Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Daß die "Familie", wenn sie sich überhaupt in der Stel-
lung, die sie einnahm, erhalten, ihre Macht für die Zukunft
stärken wollte, auf die Art und Weise des Hofes, namentlich
Brühls eingehen mußte, liegt klar zu Tage. Sie hat ihn für
sich gewonnen mit den Mitteln, mit denen er allein zu ge-
winnen war: durch Nachgiebigkeit und Schmeichelei, durch Be-
stechung und Förderung seiner persönlichen Interessen, so wie
endlich dadurch, daß sie Jahre hindurch aufs standhafteste die
Parthei des Hofes gegenüber der nie fehlenden Opposition an-
derer großer Familien hielt. Schwerlich hat sie jemals sich
der Hoffnung dauernd hingegeben durch ihn und den König
Reformen durchsetzen zu können; aber das Ziel erreichte sie
durch ihre Politik, daß sie die Wurzeln ihres Einflusses im
ganzen Lande weiter ausbreitete und in die Tiefe trieb. Es
hat eine Zeit gegeben, in der sie, so weit das überhaupt neben
der Krone möglich war, der "Spender aller Gnade" war, in
allen Landschaften ihre Verwandten, Freunde und Clienten in
die Ämter brachte. Auch hiebei ging sie eben so planvoll als
ausdauernd, eben so vorsichtig als folgerichtig zu Werke. In
den meisten Landschaften mit theils eignen, theils von der Krone
verliehenen Gütern ansäßig, schuf sie sich auch in allen einen
bedeutenden Einfluß, und als die Kinder heranwuchsen, verstärkte
sie sich durch Söhne und Schwiegersöhne, welche die Alten an
sich und das Interesse der Familie zu ketten verstanden. Zwei
seiner Töchter -- einen Sohn hatte er nicht -- verheirathete der
Kanzler nach einander an den Grafen Georg Flemming, der in
der Gegend von lithauisch Brzesz reich begütert war und den
uns Niemczewicz in seinen "Erinnerungen" als einen aufge-
klärten, thätigen Mann von höherer Bildung und weiteren
Kenntnissen als die meisten seiner Standesgenossen schildert.
Die dritte Tochter vermählte sich mit dem Fürsten Michael
Sapieha, dessen Familie zu den angesehensten, einflußreichsten
in Lithauen gehörte. An demselben Tage (Oktober 1749)
feierte auch deren Cousine, die Tochter Poniatowsky's, ihre
Hochzeit mit dem viel älteren Jan Clemens Branicki, einem
der reichsten Magnaten der Republik, zu welchen endlich auch

Daß die „Familie“, wenn ſie ſich überhaupt in der Stel-
lung, die ſie einnahm, erhalten, ihre Macht für die Zukunft
ſtärken wollte, auf die Art und Weiſe des Hofes, namentlich
Brühls eingehen mußte, liegt klar zu Tage. Sie hat ihn für
ſich gewonnen mit den Mitteln, mit denen er allein zu ge-
winnen war: durch Nachgiebigkeit und Schmeichelei, durch Be-
ſtechung und Förderung ſeiner perſönlichen Intereſſen, ſo wie
endlich dadurch, daß ſie Jahre hindurch aufs ſtandhafteſte die
Parthei des Hofes gegenüber der nie fehlenden Oppoſition an-
derer großer Familien hielt. Schwerlich hat ſie jemals ſich
der Hoffnung dauernd hingegeben durch ihn und den König
Reformen durchſetzen zu können; aber das Ziel erreichte ſie
durch ihre Politik, daß ſie die Wurzeln ihres Einfluſſes im
ganzen Lande weiter ausbreitete und in die Tiefe trieb. Es
hat eine Zeit gegeben, in der ſie, ſo weit das überhaupt neben
der Krone möglich war, der „Spender aller Gnade“ war, in
allen Landſchaften ihre Verwandten, Freunde und Clienten in
die Ämter brachte. Auch hiebei ging ſie eben ſo planvoll als
ausdauernd, eben ſo vorſichtig als folgerichtig zu Werke. In
den meiſten Landſchaften mit theils eignen, theils von der Krone
verliehenen Gütern anſäßig, ſchuf ſie ſich auch in allen einen
bedeutenden Einfluß, und als die Kinder heranwuchſen, verſtärkte
ſie ſich durch Söhne und Schwiegerſöhne, welche die Alten an
ſich und das Intereſſe der Familie zu ketten verſtanden. Zwei
ſeiner Töchter — einen Sohn hatte er nicht — verheirathete der
Kanzler nach einander an den Grafen Georg Flemming, der in
der Gegend von lithauiſch Brzesz reich begütert war und den
uns Niemczewicz in ſeinen „Erinnerungen“ als einen aufge-
klärten, thätigen Mann von höherer Bildung und weiteren
Kenntniſſen als die meiſten ſeiner Standesgenoſſen ſchildert.
