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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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nicki, als dieser grade die Mehrzahl der Senatoren bei sich zu
einer Berathung versammelt hatte. Man stellte ihm vor, daß
das vom Primas und den Bischöfen u. a. bereits unterschrie-
bene Manifest keinen anderen Zweck habe, als den König, der
durch die Zerreißung des Reichstages wegen angeblichen Bruchs
der Pacta conventa höchlichst gekränkt sei, einigermaßen zu
trösten und zu beruhigen, und der Krongroßfeldherr, der in
diesem Augenblick keinen seiner vertrauten Berather bei sich
hatte, ließ sich leicht überreden und unterschrieb, worauf das
Manifest in einen großen Saal gebracht ward, in welchem man
eine zahlreiche Menge von Landboten u. a. bereits versammelt
hatte. Während nun hier der Palatin von Plock, Podoski,
die Zweifelnden mit der Feder in der Hand zur Unterschrift
drängte, erschien plötzlich Mokranowski, welcher von einigen
Landboten, die, ohne zu unterschreiben, sich entfernt hatten, von
dem, was vorging, unterrichtet worden war, in dem Saal,
bemächtigte sich unter dem Vorwande auch seinerseits von dem
Manifest Kenntniß nehmen zu wollen des Actenstücks, und eilte
mit ihm durch eine Hinterthür zum preußischen Gesandten, bei
welchem eben zufällig in diesem Augenblick auch Graf Broglie
war. Aufgeregt und fast athemlos kann er ihnen nur die
Worte zurufen: siehe da, die Conföderation, deren ich mich
so eben in Mitte von 300 Personen bemächtigt habe. Die Ge-
sandten überrascht und erstaunt senden sofort zu ihren polnischen
Freunden, den Palatinen von Belz und Smolensk, um mit
ihnen zu berathen, wie der drohende Schlag zu pariren sei.
Deren erster Gedanke war, ein Gegenmanifest zu erlassen und
der Conföderation eine Gegenconföderation entgegenzusetzen:
man würde dann sehen, meinte der Palatin von Smolensk,
wer der stärkere sei. Allein die Gesandten waren anderer
Ansicht. Sie wollten es nicht zu dem Äußersten eines Bürger-
krieges kommen lassen, dessen Ausbruch Rußland sofort zum
Einschreiten mit Waffengewalt benutzen und ihre Regierungen
nur in neue Verwicklungen führen würde. Im Besitz des
Originals des Manifestes mit allen Unterschriften, erachteten
sie dasselbe als schon jetzt nicht mehr vorhanden, und daher

nicki, als dieſer grade die Mehrzahl der Senatoren bei ſich zu
einer Berathung verſammelt hatte. Man ſtellte ihm vor, daß
das vom Primas und den Biſchöfen u. a. bereits unterſchrie-
bene Manifeſt keinen anderen Zweck habe, als den König, der
durch die Zerreißung des Reichstages wegen angeblichen Bruchs
der Pacta conventa höchlichſt gekränkt ſei, einigermaßen zu
tröſten und zu beruhigen, und der Krongroßfeldherr, der in
dieſem Augenblick keinen ſeiner vertrauten Berather bei ſich
hatte, ließ ſich leicht überreden und unterſchrieb, worauf das
Manifeſt in einen großen Saal gebracht ward, in welchem man
eine zahlreiche Menge von Landboten u. a. bereits verſammelt
hatte. Während nun hier der Palatin von Plock, Podoski,
die Zweifelnden mit der Feder in der Hand zur Unterſchrift
drängte, erſchien plötzlich Mokranowski, welcher von einigen
Landboten, die, ohne zu unterſchreiben, ſich entfernt hatten, von
dem, was vorging, unterrichtet worden war, in dem Saal,
bemächtigte ſich unter dem Vorwande auch ſeinerſeits von dem
Manifeſt Kenntniß nehmen zu wollen des Actenſtücks, und eilte
mit ihm durch eine Hinterthür zum preußiſchen Geſandten, bei
welchem eben zufällig in dieſem Augenblick auch Graf Broglie
war. Aufgeregt und faſt athemlos kann er ihnen nur die
Worte zurufen: ſiehe da, die Conföderation, deren ich mich
ſo eben in Mitte von 300 Perſonen bemächtigt habe. Die Ge-
ſandten überraſcht und erſtaunt ſenden ſofort zu ihren polniſchen
Freunden, den Palatinen von Belz und Smolensk, um mit
ihnen zu berathen, wie der drohende Schlag zu pariren ſei.
Deren erſter Gedanke war, ein Gegenmanifeſt zu erlaſſen und
der Conföderation eine Gegenconföderation entgegenzuſetzen:
man würde dann ſehen, meinte der Palatin von Smolensk,
wer der ſtärkere ſei. Allein die Geſandten waren anderer
Anſicht. Sie wollten es nicht zu dem Äußerſten eines Bürger-
krieges kommen laſſen, deſſen Ausbruch Rußland ſofort zum
Einſchreiten mit Waffengewalt benutzen und ihre Regierungen
nur in neue Verwicklungen führen würde. Im Beſitz des
Originals des Manifeſtes mit allen Unterſchriften, erachteten
ſie daſſelbe als ſchon jetzt nicht mehr vorhanden, und daher

