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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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wozu das alles diene, verkündet im geistigsten Ausdruck der
furchtloseste der Mystiker, Dschelaleddin Rumi: "Wer die
Kraft des Reigens kennet, wohnt in Gott; denn er weiss wie
Liebe tödte. Allah hu!" --

Ueberall nun, wo in Volksstämmen oder in Religions-
vereinen ein solcher Cultus Wurzel geschlagen hat, dessen Sinn
und Ziel die Herbeiführung ekstatischer Entzückungen ist, ver-
bindet sich mit ihm, sei es als Grund oder Folge oder beides,
ein besonders energischer Glaube an Leben und Kraft der vom
Leibe getrennten Seele des Menschen. Bei den thrakischen
Stämmen, deren dem "Dionysos" gewidmeter Aufregungscult
sich der vergleichenden Uebersicht als eine einzelne Spielart
der mehr als der Hälfte der Menschheit vertrauten Weise, im
religiösen Enthusiasmus sich der Gottheit zu nähern, darstellt,
müsste man von vornherein erwarten, einen stark und eigen-
thümlich entwickelten Seelenglauben anzutreffen. In der That
erzählt ja Herodot von dem thrakischen Stamme der Geten,
deren Glaube "die Menschen unsterblich machte" 1). Sie
hatten nur Einen Gott 2), Zalmoxis genannt; zu ihm, der in

1) Getai oi athanatizontes. Herod. 4, 93. 94 (apathanatizontes Plato und
Andere. S. Wesseling zu Diodor. I p. 105, 32).
2) -- oudena allon theon nomizontes ei me ton spheteron (eben den vorher
genannten Zalm.); Her. 4, 94 extr. Dort heisst es, dass die Geten pros
bronten te kai astrapen toxeuontes ano apeileusi to theo, oudena ktl. Wäre
-- wie meist verstanden wird -- unter o theos, dem die G. bei Gewittern
drohen, ihr Gott (Zalm.) gemeint, so wäre freilich die Motivirung der Be-
drohung dieses Gottes damit, dass sie nur ihn für den einzig wahren Gott
halten, seltsam, ja unsinnig. to theo bezieht sich aber vielmehr auf den
"Himmel" beim Gewitter, nach gewöhnlichem griechischen, hier auf die
Geten nicht geschickt angewendeten Sprachgebrauch. Dieser donnernde
theos ist durchaus nicht Zalmoxis (und also auch Zalm. nicht, wie man
wohl meint, ein "Himmelsgott"); nur den Z. halten die Geten für einen
Gott, das Donnernde ist ihnen kein wahrer Gott (höchstens ein böser
Geist oder ein Zauberer u. dgl.); um zu zeigen, dass sie dies nicht fürchten,
schiessen sie Pfeile dagegen ab, wohl hoffend, so das Gewitter zu brechen
(ähnliches ja an vielen Orten. Vgl. Grimm, D. Myth.4 p. 910; Dobriz-
hoffer, G. d. Abip. 2, 107. Lärm bei Mondfinsterniss: Weissenborn zu
Liv. 26, 5, 9. Reminiscenz an solche Sitte in der Heraklessage: Apollo-
dor 2, 5, 10, 5. Aus Herodot [indirect] Isigon. Mirab. 42. Vgl. auch den

wozu das alles diene, verkündet im geistigsten Ausdruck der
furchtloseste der Mystiker, Dschelaleddin Rumi: „Wer die
Kraft des Reigens kennet, wohnt in Gott; denn er weiss wie
Liebe tödte. Allah hu!“ —

Ueberall nun, wo in Volksstämmen oder in Religions-
vereinen ein solcher Cultus Wurzel geschlagen hat, dessen Sinn
und Ziel die Herbeiführung ekstatischer Entzückungen ist, ver-
bindet sich mit ihm, sei es als Grund oder Folge oder beides,
ein besonders energischer Glaube an Leben und Kraft der vom
Leibe getrennten Seele des Menschen. Bei den thrakischen
Stämmen, deren dem „Dionysos“ gewidmeter Aufregungscult
sich der vergleichenden Uebersicht als eine einzelne Spielart
der mehr als der Hälfte der Menschheit vertrauten Weise, im
religiösen Enthusiasmus sich der Gottheit zu nähern, darstellt,
müsste man von vornherein erwarten, einen stark und eigen-
thümlich entwickelten Seelenglauben anzutreffen. In der That
erzählt ja Herodot von dem thrakischen Stamme der Geten,
deren Glaube „die Menschen unsterblich machte“ 1). Sie
hatten nur Einen Gott 2), Zalmoxis genannt; zu ihm, der in