Die dritte Tochter vermählte ſich mit dem Fürſten Michael
Sapieha, deſſen Familie zu den angeſehenſten, einflußreichſten
in Lithauen gehörte. An demſelben Tage (Oktober 1749)
feierte auch deren Couſine, die Tochter Poniatowsky’s, ihre
Hochzeit mit dem viel älteren Jan Clemens Branicki, einem
der reichſten Magnaten der Republik, zu welchen endlich auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0074" n="60"/>
        <p>Daß die &#x201E;Familie&#x201C;, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich überhaupt in der Stel-<lb/>
lung, die &#x017F;ie einnahm, erhalten, ihre Macht für die Zukunft<lb/>
&#x017F;tärken wollte, auf die Art und Wei&#x017F;e des Hofes, namentlich<lb/>
Brühls eingehen mußte, liegt klar zu Tage. Sie hat ihn für<lb/>
&#x017F;ich gewonnen mit den Mitteln, mit denen er allein zu ge-<lb/>
winnen war: durch Nachgiebigkeit und Schmeichelei, durch Be-<lb/>
&#x017F;techung und Förderung &#x017F;einer per&#x017F;önlichen Intere&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o wie<lb/>
endlich dadurch, daß &#x017F;ie Jahre hindurch aufs &#x017F;tandhafte&#x017F;te die<lb/>
Parthei des Hofes gegenüber der nie fehlenden Oppo&#x017F;ition an-<lb/>
derer großer Familien hielt. Schwerlich hat &#x017F;ie jemals &#x017F;ich<lb/>
der Hoffnung dauernd hingegeben durch ihn und den König<lb/>
Reformen durch&#x017F;etzen zu können; aber <hi rendition="#g">das</hi> Ziel erreichte &#x017F;ie<lb/>
durch ihre Politik, daß &#x017F;ie die Wurzeln ihres Einflu&#x017F;&#x017F;es im<lb/>
ganzen Lande weiter ausbreitete und in die Tiefe trieb. Es<lb/>
hat eine Zeit gegeben, in der &#x017F;ie, &#x017F;o weit das überhaupt neben<lb/>
der Krone möglich war, der &#x201E;Spender aller Gnade&#x201C; war, in<lb/>
allen Land&#x017F;chaften ihre Verwandten, Freunde und Clienten in<lb/>
die Ämter brachte. Auch hiebei ging &#x017F;ie eben &#x017F;o planvoll als<lb/>
ausdauernd, eben &#x017F;o vor&#x017F;ichtig als folgerichtig zu Werke. In<lb/>
den mei&#x017F;ten Land&#x017F;chaften mit theils eignen, theils von der Krone<lb/>
verliehenen Gütern an&#x017F;äßig, &#x017F;chuf &#x017F;ie &#x017F;ich auch in allen einen<lb/>
bedeutenden Einfluß, und als die Kinder heranwuch&#x017F;en, ver&#x017F;tärkte<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich durch Söhne und Schwieger&#x017F;öhne, welche die Alten an<lb/>
&#x017F;ich und das Intere&#x017F;&#x017F;e der Familie zu ketten ver&#x017F;tanden. Zwei<lb/>
&#x017F;einer Töchter &#x2014; einen Sohn hatte er nicht &#x2014; verheirathete der<lb/>
Kanzler nach einander an den Grafen Georg Flemming, der in<lb/>
der Gegend von lithaui&#x017F;ch Brzesz reich begütert war und den<lb/>
uns Niemczewicz in &#x017F;einen &#x201E;Erinnerungen&#x201C; als einen aufge-<lb/>
klärten, thätigen Mann von höherer Bildung und weiteren<lb/>
