denen wir häufig die Regeln nahmen, an das Clima denken müsse, welche mehr Schatten verlangen, als in unsern Deutschen erlaubt ist. Bald vergißt man ganz, daß Deutsch- land zu den nördlichen Ländern gehöre, und sorgt für den Schatten zu wenig. Man sorgt gemeiniglich nicht genug für Gartenplätze, die auch im Winter grünen. Da uns Nordame- rika so reichlich mit dergleichen Bäumen ver- sorgt, und das ganze Geschlecht der Nadelhöl- zer, nur eines oder das andere ausgenommen, in der Natur uns dazu vor Augen stehet, warum machen wir nicht mehr Gebrauch davon?
Noch muß ich etwas für die geschornen Rasenplätze erinnern. Die Engländer ver- schwenden ungeheure Mühe und zuweilen eben so große Kosten in denselben, und Herr von Münchhausen wirft es ihnen in seinem Haus- vater vor. Daß sie dem Auge sehr angenehm sind, zu läugnen, hieße aus Vorurtheil der Em- pfindung widersprechen; unser Blick schlupft lieber über eine glatte und ebene Fläche, als über eine rauhe, hin. Allein es findet sich auch noch ein anderer Grund in der Natur, wo- durch sie uns gleichsam diese Rasen als eine Schönheit empfiehlt. Eine Wiese oder Flur, die sich für uns unabsehbar verliert, gewährt durch die glatte Oberfläche und Ebene, mit der sie sich von der Ferne unsern Augen nähert, viel mehr Anmuth, als in der Nähe, wo wir
die
II.Theil. K
denen wir haͤufig die Regeln nahmen, an das Clima denken muͤſſe, welche mehr Schatten verlangen, als in unſern Deutſchen erlaubt iſt. Bald vergißt man ganz, daß Deutſch- land zu den noͤrdlichen Laͤndern gehoͤre, und ſorgt fuͤr den Schatten zu wenig. Man ſorgt gemeiniglich nicht genug fuͤr Gartenplaͤtze, die auch im Winter gruͤnen. Da uns Nordame- rika ſo reichlich mit dergleichen Baͤumen ver- ſorgt, und das ganze Geſchlecht der Nadelhoͤl- zer, nur eines oder das andere ausgenommen, in der Natur uns dazu vor Augen ſtehet, warum machen wir nicht mehr Gebrauch davon?
Noch muß ich etwas fuͤr die geſchornen Raſenplaͤtze erinnern. Die Englaͤnder ver- ſchwenden ungeheure Muͤhe und zuweilen eben ſo große Koſten in denſelben, und Herr von Muͤnchhauſen wirft es ihnen in ſeinem Haus- vater vor. Daß ſie dem Auge ſehr angenehm ſind, zu laͤugnen, hieße aus Vorurtheil der Em- pfindung widerſprechen; unſer Blick ſchlupft lieber uͤber eine glatte und ebene Flaͤche, als uͤber eine rauhe, hin. Allein es findet ſich auch noch ein anderer Grund in der Natur, wo- durch ſie uns gleichſam dieſe Raſen als eine Schoͤnheit empfiehlt. Eine Wieſe oder Flur, die ſich fuͤr uns unabſehbar verliert, gewaͤhrt durch die glatte Oberflaͤche und Ebene, mit der ſie ſich von der Ferne unſern Augen naͤhert, viel mehr Anmuth, als in der Naͤhe, wo wir
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II.Theil. K
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denen wir haͤufig die Regeln nahmen, an das
Clima denken muͤſſe, welche mehr Schatten
verlangen, als in unſern Deutſchen erlaubt
iſt. Bald vergißt man ganz, daß Deutſch-
land zu den noͤrdlichen Laͤndern gehoͤre, und
ſorgt fuͤr den Schatten zu wenig. Man ſorgt
gemeiniglich nicht genug fuͤr Gartenplaͤtze, die
auch im Winter gruͤnen. Da uns Nordame-
rika ſo reichlich mit dergleichen Baͤumen ver-
ſorgt, und das ganze Geſchlecht der Nadelhoͤl-
zer, nur eines oder das andere ausgenommen,
in der Natur uns dazu vor Augen ſtehet,
warum machen wir nicht mehr Gebrauch
davon?
Noch muß ich etwas fuͤr die geſchornen
Raſenplaͤtze erinnern. Die Englaͤnder ver-
ſchwenden ungeheure Muͤhe und zuweilen eben
ſo große Koſten in denſelben, und Herr von
Muͤnchhauſen wirft es ihnen in ſeinem Haus-
vater vor. Daß ſie dem Auge ſehr angenehm
ſind, zu laͤugnen, hieße aus Vorurtheil der Em-
pfindung widerſprechen; unſer Blick ſchlupft
lieber uͤber eine glatte und ebene Flaͤche, als
uͤber eine rauhe, hin. Allein es findet ſich auch
noch ein anderer Grund in der Natur, wo-
durch ſie uns gleichſam dieſe Raſen als eine
Schoͤnheit empfiehlt. Eine Wieſe oder Flur,
die ſich fuͤr uns unabſehbar verliert, gewaͤhrt
durch die glatte Oberflaͤche und Ebene, mit
der ſie ſich von der Ferne unſern Augen naͤhert,
viel mehr Anmuth, als in der Naͤhe, wo wir
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Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 2,1. Leipzig, 1782, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie02_1782/155>, abgerufen am 27.11.2024.
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