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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912.

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zu dienen hätten, nicht oder doch nicht ausschließlich durch den Staat zu erfolgen habe.

So traf das große Eisenbahndotationsgesetz vom 29. April 1869 in seinem Art. 2 auch Bestimmungen über die Ausführung einer neuen Art von Bahnen, der sog. Vizinalbahnen.

Solche Bahnen sollten vom Staate oder von Privaten mit Aussicht auf staatliche Unterstützung nur dann ausgeführt werden, wenn die Kosten des Grunderwerbs und der Herstellung der Erdarbeiten ohne Inanspruchnahme von Staatsmitteln durch die Bahninteressenten gesichert waren.

Zur Verminderung der Anlagekosten für diese Vizinalbahnen wurden größere Steigungen, kleinere Krümmungshalbmesser, eine geringere Breite der Bahnkrone und ein leichterer Oberbau zugelassen und ein hierfür geeignetes leichteres Fahrmaterial bestimmt.

Im Betriebe dieser Bahnen kam zwar eine ermäßigte Fahrgeschwindigkeit zur Anwendung, doch wurde ungeachtet der vereinfachten Betriebsweise noch die Bahnbewachung und die Schrankenbedienung vorgeschrieben.

Nach diesen Bestimmungen kamen auf Grund der Dotationsgesetze vom Jahre 1869, 1870, 1871, 1874 und 1876 14 staatliche Vizinalbahnen1 mit zusammen 167 km Baulänge zur Ausführung, wozu noch nach der Verstaatlichung der Ostbahnen die von dieser Gesellschaft erbaute Vizinalbahn Wiesau-Tirschenreuth mit 11 km Länge trat.

Den Betrieb der Vizinalbahnen führte der Staat, wofür ihm die Einnahmen als Entschädigung für den Betrieb und die Verzinsung des aus Staatsfonds aufgewendeten Kapitals insoweit verblieben, als die Roheinnahmen nicht das Dreifache der 41/2%igen Zinsen des staatlichen Bauaufwandes überstiegen. Aus dem Überschuß über diesen Betrag konnte den Interessenten eine Verzinsung und Tilgung des für Grunderwerbung und Erdarbeiten aufgewendeten Kapitals bis zu 5% gewährt werden.

Es zeigte sich indessen bald, daß die finanzielle Wirkung des Vizinalbahngesetzes für die Interessenten wenig günstig war. Abgesehen von einzelnen Ausnahmefällen gingen sie bei der Ertragsverteilung ganz leer aus. Hatte doch die Gesamteinnahme der 15 Vizinalbahnen von 750.873 M. im Jahre 1880 nach Abzug der Betriebsausgaben von 448.000 M. nur einen Überschuß von 307.400 M. ergeben, der das 11,618.400 M. betragende staatliche Anlagekapital nur mit 2·6% verzinste, während ein Reinüberschuß von weit über 11/2 Mill. M. erforderlich gewesen wäre, bis die Interessenten zu einem Anteil für die Verzinsung ihres Aufwandes von zusammen 3,736.000 M. hätten kommen können.

b) Staatliche Lokalbahnen. Es wurde daher unterm 14. Dezember 1881 dem Landtage ein Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Abänderung des Gesetzes vom 29. April 1869 über den Bau von Bahnen lokaler Bedeutung und eine Neuregelung der Verhältnisse bei den bestehenden Vizinalbahnen bezweckte.

Die Behandlung dieses Gesetzentwurfes im Landtage führte zu dem Gesetze vom 28. April 1882, die Behandlung der bestehenden Vizinalbahnen und den Bau von Sekundärbahnen betreffend, das bestimmte, daß bei sämtlichen bestehenden Vizinalbahnen den Interessenten die Hälfte des für die Erdarbeiten bestrittenen Aufwandes und den Interessenten, die auf die Überlassung von Einnahmeüberschüssen Verzicht leisteten, der volle Betrag dieses Aufwandes zurückzuvergüten sei. Für den Fall, daß dieser Verzicht nicht erfolgte, wurde die Regierung ermächtigt, vom 1. Januar 1882 an über die Überschüsse in der Weise zu verfügen, daß zunächst die Eisenbahnbetriebskasse einen 4%igen Zins des vom Staate aufgewendeten Baukapitals ohne Anrechnung der Erdarbeiten erhalte, und der weiter verbleibende Überschuß den Interessenten gegeben werde, die ihn zunächst zu einer 4%igen Verzinsung des ihnen zur Bestreitung verbleibenden Aufwandes für den Bahnbau, sodann aber zur Tilgung dieses Aufwandes zu verwenden hätten. Nach vollständiger Tilgung des Aufwandes der Interessenten sollte jeder Anspruch auf Anteilnahme an den Überschüssen wegfallen.

