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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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gerathen. Je nach Gehalt und Inhalt der ihnen geläufigen
Glaubensbilder gestalten sich die Hallucinationen, von denen
die Zauberer überfallen werden, im Einzelnen verschieden.
Durchweg aber versetzt sie ihr Wahn in unmittelbaren Ver-
kehr, vielfach in völlige Wesensgemeinschaft mit den Göttern.
Nur so erklärt es sich, dass, wie die begeisterten Bakchen
Thrakiens, so die Zauberer und Priester vieler Völker mit
dem Namen der Gottheit benannt werden, zu der ihr Be-
geisterungscult sie emporhebt 1). Das Streben nach der Ver-
einigung mit Gott, dem Untergang des Individuums in der
Gottheit, ist es auch, was alle Mystik hoch begabter und ge-
bildeter Völker in der Wurzel zusammenbindet mit dem Auf-
regungscult der Naturvölker. Selbst der äusseren Mittel der
Erregung und Begeisterung mag diese Mystik nicht immer
entrathen 2), und stets sind es dieselben, die wir aus den reli-
giösen Orgien jener Völker kennen: Musik, wirbelnder Tanz,
narkotische Reizmittel. So schwingen sich, (um von vielen Bei-
spielen das auffallendste zu nehmen) zum "Schall der Trom-
mel, Hall der Flöte" die Derwische des Orients im Wir-
beltanz herum bis zu äusserster Erregung und Erschöpfung;

1) Zauberer benannt mit dem Namen des Gottes (Keebet) bei den
Abiponen: Dobrizhoffer, Abip. 2, 317. Aehnlich anderswo: Müller, Amerikan.
Urrelig
. 77. Auf Tahiti nannte man den von einem Gotte Begeisterten,
so lange die Begeisterung dauerte (oft mehrere Tage lang) selbst "Gott"
oder mit dem Namen eines bestimmten Gottes (Waitz, Anthropol. 6, 383).
Bei einem afrikanischen Stamme nahe dem Nyansasee nimmt der herr-
schende Geist zeitweilig Besitz von einem Zauberer (oder einer Zaubererin),
der dann den Namen des Geistes trägt (Schneider, Rel. der afrik. Naturv.
151). Bisweilen drückt sich die Identität des Zauberers mit dem Gotte
dadurch aus, dass jener (ähnlich den thrakischen Bakkhoi) die Tracht des
Gottes annimmt und seine äussere Erscheinung nachahmt. So bei den
Teufelstänzern auf Ceylon u. A.
2) Mehr philosophisch gerichtet, sucht sie freilich die Einigung mit
dem Höchsten, die ellampsis tes phuseos tes protes, vielmehr durch
tiefste Beschwichtigung des Sinnes und der Gedanken, durch das eis auten
xullegesthai kai athroizesthai der Seele (Plat.), ihr Abziehen von allem Ge-
stalteten und Einzelnen, zu erreichen. Die tiefste Stille des Gemüths
bewirkt dann die Vereinigung mit dem Einen vor aller Vielheit. So
bei den neoplatonischen Mystikern, bei den Buddhisten u. a.

gerathen. Je nach Gehalt und Inhalt der ihnen geläufigen
Glaubensbilder gestalten sich die Hallucinationen, von denen
die Zauberer überfallen werden, im Einzelnen verschieden.
Durchweg aber versetzt sie ihr Wahn in unmittelbaren Ver-
kehr, vielfach in völlige Wesensgemeinschaft mit den Göttern.
Nur so erklärt es sich, dass, wie die begeisterten Bakchen
Thrakiens, so die Zauberer und Priester vieler Völker mit
dem Namen der Gottheit benannt werden, zu der ihr Be-
geisterungscult sie emporhebt 1). Das Streben nach der Ver-
einigung mit Gott, dem Untergang des Individuums in der
Gottheit, ist es auch, was alle Mystik hoch begabter und ge-
bildeter Völker in der Wurzel zusammenbindet mit dem Auf-
regungscult der Naturvölker. Selbst der äusseren Mittel der
Erregung und Begeisterung mag diese Mystik nicht immer
entrathen 2), und stets sind es dieselben, die wir aus den reli-
giösen Orgien jener Völker kennen: Musik, wirbelnder Tanz,
narkotische Reizmittel. So schwingen sich, (um von vielen Bei-
spielen das auffallendste zu nehmen) zum „Schall der Trom-
mel, Hall der Flöte“ die Derwische des Orients im Wir-
beltanz herum bis zu äusserster Erregung und Erschöpfung;

