zelnen Schönheiten entlehnt, und zu einem schö- nen Ganzen verbindet. Man siehet hieraus, daß die unregelmäßige Wildheit der Natur in einer Landschaft zum Garten nicht nöthig ist, son- dern dieses würde gegen das Wesen des Gar- tens seyn, der ein schönes Ganzes seyn soll. Hieraus fließt, daß diejenigen sehr irren, die Obst- und Fruchtbäume aus dem Garten verdrän- gen. Sie empfehlen sich durch Anmuth und Nutzen; denn was ist schöner, als der mit Blü- ten überschneyete und Balsam verhauchende Obstgarten im Frühlinge, was anmuthiger und nützlicher, als die im Sommer unter dem Laube schwellende Kirsche, oder im Herbst die belasteten Aeste mit dem Gold der Birnen, oder dem Incarnat der Aepfel? Und warum entfernt die neuere Gartenkunst die mannichfaltige Schönheit des Küchengartens aus ihrem Ge- biete? Sollte der Deutsche dieses nicht als ein Nationalkennzeichen in seine Gärten aufneh- men, da von seinen Gränzen aus sich diese Art von Fruchtbaue zu andern verbreitete, wie uns die ökonomische Geschichte der heutigen Nie- derlande und Britanniens lehren wird?
So sollte man auch in den Gärten mehr für verschiedene Aufenthaltsorte nach den ver- schiedenen Jahres- und Tageszeiten besorgt seyn. Oft wird es versehen, daß man zu viel Schatten anbringt, und vergißt, daß Deutsch- land sich dem Norden nähere, und daß man bey italienischen und französischen Gärten, von
denen
zelnen Schoͤnheiten entlehnt, und zu einem ſchoͤ- nen Ganzen verbindet. Man ſiehet hieraus, daß die unregelmaͤßige Wildheit der Natur in einer Landſchaft zum Garten nicht noͤthig iſt, ſon- dern dieſes wuͤrde gegen das Weſen des Gar- tens ſeyn, der ein ſchoͤnes Ganzes ſeyn ſoll. Hieraus fließt, daß diejenigen ſehr irren, die Obſt- und Fruchtbaͤume aus dem Garten verdraͤn- gen. Sie empfehlen ſich durch Anmuth und Nutzen; denn was iſt ſchoͤner, als der mit Bluͤ- ten uͤberſchneyete und Balſam verhauchende Obſtgarten im Fruͤhlinge, was anmuthiger und nuͤtzlicher, als die im Sommer unter dem Laube ſchwellende Kirſche, oder im Herbſt die belaſteten Aeſte mit dem Gold der Birnen, oder dem Incarnat der Aepfel? Und warum entfernt die neuere Gartenkunſt die mannichfaltige Schoͤnheit des Kuͤchengartens aus ihrem Ge- biete? Sollte der Deutſche dieſes nicht als ein Nationalkennzeichen in ſeine Gaͤrten aufneh- men, da von ſeinen Graͤnzen aus ſich dieſe Art von Fruchtbaue zu andern verbreitete, wie uns die oͤkonomiſche Geſchichte der heutigen Nie- derlande und Britanniens lehren wird?
So ſollte man auch in den Gaͤrten mehr fuͤr verſchiedene Aufenthaltsorte nach den ver- ſchiedenen Jahres- und Tageszeiten beſorgt ſeyn. Oft wird es verſehen, daß man zu viel Schatten anbringt, und vergißt, daß Deutſch- land ſich dem Norden naͤhere, und daß man bey italieniſchen und franzoͤſiſchen Gaͤrten, von
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zelnen Schoͤnheiten entlehnt, und zu einem ſchoͤ-
nen Ganzen verbindet. Man ſiehet hieraus, daß
die unregelmaͤßige Wildheit der Natur in einer
Landſchaft zum Garten nicht noͤthig iſt, ſon-
dern dieſes wuͤrde gegen das Weſen des Gar-
tens ſeyn, der ein ſchoͤnes Ganzes ſeyn ſoll.
Hieraus fließt, daß diejenigen ſehr irren, die Obſt-
und Fruchtbaͤume aus dem Garten verdraͤn-
gen. Sie empfehlen ſich durch Anmuth und
Nutzen; denn was iſt ſchoͤner, als der mit Bluͤ-
ten uͤberſchneyete und Balſam verhauchende
Obſtgarten im Fruͤhlinge, was anmuthiger
und nuͤtzlicher, als die im Sommer unter dem
Laube ſchwellende Kirſche, oder im Herbſt die
belaſteten Aeſte mit dem Gold der Birnen, oder
dem Incarnat der Aepfel? Und warum entfernt
die neuere Gartenkunſt die mannichfaltige
Schoͤnheit des Kuͤchengartens aus ihrem Ge-
biete? Sollte der Deutſche dieſes nicht als ein
Nationalkennzeichen in ſeine Gaͤrten aufneh-
men, da von ſeinen Graͤnzen aus ſich dieſe Art
von Fruchtbaue zu andern verbreitete, wie uns
die oͤkonomiſche Geſchichte der heutigen Nie-
derlande und Britanniens lehren wird?
So ſollte man auch in den Gaͤrten mehr
fuͤr verſchiedene Aufenthaltsorte nach den ver-
ſchiedenen Jahres- und Tageszeiten beſorgt
ſeyn. Oft wird es verſehen, daß man zu viel
Schatten anbringt, und vergißt, daß Deutſch-
land ſich dem Norden naͤhere, und daß man
bey italieniſchen und franzoͤſiſchen Gaͤrten, von
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Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 2,1. Leipzig, 1782, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie02_1782/154>, abgerufen am 24.11.2024.
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