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[95/0109] nicki, als dieſer grade die Mehrzahl der Senatoren bei ſich zu einer Berathung verſammelt hatte. Man ſtellte ihm vor, daß das vom Primas und den Biſchöfen u. a. bereits unterſchrie- bene Manifeſt keinen anderen Zweck habe, als den König, der durch die Zerreißung des Reichstages wegen angeblichen Bruchs der Pacta conventa höchlichſt gekränkt ſei, einigermaßen zu tröſten und zu beruhigen, und der Krongroßfeldherr, der in dieſem Augenblick keinen ſeiner vertrauten Berather bei ſich hatte, ließ ſich leicht überreden und unterſchrieb, worauf das Manifeſt in einen großen Saal gebracht ward, in welchem man eine zahlreiche Menge von Landboten u. a. bereits verſammelt hatte. Während nun hier der Palatin von Plock, Podoski, die Zweifelnden mit der Feder in der Hand zur Unterſchrift drängte, erſchien plötzlich Mokranowski, welcher von einigen Landboten, die, ohne zu unterſchreiben, ſich entfernt hatten, von dem, was vorging, unterrichtet worden war, in dem Saal, bemächtigte ſich unter dem Vorwande auch ſeinerſeits von dem Manifeſt Kenntniß nehmen zu wollen des Actenſtücks, und eilte mit ihm durch eine Hinterthür zum preußiſchen Geſandten, bei welchem eben zufällig in dieſem Augenblick auch Graf Broglie war. Aufgeregt und faſt athemlos kann er ihnen nur die Worte zurufen: ſiehe da, die Conföderation, deren ich mich ſo eben in Mitte von 300 Perſonen bemächtigt habe. Die Ge- ſandten überraſcht und erſtaunt ſenden ſofort zu ihren polniſchen Freunden, den Palatinen von Belz und Smolensk, um mit ihnen zu berathen, wie der drohende Schlag zu pariren ſei. Deren erſter Gedanke war, ein Gegenmanifeſt zu erlaſſen und der Conföderation eine Gegenconföderation entgegenzuſetzen: man würde dann ſehen, meinte der Palatin von Smolensk, wer der ſtärkere ſei. Allein die Geſandten waren anderer Anſicht. Sie wollten es nicht zu dem Äußerſten eines Bürger- krieges kommen laſſen, deſſen Ausbruch Rußland ſofort zum Einſchreiten mit Waffengewalt benutzen und ihre Regierungen nur in neue Verwicklungen führen würde. Im Beſitz des Originals des Manifeſtes mit allen Unterſchriften, erachteten ſie daſſelbe als ſchon jetzt nicht mehr vorhanden, und daher

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/109>, abgerufen am 02.05.2024.