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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912.

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Diesen starren Zwang für Regierung und Stände gab das Gesetz vom 4. September 1853, betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen des revidierten Staatsschuldenstatuts vom 22. Februar 1837, auf. Es bestimmte nämlich, daß der für jedes Jahr auszusetzende Kapitaltilgungsfonds für die kündbare Schuld nach den den einzelnen Bestandteilen dieser Schuld zu grunde liegenden vertragsmäßigen Bestimmungen über deren Tilgung zu bemessen sei.

Die Zwangstilgung blieb also bestehen, aber die Art der Tilgung wurde dadurch beweglicher gemacht, daß die näheren Bestimmungen der vertragsmäßigen Regelung überlassen wurden. In der Tat wurde auch die Tilgungsdauer und der Beginn der Tilgung bei den Tilgungsplänen der einzelnen Anlehen ganz verschieden festgesetzt. Durchwegs wurde bestimmt, daß die Gläubiger ein Recht zur Kündigung nicht haben und daß die Rückzahlung durch die im Tilgungsplane berechneten Annuitäten erfolgen solle. Die heimzuzahlenden Schuldverschreibungen wurden im Wege der Verlosung bestimmt.

Um dieselbe Zeit, zu der Bayern durch den Übergang zur freien Tilgung die Schuldentilgung fast ganz aufgab, empfand auch Württemberg das Bedürfnis, der Staatsschuldenverwaltung noch mehr freie Hand zu verschaffen. Die Regierung legte Ende 1880 einen Gesetzentwurf vor, der es der Schuldenverwaltung überlassen wollte, hinsichtlich der Tilgung entweder wie vorher zu verfahren, nach Umständen aber von der Vereinbarung eines Tilgungsplanes ganz abzusehen und die Tilgung den vorhandenen Mitteln anzupassen.

Aus diesen Erwägungen entstand das Gesetz vom 20. März 1881, betreffend die Staatsschuld. Es bestimmte in Art. 1:

"Zu Art. 1 des Gesetzes vom 4. September 1853, betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen des revidierten Staatsschuldenstatuts vom 22. Februar 1837 (RBl. S. 360), wird bestimmt, daß bei den von nun an bis zum Ablauf der Finanzperiode 1881/83 aufzunehmenden Staatsanlehen rücksichtlich der Tilgung vertragsmäßig festgesetzt werden darf, daß diese Tilgung entweder in jährlichen Raten nach einem zum voraus festgestellten Plane stattzufinden, oder daß sie sich nach den Bestimmungen zu richten hat, welche im Wege der Gesetzgebung werden getroffen werden.

Jedoch ist auch im letzteren Falle der Schlußtermin der Heimzahlung zum voraus festzusetzen."

Damit war der Übergang zur freien Tilgung, allerdings nicht ohne zeitliche Schranken, vollzogen.

Diese Erleichterung wurde wegen der schwierigen Finanzlage durch das Finanzgesetz für die Periode 1883/85 auch auf die Anlehen dieser Finanzperiode ausgedehnt.

Die Regierung versuchte auch für die Finanzperiode 1885/87 die gleiche Erleichterung zu erlangen; sie machte geltend, daß die Geldgeber keine Bedenken hegen, daß sie mehr auf sicheren Zinsgenuß, als auf Heimzahlung sehen, daß der Übergang zur freien Tilgung nicht ungünstig auf den Kursstand eingewirkt habe. Für die Schuldenverwaltung sei die größere Bewegungsfreiheit von entschiedenem Wert, da sie es möglich mache, innerhalb der bestimmten Zeit die Tilgung so vorzunehmen, wie es die Finanzlage gestattet. Der Regierungsantrag wurde jedoch abgelehnt und die Regierung hat Anträge in dieser Richtung nicht mehr gestellt. Es war offenbar bereits eine gewisse Abkehr von dem System der freien Tilgung in der Entwicklung begriffen.

Das Gesetz vom 18. Mai 1903, betreffend die Tilgung der Staatsschuld und die Umwandlung des 4%igen Staatsanlehens von 1891/92 in eine 31/2%ige Schuld (RBl. S. 201), kehrte teilweise wieder zu den vorsichtigen Grundsätzen der alten Schuldenstatute zurück, nahm sie allerdings nur in sehr gemilderter Form auf. Es bestimmte u. a.:

Art. 1. Vom 1. April 1903 ab ist in jedem Rechnungsjahr eine Tilgung in der Höhe von mindestens 3/5% der am Anfang des Rechnungsjahres bestehenden verzinslichen Staatsschuld vorzunehmen. Die Tilgung findet entweder durch Rückkauf oder durch Kündigung oder teils durch Rückkauf, teils durch Kündigung statt. Eine Verrechnung auf verwilligte Anlehen ist einer Tilgung gleichzuachten. Die Tilgung auf dem Wege der Verlosung einzelner Schuldverschreibungen ist für künftige Anlehen ausgeschlossen.

Die erforderlichen Beträge sind durch den Hauptfinanzetat unter Einrechnung der für eine vertragsmäßige Tilgung von Staatsschulden bestimmten Summen bereitzustellen. Soweit die vertragsmäßigen Tilgungsbeträge den in Abs. 1 bestimmten Tilgungsbetrag übersteigen, bleibt es bei den vertragsmäßigen Tilgungsbeträgen.

Art. 2. Ergibt sich nach der Jahresrechnung ein Überschuß des Staatshaushaltes, so sind im folgenden Rechnungsjahre neben der nach Art. 1 erfolgenden Tilgung zwei Fünftel des Überschusses zur Schuldentilgung bzw. Verrechnung auf verwilligte Anlehen zu verwenden.

Damit war die Rückkehr zur gesetzlichen Zwangstilgung vollzogen.

