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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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Unter den Polen, welche ihm nach Danzig gefolgt waren
und bis zum Ende der Belagerung mit ihm aushielten, war
auch die "Familie", die fast 60jährigen Alten, Kasimir Czar-
toryski und Poniatowski, so wie alle drei Söhne des ersteren
und deren Vetter Stanislaw. Noch vor dem Anmarsch der
Russen, Ende November 1733, hatte der König Poniatowski
nach Berlin gesandt, um im Verein mit dem dortigen franzö-
sischen Gesandten Friedrich Wilhelm I. für seine Sache zu ge-
winnen. Er ließ damals im Einverständniß mit den Polen,
die bei ihm waren, dem Könige die Abtretung eines Land-
striches anbieten, der Ostpreußen und Pommern unmittelbar
verbände, während fast gleichzeitig Rußland in Berlin die
Woiwodschaft Pommerellen und den Besitz der Stadt Elbing
antrug 1). Friedrich Wilhelm lehnte beide Anträge ab. Ponia-
towski aber übernahm nach seiner Rückkehr aus Berlin die
Leitung der Vertheidigung der Vorstädte Danzigs; sein Schwager
August Czartoryski befehligte die polnische Krongarde, welche
auf dem Bischofsberge lag, bis er von einer schweren Krank-
heit ergriffen ward, die ihn dem Tode nahe brachte. Nach
der Kapitulation der Stadt unterschrieb die Familie, mit Aus-
nahme des lithauischen Kanzlers, welcher vorher Danzig ver-
lassen zu haben scheint, nebst der Mehrzahl ihrer Landsleute,
auch die Acte, durch welche sie August III. als ihren König
und Herrn anerkannten. Die Acte war würdig gefaßt. Sie
erklärten darin, dem göttlichen Willen, der nach dem ganzen
Verlaufe der Dinge deutlich zu Tage liege, sich unterwerfen zu
wollen, in der Zuversicht, daß der König die Gerechtsamen,
Freiheiten und Vorrechte, welche ihnen von allen seinen Vor-
gängern verliehen worden, ungekränkt beschützen und erhalten
werde 2). Und als dann August III. in Person nach Danzig

1) Ranke, Preuß. Geschichte I, S. 408. Unverändert in der neuen
Ausgabe Bd. III u. IV, S. 218.
2) Die Unterwersungsacte mit allen Unterschriften in deutscher Über-
setzung in Seyler und Schultz, Alte und Neue preußische Chronika,
1762, S. 629. Es ist dies noch heute ein für uns sehr nützliches Buch,
da es eine Menge von Actenstücken in Übersetzung vollständig enthält.

Unter den Polen, welche ihm nach Danzig gefolgt waren
und bis zum Ende der Belagerung mit ihm aushielten, war
auch die „Familie“, die faſt 60jährigen Alten, Kaſimir Czar-
toryski und Poniatowski, ſo wie alle drei Söhne des erſteren
und deren Vetter Stanislaw. Noch vor dem Anmarſch der
Ruſſen, Ende November 1733, hatte der König Poniatowski
nach Berlin geſandt, um im Verein mit dem dortigen franzö-
ſiſchen Geſandten Friedrich Wilhelm I. für ſeine Sache zu ge-
winnen. Er ließ damals im Einverſtändniß mit den Polen,
die bei ihm waren, dem Könige die Abtretung eines Land-
ſtriches anbieten, der Oſtpreußen und Pommern unmittelbar
verbände, während faſt gleichzeitig Rußland in Berlin die
Woiwodſchaft Pommerellen und den Beſitz der Stadt Elbing
antrug 1). Friedrich Wilhelm lehnte beide Anträge ab. Ponia-
towski aber übernahm nach ſeiner Rückkehr aus Berlin die
Leitung der Vertheidigung der Vorſtädte Danzigs; ſein Schwager
Auguſt Czartoryski befehligte die polniſche Krongarde, welche
auf dem Biſchofsberge lag, bis er von einer ſchweren Krank-
heit ergriffen ward, die ihn dem Tode nahe brachte. Nach
der Kapitulation der Stadt unterſchrieb die Familie, mit Aus-
nahme des lithauiſchen Kanzlers, welcher vorher Danzig ver-
laſſen zu haben ſcheint, nebſt der Mehrzahl ihrer Landsleute,
auch die Acte, durch welche ſie Auguſt III. als ihren König
und Herrn anerkannten. Die Acte war würdig gefaßt. Sie
erklärten darin, dem göttlichen Willen, der nach dem ganzen
Verlaufe der Dinge deutlich zu Tage liege, ſich unterwerfen zu
wollen, in der Zuverſicht, daß der König die Gerechtſamen,
Freiheiten und Vorrechte, welche ihnen von allen ſeinen Vor-
gängern verliehen worden, ungekränkt beſchützen und erhalten
werde 2). Und als dann Auguſt III. in Perſon nach Danzig

