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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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streben ihm zu, zur Vereinigung mit ihm; sie sprengen die
enge Leibeshaft ihrer Seele; Verzauberung packt sie, und sie
selbst fühlen sich, ihrem alltäglichen Dasein enthoben, als
Geister aus dem Schwarm, der den Gott umtost 1). Ja, sie
haben Theil an dem Leben des Gottes selbst: nichts anderes
kann es bedeuten, wenn sich die verzückten Diener des Gottes
mit dem Namen des Gottes benennen. Der mit dem Gotte
in der Begeisterung eins gewordene heisst nun selbst Sabos,
Sabazios 2). Uebermenschliches und Unmenschliches mischt
sich nun auch in ihnen: gleich dem wilden Gotte selbst 3)
stürzen sie sich auf das Opferthier, um es roh zu ver-

1) Nachahmung der mainades, die um den Gott sind, durch die an
den trieterischen Festen theilnehmenden Weiber: Diodor. 4, 3, 3. Nach-
ahmung der Numphai te kai Panes kai Seilenoi kai Saturoi in der bakkheia:
Plato, Leg. 7, 815 C. Später nur rituales Herkommen, ursprünglich ohne
Zweifel wirkliche Hallucinationen der katokhoi. -- Die Vorstellung, dass
den Gott (als sugkhoreutai Dionusou Aelian. V. H. 3, 40) ein Schwarm,
thiasos (o to Dionuso parepomenos okhlos, Ath. 8, 362 E) von Waldgeistern,
Satyrn und Silenen umtanze, muss auch thrakischer Religion eigen ge-
wesen sein. sauadai (offenbar namensverwandt mit Sabazios) hiessen oi
seilenoi bei den (in dionysischer Religionsübung ganz von den Thrakern
abhängigen) Makedonen. Hesych. s. v. (vgl. Herodot 8, 138 extrem.).
2) Die bakkheuontes to theo (dem Sabazios, Sabos) heissen saboi kai
sabai kai sabazioi Phot. s. sabous. Vgl. Eustath. Odyss. 2, 16 p. 1431, 46.
Harpocrat. (Phot.) s. saboi. Phot. s. parasabazein (p. 383, 16). Schol. Ar.
Av. 874. Diese Gleichsetzung der Gottheit und ihres ekstatischen Ver-
ehrers ist auch dem phrygischen Kybelecult eigen: wie die Göttin Kubebe,
so hiess o katekhomenos te metri ton theon, Kubebos. Phot. s. kubebos, s.
kubebon. Eustath. a. a. O. Die Griechen übertrugen nur Vorstellungsweise
und Bezeichnungsart aus dem thrakischen Begeisterungscult auf ihren,
diesem nachgebildeten Dionysosdienst, wenn sie dann ebenfalls den eksta-
tischen Verehrer des Bakchos mit dessen Namen benannten. bakkhos
heisst ihnen der orgiastes tou theou. Es scheint, dass man auch die bakkhoi
des Dionysos oft mit dem altthrakischen Namen saboi benannte: sabous
kai nun eti polloi tous bakkhous kalousin. Plut. Sympos. 4. 6, 2 (auch
Laphustioi heissen, nach dem Dionusos Laphustios, die diesen verehrenden
Bakkhoi: Lycophr. 1237 mit Schol.).
3) Dionusos omadios (Porphyr. abst. 2, 55) omestes (Plut. Themi-
stocles
3), laphustios, taurophagos (Sophocl. fr. 607). -- Andere Male scheint
die Vorstellung durch, dass der Gott selbst der zerrissene und verschlungene
Stier sei. Die roheste Form des en-thousiasmos.