1) Γέται οἱ ἀϑανατίζοντες. Herod. 4, 93. 94 (ἀπαϑανατίζοντες Plato und
Andere. S. Wesseling zu Diodor. I p. 105, 32).
2) — οὐδένα ἄλλον ϑεὸν νομίζοντες εἰ μὴ τὸν σφέτερον (eben den vorher
genannten Zalm.); Her. 4, 94 extr. Dort heisst es, dass die Geten πρὸς
βροντήν τε καὶ ἀστραπὴν τοξεύοντες ἄνω ἀπειλεῦσι τῷ ϑεῷ, οὐδένα κτλ. Wäre
— wie meist verstanden wird — unter ὁ ϑεός, dem die G. bei Gewittern
drohen, ihr Gott (Zalm.) gemeint, so wäre freilich die Motivirung der Be-
drohung dieses Gottes damit, dass sie nur ihn für den einzig wahren Gott
halten, seltsam, ja unsinnig. τῷ ϑεῷ bezieht sich aber vielmehr auf den
„Himmel“ beim Gewitter, nach gewöhnlichem griechischen, hier auf die
Geten nicht geschickt angewendeten Sprachgebrauch. Dieser donnernde
ϑεός ist durchaus nicht Zalmoxis (und also auch Zalm. nicht, wie man
wohl meint, ein „Himmelsgott“); nur den Z. halten die Geten für einen
Gott, das Donnernde ist ihnen kein wahrer Gott (höchstens ein böser
Geist oder ein Zauberer u. dgl.); um zu zeigen, dass sie dies nicht fürchten,
schiessen sie Pfeile dagegen ab, wohl hoffend, so das Gewitter zu brechen
(ähnliches ja an vielen Orten. Vgl. Grimm, D. Myth.4 p. 910; Dobriz-
hoffer, G. d. Abip. 2, 107. Lärm bei Mondfinsterniss: Weissenborn zu
Liv. 26, 5, 9. Reminiscenz an solche Sitte in der Heraklessage: Apollo-
dor 2, 5, 10, 5. Aus Herodot [indirect] Isigon. Mirab. 42. Vgl. auch den
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[319/0335] wozu das alles diene, verkündet im geistigsten Ausdruck der furchtloseste der Mystiker, Dschelaleddin Rumi: „Wer die Kraft des Reigens kennet, wohnt in Gott; denn er weiss wie Liebe tödte. Allah hu!“ — Ueberall nun, wo in Volksstämmen oder in Religions- vereinen ein solcher Cultus Wurzel geschlagen hat, dessen Sinn und Ziel die Herbeiführung ekstatischer Entzückungen ist, ver- bindet sich mit ihm, sei es als Grund oder Folge oder beides, ein besonders energischer Glaube an Leben und Kraft der vom Leibe getrennten Seele des Menschen. Bei den thrakischen Stämmen, deren dem „Dionysos“ gewidmeter Aufregungscult sich der vergleichenden Uebersicht als eine einzelne Spielart der mehr als der Hälfte der Menschheit vertrauten Weise, im religiösen Enthusiasmus sich der Gottheit zu nähern, darstellt, müsste man von vornherein erwarten, einen stark und eigen- thümlich entwickelten Seelenglauben anzutreffen. In der That erzählt ja Herodot von dem thrakischen Stamme der Geten, deren Glaube „die Menschen unsterblich machte“ 1). Sie hatten nur Einen Gott 2), Zalmoxis genannt; zu ihm, der in 1) Γέται οἱ ἀϑανατίζοντες. Herod. 4, 93. 94 (ἀπαϑανατίζοντες Plato und Andere. S. Wesseling zu Diodor. I p. 105, 32). 2) — οὐδένα ἄλλον ϑεὸν νομίζοντες εἰ μὴ τὸν σφέτερον (eben den vorher genannten Zalm.); Her. 4, 94 extr. Dort heisst es, dass die Geten πρὸς βροντήν τε καὶ ἀστραπὴν τοξεύοντες ἄνω ἀπειλεῦσι τῷ ϑεῷ, οὐδένα κτλ. Wäre — wie meist verstanden wird — unter ὁ ϑεός, dem die G. bei Gewittern drohen, ihr Gott (Zalm.) gemeint, so wäre freilich die Motivirung der Be- drohung dieses Gottes damit, dass sie nur ihn für den einzig wahren Gott halten, seltsam, ja unsinnig. τῷ ϑεῷ bezieht sich aber vielmehr auf den „Himmel“ beim Gewitter, nach gewöhnlichem griechischen, hier auf die Geten nicht geschickt angewendeten Sprachgebrauch. Dieser donnernde ϑεός ist durchaus nicht Zalmoxis (und also auch Zalm. nicht, wie man wohl meint, ein „Himmelsgott“); nur den Z. halten die Geten für einen Gott, das Donnernde ist ihnen kein wahrer Gott (höchstens ein böser Geist oder ein Zauberer u. dgl.); um zu zeigen, dass sie dies nicht fürchten, schiessen sie Pfeile dagegen ab, wohl hoffend, so das Gewitter zu brechen (ähnliches ja an vielen Orten. Vgl. Grimm, D. Myth.4 p. 910; Dobriz- hoffer, G. d. Abip. 2, 107. Lärm bei Mondfinsterniss: Weissenborn zu Liv. 26, 5, 9. Reminiscenz an solche Sitte in der Heraklessage: Apollo- dor 2, 5, 10, 5. Aus Herodot [indirect] Isigon. Mirab. 42. Vgl. auch den

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/335>, abgerufen am 23.11.2024.