlangung der εὐδαιμονία
nothwendig: Eth. 1100 a, 5; 1101 a, 16. Aber die εὐδαιμονία ist ganz be-
schlossen in den Grenzen des irdischen Lebens; den Todten εὐδαίμονα
zu nennen wäre παντελῶς ἄτοπον, da ihm die ἐνέργεια, welche das Wesen
der εὐδαιμονία macht, abgeht, nur ein geringer Schatten von Empfindung
den κεκμηκότες zukommen kann (fast homerische Auffassung): ibid. 1100 a,
11—29; 1101 a, 22—b, 9. — Da es unmöglich ist, dass das Einzelwesen einer
ununterbrochenen Dauer, des ἀεὶ καὶ ϑεῖον für sich selbst theilhaftig werde,
so beruht die Fortdauer nach dem Tode des Einzelnen nur in dem Fort-
bestehen des εἶδος, nicht des αὐτό (welches vergeht), sondern eines οἷον
αὐτό, welches in der Kette der Zeugungen auf Erden fortbesteht: de an.
415 a, 28—b, 7. gen. an. 731 a, 24—b, 1. (Nachahmung der Platonischen
Ausführungen, Symp. 206 C — 207 A [vgl. auch Leg. 4, 721 C; 6, 773 E;
Philo de incorrupt. mund. § 8 p. 495 M., nach Kritolaos]. Aristoteles
konnte viel eher an dieser Auffassung ernstlich festhalten, als, auf seinem
Standpunkte, Plato, der wohl nur, für den momentanen Bedarf seines
Dialogs, sich heraklitischer Vorstellungen, sie weiter ausführend, be-
mächtigt. S. oben p. 440, 1 f.).
1) οἶμαι δὲ τοῦ γινώσκειν τὰ ὄντα καὶ φρονεῖν ἀφαιρεϑέντος οὐ βίον
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[599/0615] tiefste Lust findende rein betrachtende Thätigkeit fällt dem Göttlichen im Menschen, dem Geiste zu; sein ganzes Leben liegt in ihr. Aber diese Thätigkeit vollendet in Wahrheit der Geist in diesem Leben, in der Vereinigung mit dem Leibe und dessen „Seele“. Es bleibt nichts übrig was als Inhalt des Lebens und Thuns des Geistes in seinem Sonderdasein, nach vollendetem irdischen Lebenslaufe, sich denken liesse. Der Geist, und der Mensch dem er zugesellt ist, kann nicht wohl einen lebhaften Drang nach Erlangung jener, für unsere Vor- stellung inhaltlos gelassenen jenseitigen Freiheit haben; der Unsterblichkeitsgedanke, so gestaltet, kann für den Menschen keinen inneren Werth, keine ethische Bedeutung haben 1). Er 1) 1) οἶμαι δὲ τοῦ γινώσκειν τὰ ὄντα καὶ φρονεῖν ἀφαιρεϑέντος οὐ βίον ἀλλὰ χρόνον εἶναι τὴν ἀϑανασίαν Plut. de Is. et Osir. 1 extr. Mit voller 1) nahe, deren Leben nicht πράττειν (auch nicht tugendhaftes), nicht ποιεῖν, sondern reine ϑεωρία ist, wie auch das Leben der Menschen (ihres allein unter allen ζῷα) sein kann, ἐφ̕ ὅσον ὁμοίωμά τι τῆς τοιαύτης (ϑεωρητικῆς) ἐνεργείας ὑπάρχει. (p. 1178 b, 7—32). — Nirgends auch nur der Schatten eines Gedankens daran, dass die εὐδαιμονία des ϑεωρητικὸς βίος erst in einem Jenseits τελεία werden könne, anderswo als im irdischen Leben überhaupt denkbar sei. Nur μῆκος βίου τέλειον wird zur Bedingung der τελεία εὐδαιμονία gemacht (1177 b, 25), aber nichts was ausserhalb und jenseits des Lebens läge. Der ϑεωρητικὸς βίος findet hier auf Erden seine volle abschliessende Entwicklung. — τέλειος βὸος zur Erlangung der εὐδαιμονία nothwendig: Eth. 1100 a, 5; 1101 a, 16. Aber die εὐδαιμονία ist ganz be- schlossen in den Grenzen des irdischen Lebens; den Todten εὐδαίμονα zu nennen wäre παντελῶς ἄτοπον, da ihm die ἐνέργεια, welche das Wesen der εὐδαιμονία macht, abgeht, nur ein geringer Schatten von Empfindung den κεκμηκότες zukommen kann (fast homerische Auffassung): ibid. 1100 a, 11—29; 1101 a, 22—b, 9. — Da es unmöglich ist, dass das Einzelwesen einer ununterbrochenen Dauer, des ἀεὶ καὶ ϑεῖον für sich selbst theilhaftig werde, so beruht die Fortdauer nach dem Tode des Einzelnen nur in dem Fort- bestehen des εἶδος, nicht des αὐτό (welches vergeht), sondern eines οἷον αὐτό, welches in der Kette der Zeugungen auf Erden fortbesteht: de an. 415 a, 28—b, 7. gen. an. 731 a, 24—b, 1. (Nachahmung der Platonischen Ausführungen, Symp. 206 C — 207 A [vgl. auch Leg. 4, 721 C; 6, 773 E; Philo de incorrupt. mund. § 8 p. 495 M., nach Kritolaos]. Aristoteles konnte viel eher an dieser Auffassung ernstlich festhalten, als, auf seinem Standpunkte, Plato, der wohl nur, für den momentanen Bedarf seines Dialogs, sich heraklitischer Vorstellungen, sie weiter ausführend, be- mächtigt. S. oben p. 440, 1 f.).

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/615>, abgerufen am 22.11.2024.