1) Ranke, Preuß. Geſchichte I, S. 408. Unverändert in der neuen
Ausgabe Bd. III u. IV, S. 218.
2) Die Unterwerſungsacte mit allen Unterſchriften in deutſcher Über-
ſetzung in Seyler und Schultz, Alte und Neue preußiſche Chronika,
1762, S. 629. Es iſt dies noch heute ein für uns ſehr nützliches Buch,
da es eine Menge von Actenſtücken in Überſetzung vollſtändig enthält.
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[44/0058] Unter den Polen, welche ihm nach Danzig gefolgt waren und bis zum Ende der Belagerung mit ihm aushielten, war auch die „Familie“, die faſt 60jährigen Alten, Kaſimir Czar- toryski und Poniatowski, ſo wie alle drei Söhne des erſteren und deren Vetter Stanislaw. Noch vor dem Anmarſch der Ruſſen, Ende November 1733, hatte der König Poniatowski nach Berlin geſandt, um im Verein mit dem dortigen franzö- ſiſchen Geſandten Friedrich Wilhelm I. für ſeine Sache zu ge- winnen. Er ließ damals im Einverſtändniß mit den Polen, die bei ihm waren, dem Könige die Abtretung eines Land- ſtriches anbieten, der Oſtpreußen und Pommern unmittelbar verbände, während faſt gleichzeitig Rußland in Berlin die Woiwodſchaft Pommerellen und den Beſitz der Stadt Elbing antrug 1). Friedrich Wilhelm lehnte beide Anträge ab. Ponia- towski aber übernahm nach ſeiner Rückkehr aus Berlin die Leitung der Vertheidigung der Vorſtädte Danzigs; ſein Schwager Auguſt Czartoryski befehligte die polniſche Krongarde, welche auf dem Biſchofsberge lag, bis er von einer ſchweren Krank- heit ergriffen ward, die ihn dem Tode nahe brachte. Nach der Kapitulation der Stadt unterſchrieb die Familie, mit Aus- nahme des lithauiſchen Kanzlers, welcher vorher Danzig ver- laſſen zu haben ſcheint, nebſt der Mehrzahl ihrer Landsleute, auch die Acte, durch welche ſie Auguſt III. als ihren König und Herrn anerkannten. Die Acte war würdig gefaßt. Sie erklärten darin, dem göttlichen Willen, der nach dem ganzen Verlaufe der Dinge deutlich zu Tage liege, ſich unterwerfen zu wollen, in der Zuverſicht, daß der König die Gerechtſamen, Freiheiten und Vorrechte, welche ihnen von allen ſeinen Vor- gängern verliehen worden, ungekränkt beſchützen und erhalten werde 2). Und als dann Auguſt III. in Perſon nach Danzig 1) Ranke, Preuß. Geſchichte I, S. 408. Unverändert in der neuen Ausgabe Bd. III u. IV, S. 218. 2) Die Unterwerſungsacte mit allen Unterſchriften in deutſcher Über- ſetzung in Seyler und Schultz, Alte und Neue preußiſche Chronika, 1762, S. 629. Es iſt dies noch heute ein für uns ſehr nützliches Buch, da es eine Menge von Actenſtücken in Überſetzung vollſtändig enthält.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/58>, abgerufen am 02.05.2024.