Über den Bau neuer Bahnen von lokaler Bedeutung wurde bestimmt, daß diese nur dann durch den Staat zur Ausführung kommen können, wenn die Interessenten wenigstens den zum Bau der Bahn und ihres Zubehörs nötigen Grund und Boden kostenfrei zur Verfügung stellten.

Unter der Voraussetzung der Übernahme entsprechender finanzieller Lasten durch die Interessenten sollen auch Zuschüsse des Staates in Form verlorener Beiträge an Privatunternehmungen zulässig sein.

Von den Interessenten der 15 Vizinalbahnen hatten mit Ausnahme der Marktgemeinde Sonthofen als Interessentin an der Vizinalbahn Immenstadt-Sonthofen sämtliche übrige von der ersten Form Gebrauch gemacht, so

1 Siegelsdorf-Langenzenn, Georgensgmünd-Spalt, Schwaben-Erding, Steinach-Rothenburg v. T., Immenstadt-Sonthofen, Holzkirchen-Tölz, Sinzing-Alling, Dombühl-Feuchtwangen, Biessenhofen-Oberdorf, Neustadt a. d. Aisch-Windsheim, Prien-Aschau, Senden-Weißenhorn, Feucht-Altdorf und Weilheim-Murnau.

zu dienen hätten, nicht oder doch nicht ausschließlich durch den Staat zu erfolgen habe.

So traf das große Eisenbahndotationsgesetz vom 29. April 1869 in seinem Art. 2 auch Bestimmungen über die Ausführung einer neuen Art von Bahnen, der sog. Vizinalbahnen.

Solche Bahnen sollten vom Staate oder von Privaten mit Aussicht auf staatliche Unterstützung nur dann ausgeführt werden, wenn die Kosten des Grunderwerbs und der Herstellung der Erdarbeiten ohne Inanspruchnahme von Staatsmitteln durch die Bahninteressenten gesichert waren.

Zur Verminderung der Anlagekosten für diese Vizinalbahnen wurden größere Steigungen, kleinere Krümmungshalbmesser, eine geringere Breite der Bahnkrone und ein leichterer Oberbau zugelassen und ein hierfür geeignetes leichteres Fahrmaterial bestimmt.

Im Betriebe dieser Bahnen kam zwar eine ermäßigte Fahrgeschwindigkeit zur Anwendung, doch wurde ungeachtet der vereinfachten Betriebsweise noch die Bahnbewachung und die Schrankenbedienung vorgeschrieben.

Nach diesen Bestimmungen kamen auf Grund der Dotationsgesetze vom Jahre 1869, 1870, 1871, 1874 und 1876 14 staatliche Vizinalbahnen1 mit zusammen 167 km Baulänge zur Ausführung, wozu noch nach der Verstaatlichung der Ostbahnen die von dieser Gesellschaft erbaute Vizinalbahn Wiesau-Tirschenreuth mit 11 km Länge trat.

Den Betrieb der Vizinalbahnen führte der Staat, wofür ihm die Einnahmen als Entschädigung für den Betrieb und die Verzinsung des aus Staatsfonds aufgewendeten Kapitals insoweit verblieben, als die Roheinnahmen nicht das Dreifache der 41/2%igen Zinsen des staatlichen Bauaufwandes überstiegen. Aus dem Überschuß über diesen Betrag konnte den Interessenten eine Verzinsung und Tilgung des für Grunderwerbung und Erdarbeiten aufgewendeten Kapitals bis zu 5% gewährt werden.

Es zeigte sich indessen bald, daß die finanzielle Wirkung des Vizinalbahngesetzes für die Interessenten wenig günstig war. Abgesehen von einzelnen Ausnahmefällen gingen sie bei der Ertragsverteilung ganz leer aus. Hatte doch die Gesamteinnahme der 15 Vizinalbahnen von 750.873 M. im Jahre 1880 nach Abzug der Betriebsausgaben von 448.000 M. nur einen Überschuß von 307.400 M. ergeben, der das 11,618.400 M. betragende staatliche Anlagekapital nur mit 2·6% verzinste, während ein Reinüberschuß von weit über 11/2 Mill. M. erforderlich gewesen wäre, bis die Interessenten zu einem Anteil für die Verzinsung ihres Aufwandes von zusammen 3,736.000 M. hätten kommen können.

b) Staatliche Lokalbahnen. Es wurde daher unterm 14. Dezember 1881 dem Landtage ein Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Abänderung des Gesetzes vom 29. April 1869 über den Bau von Bahnen lokaler Bedeutung und eine Neuregelung der Verhältnisse bei den bestehenden Vizinalbahnen bezweckte.

