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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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von welchen die wesentlichste war, daß das Tribunal in Wilna
die bereits gegen die Anhänger der Czartoryski erlassenen De-
krete nicht vollstrecken und keine neuen erlassen sollte. Von
der einen Seite hatte sich hiebei Poniatowski "sehr verständig"
erwiesen, von der andern Mokranowski am meisten zum Ge-
lingen beigetragen 1).

Gleichzeitig unterhandelte Katharina in Petersburg mit dem
ächsischen Geschäftsträger ihre besondern Beschwerden. Sie
verlangte Anerkennung Birons als Herzog von Kurland, wo-
gegen sie dem Prinzen Karl ein "Etablissement" zu verschaffen
jede Gelegenheit benutzen werde und inzwischen sich dazu ver-
stehen könne, ihm eine "anständige Pension" auszusetzen. Sodann
verlangte sie eine hinreichende Satisfaction in Betreff der vier
Minister, welche das Schreiben vom 10. Januar unterschrieben
hatten; ferner, daß der König künftig ihre Freunde in Polen
nicht mehr zurücksetze, sondern seine "Gnade" in Betreff der
Ämter ihnen, wie allen andern Polen zu Theil werden lasse;
daß auf dem nächsten Reichstage ein beiden Partheien gleich-
genehmer Marschall gewählt, das Amt des Kanzlers mit einem
Freunde Rußlands besetzt, Radzivils Autorität in Lithauen ge-
mindert und endlich ihr Titel als Kaiserin von der Republik
anerkannt werde. Dagegen wolle sie jeder Conföderation in
Polen entschieden entgegentreten. Man würde es russischer-
seits für ein Zeichen der Freundschaft ansehen, sagte Panin zu
Solms, wenn Friedrich seine Vorstellungen in Dresden dahin
mit denen Rußlands verbände, daß die Ruhe in Polen her-
gestellt werde 2).

Solchergestalt ließ sich die völlige Beruhigung in Polen
hoffen, und in dieser Hoffnung hatte Keyserling gegen Ende
August an Soltykow die Ordre zum Rückmarsch ertheilt 3).

1) Benoit, Dep. vom 6., 17., 24., 27. August. In der letztern sagt
Benoit von Mokranowski: "Ce galant homme qui possede le coeur et
la confiance de presque tous ses compatriotes."
2) Benoit, Bericht vom 17. August. Solms, Bericht vom 5. u.
23. September bei Häusser, S. 84--85.
3) Benoit, Dep. vom 3. September.

von welchen die weſentlichſte war, daß das Tribunal in Wilna
die bereits gegen die Anhänger der Czartoryski erlaſſenen De-
krete nicht vollſtrecken und keine neuen erlaſſen ſollte. Von
der einen Seite hatte ſich hiebei Poniatowski „ſehr verſtändig“
erwieſen, von der andern Mokranowski am meiſten zum Ge-
lingen beigetragen 1).

Gleichzeitig unterhandelte Katharina in Petersburg mit dem
ächſiſchen Geſchäftsträger ihre beſondern Beſchwerden. Sie
verlangte Anerkennung Birons als Herzog von Kurland, wo-
gegen ſie dem Prinzen Karl ein „Etabliſſement“ zu verſchaffen
jede Gelegenheit benutzen werde und inzwiſchen ſich dazu ver-
ſtehen könne, ihm eine „anſtändige Penſion“ auszuſetzen. Sodann
verlangte ſie eine hinreichende Satisfaction in Betreff der vier
Miniſter, welche das Schreiben vom 10. Januar unterſchrieben
hatten; ferner, daß der König künftig ihre Freunde in Polen
nicht mehr zurückſetze, ſondern ſeine „Gnade“ in Betreff der
Ämter ihnen, wie allen andern Polen zu Theil werden laſſe;
daß auf dem nächſten Reichstage ein beiden Partheien gleich-
genehmer Marſchall gewählt, das Amt des Kanzlers mit einem
Freunde Rußlands beſetzt, Radzivils Autorität in Lithauen ge-
mindert und endlich ihr Titel als Kaiſerin von der Republik
anerkannt werde. Dagegen wolle ſie jeder Conföderation in
Polen entſchieden entgegentreten. Man würde es ruſſiſcher-
ſeits für ein Zeichen der Freundſchaft anſehen, ſagte Panin zu
Solms, wenn Friedrich ſeine Vorſtellungen in Dresden dahin
mit denen Rußlands verbände, daß die Ruhe in Polen her-
geſtellt werde 2).