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streben ihm zu, zur Vereinigung mit ihm; sie sprengen die
enge Leibeshaft ihrer Seele; Verzauberung packt sie, und sie
selbst fühlen sich, ihrem alltäglichen Dasein enthoben, als
Geister aus dem Schwarm, der den Gott umtost 1). Ja, sie
haben Theil an dem Leben des Gottes selbst: nichts anderes
kann es bedeuten, wenn sich die verzückten Diener des Gottes
mit dem Namen des Gottes benennen. Der mit dem Gotte
in der Begeisterung eins gewordene heisst nun selbst Sabos,
Sabazios 2). Uebermenschliches und Unmenschliches mischt
sich nun auch in ihnen: gleich dem wilden Gotte selbst 3)
stürzen sie sich auf das Opferthier, um es roh zu ver-

1) Nachahmung der μαινάδες, die um den Gott sind, durch die an
den trieterischen Festen theilnehmenden Weiber: Diodor. 4, 3, 3. Nach-
ahmung der Νύμφαι τε καὶ Πᾶνες καὶ Σειληνοὶ καὶ Σάτυροι in der βακχεία:
Plato, Leg. 7, 815 C. Später nur rituales Herkommen, ursprünglich ohne
Zweifel wirkliche Hallucinationen der κάτοχοι. — Die Vorstellung, dass
den Gott (als συγχορευταὶ Διονύσου Aelian. V. H. 3, 40) ein Schwarm,
ϑίασος (ὁ τῷ Διονύσῳ παρεπόμενος ὄχλος, Ath. 8, 362 E) von Waldgeistern,
Satyrn und Silenen umtanze, muss auch thrakischer Religion eigen ge-
wesen sein. σαυάδαι (offenbar namensverwandt mit Σαβάζιος) hiessen οἱ
σειληνοί bei den (in dionysischer Religionsübung ganz von den Thrakern
abhängigen) Makedonen. Hesych. s. v. (vgl. Herodot 8, 138 extrem.).
2) Die βακχεύοντες τῷ ϑεῷ (dem Sabazios, Sabos) heissen σάβοι καὶ
σάβαι καὶ σαβάζιοι Phot. s. σαβούς. Vgl. Eustath. Odyss. 2, 16 p. 1431, 46.
Harpocrat. (Phot.) s. σάβοι. Phot. s. παρασαβάζειν (p. 383, 16). Schol. Ar.
Av. 874. Diese Gleichsetzung der Gottheit und ihres ekstatischen Ver-
ehrers ist auch dem phrygischen Kybelecult eigen: wie die Göttin Κυβήβη,
so hiess ὁ κατεχόμενος τῇ μητρὶ τῶν ϑεῶν, Κύβηβος. Phot. s. κύβηβος, s.
κύβηβον. Eustath. a. a. O. Die Griechen übertrugen nur Vorstellungsweise
und Bezeichnungsart aus dem thrakischen Begeisterungscult auf ihren,
diesem nachgebildeten Dionysosdienst, wenn sie dann ebenfalls den eksta-
tischen Verehrer des Bakchos mit dessen Namen benannten. βάκχος
heisst ihnen der ὀργιαστὴς τοῦ ϑεοῦ. Es scheint, dass man auch die βάκχοι
des Dionysos oft mit dem altthrakischen Namen σάβοι benannte: σάβους
καὶ νῦν ἔτι πολλοὶ τοὺς βάκχους καλοῦσιν. Plut. Sympos. 4. 6, 2 (auch
Λαφύστιοι heissen, nach dem Διόνυσος Λαφύστιος, die diesen verehrenden
Βάκχοι: Lycophr. 1237 mit Schol.).
3) Διόνυσος ὠμάδιος (Porphyr. abst. 2, 55) ὠμηστής (Plut. Themi-
stocles
3), λαφύστιος, ταυροφάγος (Sophocl. fr. 607). — Andere Male scheint
die Vorstellung durch, dass der Gott selbst der zerrissene und verschlungene
Stier sei. Die roheste Form des ἐν-ϑουσιασμός.