Die Behandlung dieses Gesetzentwurfes im Landtage führte zu dem Gesetze vom 28. April 1882, die Behandlung der bestehenden Vizinalbahnen und den Bau von Sekundärbahnen betreffend, das bestimmte, daß bei sämtlichen bestehenden Vizinalbahnen den Interessenten die Hälfte des für die Erdarbeiten bestrittenen Aufwandes und den Interessenten, die auf die Überlassung von Einnahmeüberschüssen Verzicht leisteten, der volle Betrag dieses Aufwandes zurückzuvergüten sei. Für den Fall, daß dieser Verzicht nicht erfolgte, wurde die Regierung ermächtigt, vom 1. Januar 1882 an über die Überschüsse in der Weise zu verfügen, daß zunächst die Eisenbahnbetriebskasse einen 4%igen Zins des vom Staate aufgewendeten Baukapitals ohne Anrechnung der Erdarbeiten erhalte, und der weiter verbleibende Überschuß den Interessenten gegeben werde, die ihn zunächst zu einer 4%igen Verzinsung des ihnen zur Bestreitung verbleibenden Aufwandes für den Bahnbau, sodann aber zur Tilgung dieses Aufwandes zu verwenden hätten. Nach vollständiger Tilgung des Aufwandes der Interessenten sollte jeder Anspruch auf Anteilnahme an den Überschüssen wegfallen.

Über den Bau neuer Bahnen von lokaler Bedeutung wurde bestimmt, daß diese nur dann durch den Staat zur Ausführung kommen können, wenn die Interessenten wenigstens den zum Bau der Bahn und ihres Zubehörs nötigen Grund und Boden kostenfrei zur Verfügung stellten.

Unter der Voraussetzung der Übernahme entsprechender finanzieller Lasten durch die Interessenten sollen auch Zuschüsse des Staates in Form verlorener Beiträge an Privatunternehmungen zulässig sein.

Von den Interessenten der 15 Vizinalbahnen hatten mit Ausnahme der Marktgemeinde Sonthofen als Interessentin an der Vizinalbahn Immenstadt-Sonthofen sämtliche übrige von der ersten Form Gebrauch gemacht, so