Solchergeſtalt ließ ſich die völlige Beruhigung in Polen
hoffen, und in dieſer Hoffnung hatte Keyſerling gegen Ende
Auguſt an Soltykow die Ordre zum Rückmarſch ertheilt 3).

1) Benoit, Dep. vom 6., 17., 24., 27. Auguſt. In der letztern ſagt
Benoit von Mokranowski: „Ce galant homme qui possede le coeur et
la confiance de presque tous ses compatriotes.“
2) Benoit, Bericht vom 17. Auguſt. Solms, Bericht vom 5. u.
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[197/0211] von welchen die weſentlichſte war, daß das Tribunal in Wilna die bereits gegen die Anhänger der Czartoryski erlaſſenen De- krete nicht vollſtrecken und keine neuen erlaſſen ſollte. Von der einen Seite hatte ſich hiebei Poniatowski „ſehr verſtändig“ erwieſen, von der andern Mokranowski am meiſten zum Ge- lingen beigetragen 1). Gleichzeitig unterhandelte Katharina in Petersburg mit dem ächſiſchen Geſchäftsträger ihre beſondern Beſchwerden. Sie verlangte Anerkennung Birons als Herzog von Kurland, wo- gegen ſie dem Prinzen Karl ein „Etabliſſement“ zu verſchaffen jede Gelegenheit benutzen werde und inzwiſchen ſich dazu ver- ſtehen könne, ihm eine „anſtändige Penſion“ auszuſetzen. Sodann verlangte ſie eine hinreichende Satisfaction in Betreff der vier Miniſter, welche das Schreiben vom 10. Januar unterſchrieben hatten; ferner, daß der König künftig ihre Freunde in Polen nicht mehr zurückſetze, ſondern ſeine „Gnade“ in Betreff der Ämter ihnen, wie allen andern Polen zu Theil werden laſſe; daß auf dem nächſten Reichstage ein beiden Partheien gleich- genehmer Marſchall gewählt, das Amt des Kanzlers mit einem Freunde Rußlands beſetzt, Radzivils Autorität in Lithauen ge- mindert und endlich ihr Titel als Kaiſerin von der Republik anerkannt werde. Dagegen wolle ſie jeder Conföderation in Polen entſchieden entgegentreten. Man würde es ruſſiſcher- ſeits für ein Zeichen der Freundſchaft anſehen, ſagte Panin zu Solms, wenn Friedrich ſeine Vorſtellungen in Dresden dahin mit denen Rußlands verbände, daß die Ruhe in Polen her- geſtellt werde 2). Solchergeſtalt ließ ſich die völlige Beruhigung in Polen hoffen, und in dieſer Hoffnung hatte Keyſerling gegen Ende Auguſt an Soltykow die Ordre zum Rückmarſch ertheilt 3). 1) Benoit, Dep. vom 6., 17., 24., 27. Auguſt. In der letztern ſagt Benoit von Mokranowski: „Ce galant homme qui possede le coeur et la confiance de presque tous ses compatriotes.“ 2) Benoit, Bericht vom 17. Auguſt. Solms, Bericht vom 5. u. 23. September bei Häuſſer, S. 84—85. 3) Benoit, Dep. vom 3. September.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/211>, abgerufen am 03.05.2024.