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[307/0323] streben ihm zu, zur Vereinigung mit ihm; sie sprengen die enge Leibeshaft ihrer Seele; Verzauberung packt sie, und sie selbst fühlen sich, ihrem alltäglichen Dasein enthoben, als Geister aus dem Schwarm, der den Gott umtost 1). Ja, sie haben Theil an dem Leben des Gottes selbst: nichts anderes kann es bedeuten, wenn sich die verzückten Diener des Gottes mit dem Namen des Gottes benennen. Der mit dem Gotte in der Begeisterung eins gewordene heisst nun selbst Sabos, Sabazios 2). Uebermenschliches und Unmenschliches mischt sich nun auch in ihnen: gleich dem wilden Gotte selbst 3) stürzen sie sich auf das Opferthier, um es roh zu ver- 1) Nachahmung der μαινάδες, die um den Gott sind, durch die an den trieterischen Festen theilnehmenden Weiber: Diodor. 4, 3, 3. Nach- ahmung der Νύμφαι τε καὶ Πᾶνες καὶ Σειληνοὶ καὶ Σάτυροι in der βακχεία: Plato, Leg. 7, 815 C. Später nur rituales Herkommen, ursprünglich ohne Zweifel wirkliche Hallucinationen der κάτοχοι. — Die Vorstellung, dass den Gott (als συγχορευταὶ Διονύσου Aelian. V. H. 3, 40) ein Schwarm, ϑίασος (ὁ τῷ Διονύσῳ παρεπόμενος ὄχλος, Ath. 8, 362 E) von Waldgeistern, Satyrn und Silenen umtanze, muss auch thrakischer Religion eigen ge- wesen sein. σαυάδαι (offenbar namensverwandt mit Σαβάζιος) hiessen οἱ σειληνοί bei den (in dionysischer Religionsübung ganz von den Thrakern abhängigen) Makedonen. Hesych. s. v. (vgl. Herodot 8, 138 extrem.). 2) Die βακχεύοντες τῷ ϑεῷ (dem Sabazios, Sabos) heissen σάβοι καὶ σάβαι καὶ σαβάζιοι Phot. s. σαβούς. Vgl. Eustath. Odyss. 2, 16 p. 1431, 46. Harpocrat. (Phot.) s. σάβοι. Phot. s. παρασαβάζειν (p. 383, 16). Schol. Ar. Av. 874. Diese Gleichsetzung der Gottheit und ihres ekstatischen Ver- ehrers ist auch dem phrygischen Kybelecult eigen: wie die Göttin Κυβήβη, so hiess ὁ κατεχόμενος τῇ μητρὶ τῶν ϑεῶν, Κύβηβος. Phot. s. κύβηβος, s. κύβηβον. Eustath. a. a. O. Die Griechen übertrugen nur Vorstellungsweise und Bezeichnungsart aus dem thrakischen Begeisterungscult auf ihren, diesem nachgebildeten Dionysosdienst, wenn sie dann ebenfalls den eksta- tischen Verehrer des Bakchos mit dessen Namen benannten. βάκχος heisst ihnen der ὀργιαστὴς τοῦ ϑεοῦ. Es scheint, dass man auch die βάκχοι des Dionysos oft mit dem altthrakischen Namen σάβοι benannte: σάβους καὶ νῦν ἔτι πολλοὶ τοὺς βάκχους καλοῦσιν. Plut. Sympos. 4. 6, 2 (auch Λαφύστιοι heissen, nach dem Διόνυσος Λαφύστιος, die diesen verehrenden Βάκχοι: Lycophr. 1237 mit Schol.). 3) Διόνυσος ὠμάδιος (Porphyr. abst. 2, 55) ὠμηστής (Plut. Themi- stocles 3), λαφύστιος, ταυροφάγος (Sophocl. fr. 607). — Andere Male scheint die Vorstellung durch, dass der Gott selbst der zerrissene und verschlungene Stier sei. Die roheste Form des ἐν-ϑουσιασμός. 20*

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/323>, abgerufen am 17.05.2024.