1 Siegelsdorf-Langenzenn, Georgensgmünd-Spalt, Schwaben-Erding, Steinach-Rothenburg v. T., Immenstadt-Sonthofen, Holzkirchen-Tölz, Sinzing-Alling, Dombühl-Feuchtwangen, Biessenhofen-Oberdorf, Neustadt a. d. Aisch-Windsheim, Prien-Aschau, Senden-Weißenhorn, Feucht-Altdorf und Weilheim-Murnau.
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[51/0059] zu dienen hätten, nicht oder doch nicht ausschließlich durch den Staat zu erfolgen habe. So traf das große Eisenbahndotationsgesetz vom 29. April 1869 in seinem Art. 2 auch Bestimmungen über die Ausführung einer neuen Art von Bahnen, der sog. Vizinalbahnen. Solche Bahnen sollten vom Staate oder von Privaten mit Aussicht auf staatliche Unterstützung nur dann ausgeführt werden, wenn die Kosten des Grunderwerbs und der Herstellung der Erdarbeiten ohne Inanspruchnahme von Staatsmitteln durch die Bahninteressenten gesichert waren. Zur Verminderung der Anlagekosten für diese Vizinalbahnen wurden größere Steigungen, kleinere Krümmungshalbmesser, eine geringere Breite der Bahnkrone und ein leichterer Oberbau zugelassen und ein hierfür geeignetes leichteres Fahrmaterial bestimmt. Im Betriebe dieser Bahnen kam zwar eine ermäßigte Fahrgeschwindigkeit zur Anwendung, doch wurde ungeachtet der vereinfachten Betriebsweise noch die Bahnbewachung und die Schrankenbedienung vorgeschrieben. Nach diesen Bestimmungen kamen auf Grund der Dotationsgesetze vom Jahre 1869, 1870, 1871, 1874 und 1876 14 staatliche Vizinalbahnen 1 mit zusammen 167 km Baulänge zur Ausführung, wozu noch nach der Verstaatlichung der Ostbahnen die von dieser Gesellschaft erbaute Vizinalbahn Wiesau-Tirschenreuth mit 11 km Länge trat. Den Betrieb der Vizinalbahnen führte der Staat, wofür ihm die Einnahmen als Entschädigung für den Betrieb und die Verzinsung des aus Staatsfonds aufgewendeten Kapitals insoweit verblieben, als die Roheinnahmen nicht das Dreifache der 41/2%igen Zinsen des staatlichen Bauaufwandes überstiegen. Aus dem Überschuß über diesen Betrag konnte den Interessenten eine Verzinsung und Tilgung des für Grunderwerbung und Erdarbeiten aufgewendeten Kapitals bis zu 5% gewährt werden. Es zeigte sich indessen bald, daß die finanzielle Wirkung des Vizinalbahngesetzes für die Interessenten wenig günstig war. Abgesehen von einzelnen Ausnahmefällen gingen sie bei der Ertragsverteilung ganz leer aus. Hatte doch die Gesamteinnahme der 15 Vizinalbahnen von 750.873 M. im Jahre 1880 nach Abzug der Betriebsausgaben von 448.000 M. nur einen Überschuß von 307.400 M. ergeben, der das 11,618.400 M. betragende staatliche Anlagekapital nur mit 2·6% verzinste, während ein Reinüberschuß von weit über 11/2 Mill. M. erforderlich gewesen wäre, bis die Interessenten zu einem Anteil für die Verzinsung ihres Aufwandes von zusammen 3,736.000 M. hätten kommen können. b) Staatliche Lokalbahnen. Es wurde daher unterm 14. Dezember 1881 dem Landtage ein Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Abänderung des Gesetzes vom 29. April 1869 über den Bau von Bahnen lokaler Bedeutung und eine Neuregelung der Verhältnisse bei den bestehenden Vizinalbahnen bezweckte. Die Behandlung dieses Gesetzentwurfes im Landtage führte zu dem Gesetze vom 28. April 1882, die Behandlung der bestehenden Vizinalbahnen und den Bau von Sekundärbahnen betreffend, das bestimmte, daß bei sämtlichen bestehenden Vizinalbahnen den Interessenten die Hälfte des für die Erdarbeiten bestrittenen Aufwandes und den Interessenten, die auf die Überlassung von Einnahmeüberschüssen Verzicht leisteten, der volle Betrag dieses Aufwandes zurückzuvergüten sei. Für den Fall, daß dieser Verzicht nicht erfolgte, wurde die Regierung ermächtigt, vom 1. Januar 1882 an über die Überschüsse in der Weise zu verfügen, daß zunächst die Eisenbahnbetriebskasse einen 4%igen Zins des vom Staate aufgewendeten Baukapitals ohne Anrechnung der Erdarbeiten erhalte, und der weiter verbleibende Überschuß den Interessenten gegeben werde, die ihn zunächst zu einer 4%igen Verzinsung des ihnen zur Bestreitung verbleibenden Aufwandes für den Bahnbau, sodann aber zur Tilgung dieses Aufwandes zu verwenden hätten. Nach vollständiger Tilgung des Aufwandes der Interessenten sollte jeder Anspruch auf Anteilnahme an den Überschüssen wegfallen. Über den Bau neuer Bahnen von lokaler Bedeutung wurde bestimmt, daß diese nur dann durch den Staat zur Ausführung kommen können, wenn die Interessenten wenigstens den zum Bau der Bahn und ihres Zubehörs nötigen Grund und Boden kostenfrei zur Verfügung stellten. Unter der Voraussetzung der Übernahme entsprechender finanzieller Lasten durch die Interessenten sollen auch Zuschüsse des Staates in Form verlorener Beiträge an Privatunternehmungen zulässig sein. Von den Interessenten der 15 Vizinalbahnen hatten mit Ausnahme der Marktgemeinde Sonthofen als Interessentin an der Vizinalbahn Immenstadt-Sonthofen sämtliche übrige von der ersten Form Gebrauch gemacht, so 1 Siegelsdorf-Langenzenn, Georgensgmünd-Spalt, Schwaben-Erding, Steinach-Rothenburg v. T., Immenstadt-Sonthofen, Holzkirchen-Tölz, Sinzing-Alling, Dombühl-Feuchtwangen, Biessenhofen-Oberdorf, Neustadt a. d. Aisch-Windsheim, Prien-Aschau, Senden-Weißenhorn, Feucht-Altdorf und Weilheim-Murnau.

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen02_1912/59>, abgerufen am 11.12.2024.