Kenntni&#x017F;&#x017F;en als die mei&#x017F;ten &#x017F;einer Standesgeno&#x017F;&#x017F;en &#x017F;childert.<lb/>
Die dritte Tochter vermählte &#x017F;ich mit dem Für&#x017F;ten Michael<lb/>
Sapieha, de&#x017F;&#x017F;en Familie zu den ange&#x017F;ehen&#x017F;ten, einflußreich&#x017F;ten<lb/>
in Lithauen gehörte. An dem&#x017F;elben Tage (Oktober 1749)<lb/>
feierte auch deren Cou&#x017F;ine, die Tochter Poniatowsky&#x2019;s, ihre<lb/>
Hochzeit mit dem viel älteren Jan Clemens Branicki, einem<lb/>
der reich&#x017F;ten Magnaten der Republik, zu welchen endlich auch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0074] Daß die „Familie“, wenn ſie ſich überhaupt in der Stel- lung, die ſie einnahm, erhalten, ihre Macht für die Zukunft ſtärken wollte, auf die Art und Weiſe des Hofes, namentlich Brühls eingehen mußte, liegt klar zu Tage. Sie hat ihn für ſich gewonnen mit den Mitteln, mit denen er allein zu ge- winnen war: durch Nachgiebigkeit und Schmeichelei, durch Be- ſtechung und Förderung ſeiner perſönlichen Intereſſen, ſo wie endlich dadurch, daß ſie Jahre hindurch aufs ſtandhafteſte die Parthei des Hofes gegenüber der nie fehlenden Oppoſition an- derer großer Familien hielt. Schwerlich hat ſie jemals ſich der Hoffnung dauernd hingegeben durch ihn und den König Reformen durchſetzen zu können; aber das Ziel erreichte ſie durch ihre Politik, daß ſie die Wurzeln ihres Einfluſſes im ganzen Lande weiter ausbreitete und in die Tiefe trieb. Es hat eine Zeit gegeben, in der ſie, ſo weit das überhaupt neben der Krone möglich war, der „Spender aller Gnade“ war, in allen Landſchaften ihre Verwandten, Freunde und Clienten in die Ämter brachte. Auch hiebei ging ſie eben ſo planvoll als ausdauernd, eben ſo vorſichtig als folgerichtig zu Werke. In den meiſten Landſchaften mit theils eignen, theils von der Krone verliehenen Gütern anſäßig, ſchuf ſie ſich auch in allen einen bedeutenden Einfluß, und als die Kinder heranwuchſen, verſtärkte ſie ſich durch Söhne und Schwiegerſöhne, welche die Alten an ſich und das Intereſſe der Familie zu ketten verſtanden. Zwei ſeiner Töchter — einen Sohn hatte er nicht — verheirathete der Kanzler nach einander an den Grafen Georg Flemming, der in der Gegend von lithauiſch Brzesz reich begütert war und den uns Niemczewicz in ſeinen „Erinnerungen“ als einen aufge- klärten, thätigen Mann von höherer Bildung und weiteren Kenntniſſen als die meiſten ſeiner Standesgenoſſen ſchildert. Die dritte Tochter vermählte ſich mit dem Fürſten Michael Sapieha, deſſen Familie zu den angeſehenſten, einflußreichſten in Lithauen gehörte. An demſelben Tage (Oktober 1749) feierte auch deren Couſine, die Tochter Poniatowsky’s, ihre Hochzeit mit dem viel älteren Jan Clemens Branicki, einem der reichſten Magnaten der Republik, zu welchen endlich auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/74
Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/74>, abgerufen am 23.11.2024.