1) Zauberer benannt mit dem Namen des Gottes (Keebet) bei den
Abiponen: Dobrizhoffer, Abip. 2, 317. Aehnlich anderswo: Müller, Amerikan.
Urrelig
. 77. Auf Tahiti nannte man den von einem Gotte Begeisterten,
so lange die Begeisterung dauerte (oft mehrere Tage lang) selbst „Gott“
oder mit dem Namen eines bestimmten Gottes (Waitz, Anthropol. 6, 383).
Bei einem afrikanischen Stamme nahe dem Nyansasee nimmt der herr-
schende Geist zeitweilig Besitz von einem Zauberer (oder einer Zaubererin),
der dann den Namen des Geistes trägt (Schneider, Rel. der afrik. Naturv.
151). Bisweilen drückt sich die Identität des Zauberers mit dem Gotte
dadurch aus, dass jener (ähnlich den thrakischen Βάκχοι) die Tracht des
Gottes annimmt und seine äussere Erscheinung nachahmt. So bei den
Teufelstänzern auf Ceylon u. A.
2) Mehr philosophisch gerichtet, sucht sie freilich die Einigung mit
dem Höchsten, die ἔλλαμψις τῆς φύσεως τῆς πρώτης, vielmehr durch
tiefste Beschwichtigung des Sinnes und der Gedanken, durch das εἰς αὑτὴν
ξυλλέγεσϑαι καὶ ἀϑροίζεσϑαι der Seele (Plat.), ihr Abziehen von allem Ge-
stalteten und Einzelnen, zu erreichen. Die tiefste Stille des Gemüths
bewirkt dann die Vereinigung mit dem Einen vor aller Vielheit. So
bei den neoplatonischen Mystikern, bei den Buddhisten u. a.
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[318/0334] gerathen. Je nach Gehalt und Inhalt der ihnen geläufigen Glaubensbilder gestalten sich die Hallucinationen, von denen die Zauberer überfallen werden, im Einzelnen verschieden. Durchweg aber versetzt sie ihr Wahn in unmittelbaren Ver- kehr, vielfach in völlige Wesensgemeinschaft mit den Göttern. Nur so erklärt es sich, dass, wie die begeisterten Bakchen Thrakiens, so die Zauberer und Priester vieler Völker mit dem Namen der Gottheit benannt werden, zu der ihr Be- geisterungscult sie emporhebt 1). Das Streben nach der Ver- einigung mit Gott, dem Untergang des Individuums in der Gottheit, ist es auch, was alle Mystik hoch begabter und ge- bildeter Völker in der Wurzel zusammenbindet mit dem Auf- regungscult der Naturvölker. Selbst der äusseren Mittel der Erregung und Begeisterung mag diese Mystik nicht immer entrathen 2), und stets sind es dieselben, die wir aus den reli- giösen Orgien jener Völker kennen: Musik, wirbelnder Tanz, narkotische Reizmittel. So schwingen sich, (um von vielen Bei- spielen das auffallendste zu nehmen) zum „Schall der Trom- mel, Hall der Flöte“ die Derwische des Orients im Wir- beltanz herum bis zu äusserster Erregung und Erschöpfung; 1) Zauberer benannt mit dem Namen des Gottes (Keebet) bei den Abiponen: Dobrizhoffer, Abip. 2, 317. Aehnlich anderswo: Müller, Amerikan. Urrelig. 77. Auf Tahiti nannte man den von einem Gotte Begeisterten, so lange die Begeisterung dauerte (oft mehrere Tage lang) selbst „Gott“ oder mit dem Namen eines bestimmten Gottes (Waitz, Anthropol. 6, 383). Bei einem afrikanischen Stamme nahe dem Nyansasee nimmt der herr- schende Geist zeitweilig Besitz von einem Zauberer (oder einer Zaubererin), der dann den Namen des Geistes trägt (Schneider, Rel. der afrik. Naturv. 151). Bisweilen drückt sich die Identität des Zauberers mit dem Gotte dadurch aus, dass jener (ähnlich den thrakischen Βάκχοι) die Tracht des Gottes annimmt und seine äussere Erscheinung nachahmt. So bei den Teufelstänzern auf Ceylon u. A. 2) Mehr philosophisch gerichtet, sucht sie freilich die Einigung mit dem Höchsten, die ἔλλαμψις τῆς φύσεως τῆς πρώτης, vielmehr durch tiefste Beschwichtigung des Sinnes und der Gedanken, durch das εἰς αὑτὴν ξυλλέγεσϑαι καὶ ἀϑροίζεσϑαι der Seele (Plat.), ihr Abziehen von allem Ge- stalteten und Einzelnen, zu erreichen. Die tiefste Stille des Gemüths bewirkt dann die Vereinigung mit dem Einen vor aller Vielheit. So bei den neoplatonischen Mystikern, bei den Buddhisten u. a.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/334>, abgerufen am 23.11.2024.