Die Begründung des württembergischen Gesetzes von 1903 läßt erkennen, daß man es vorgezogen hätte, anstatt des Mindestsatzes von 3/5% eine Tilgung von wenigstens 4/5% der Schuld im Gesetze vorzuschreiben, daß man aber aus finanziellen Erwägungen von dieser strengeren Vorschrift Abstand nahm.

Die Entwicklung des Deutschen Reiches läßt in der neuesten Zeit eine rasch zunehmende Verschärfung der Anschauungen über das Maß des erforderlichen Tilgungsprozentes erkennen.

Die Begründung zum Entwurf des Reichsgesetzes vom 15. Juli 1909, betreffend Änderungen im Finanzwesen, sagt (Reichstagsverhandlungen 1908/09; Anlagenband 10, Anlage 992, S. 10) über die Reform des Schuldenwesens:

"Feste Normen hinsichtlich der Schuldentilgung seien erst durch das Gesetz vom 3. Juni 1906 (RGBl. S. 620) geschaffen worden. Vorher habe nur vorübergehend in einzelnen Jahren eine Tilgung stattgefunden, u. zw. lediglich durch Herabsetzung des Anleihesolls."

Dieses Gesetz vom 3. Juni 1906, betreffend die Ordnung des Reichshaushalts und die Tilgung der Reichsschuld, bestimmt in § 4, daß die Reichsanleiheschuld vom Jahre 1908 ab jährlich mit wenigstens 3/5% des sich jeweils nach der Denkschrift über die Ausführung der Anleihegesetze ergebenden Schuldbetrages - also mit dem gleichen Satze, wie ihn das württembergische Gesetz vom 18. Mai 1903 vorschreibt - zu tilgen ist, daß eine Absetzung vom Anleihesoll, d. h. eine Verrechnung auf bewilligte Anlehen, der Tilgung gleichzuachten ist, und daß die zur Tilgung erforderlichen Beträge im Etat bereitzustellen sind.

Diese Bestimmungen haben mangels ausreichender Mittel keine Verwirklichung gefunden.

Viel strenger sind die Vorschriften, die das Reichsgesetz vom 15. Juli 1909, betreffend Änderungen

Diesen starren Zwang für Regierung und Stände gab das Gesetz vom 4. September 1853, betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen des revidierten Staatsschuldenstatuts vom 22. Februar 1837, auf. Es bestimmte nämlich, daß der für jedes Jahr auszusetzende Kapitaltilgungsfonds für die kündbare Schuld nach den den einzelnen Bestandteilen dieser Schuld zu grunde liegenden vertragsmäßigen Bestimmungen über deren Tilgung zu bemessen sei.

Die Zwangstilgung blieb also bestehen, aber die Art der Tilgung wurde dadurch beweglicher gemacht, daß die näheren Bestimmungen der vertragsmäßigen Regelung überlassen wurden. In der Tat wurde auch die Tilgungsdauer und der Beginn der Tilgung bei den Tilgungsplänen der einzelnen Anlehen ganz verschieden festgesetzt. Durchwegs wurde bestimmt, daß die Gläubiger ein Recht zur Kündigung nicht haben und daß die Rückzahlung durch die im Tilgungsplane berechneten Annuitäten erfolgen solle. Die heimzuzahlenden Schuldverschreibungen wurden im Wege der Verlosung bestimmt.

Um dieselbe Zeit, zu der Bayern durch den Übergang zur freien Tilgung die Schuldentilgung fast ganz aufgab, empfand auch Württemberg das Bedürfnis, der Staatsschuldenverwaltung noch mehr freie Hand zu verschaffen. Die Regierung legte Ende 1880 einen Gesetzentwurf vor, der es der Schuldenverwaltung überlassen wollte, hinsichtlich der Tilgung entweder wie vorher zu verfahren, nach Umständen aber von der Vereinbarung eines Tilgungsplanes ganz abzusehen und die Tilgung den vorhandenen Mitteln anzupassen.

Aus diesen Erwägungen entstand das Gesetz vom 20. März 1881, betreffend die Staatsschuld. Es bestimmte in Art. 1:

„Zu Art. 1 des Gesetzes vom 4. September 1853, betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen des revidierten Staatsschuldenstatuts vom 22. Februar 1837 (RBl. S. 360), wird bestimmt, daß bei den von nun an bis zum Ablauf der Finanzperiode 1881/83 aufzunehmenden Staatsanlehen rücksichtlich der Tilgung vertragsmäßig festgesetzt werden darf, daß diese Tilgung entweder in jährlichen Raten nach einem zum voraus festgestellten Plane stattzufinden, oder daß sie sich nach den Bestimmungen zu richten hat, welche im Wege der Gesetzgebung werden getroffen werden.

Jedoch ist auch im letzteren Falle der Schlußtermin der Heimzahlung zum voraus festzusetzen.“

Damit war der Übergang zur freien Tilgung, allerdings nicht ohne zeitliche Schranken, vollzogen.

Diese Erleichterung wurde wegen der schwierigen Finanzlage durch das Finanzgesetz für die Periode 1883/85 auch auf die Anlehen dieser Finanzperiode ausgedehnt.

Die Regierung versuchte auch für die Finanzperiode 1885/87 die gleiche Erleichterung zu erlangen; sie machte geltend, daß die Geldgeber keine Bedenken hegen, daß sie mehr auf sicheren Zinsgenuß, als auf Heimzahlung sehen, daß der Übergang zur freien Tilgung nicht ungünstig auf den Kursstand eingewirkt habe. Für die Schuldenverwaltung sei die größere Bewegungsfreiheit von entschiedenem Wert, da sie es möglich mache, innerhalb der bestimmten Zeit die Tilgung so vorzunehmen, wie es die Finanzlage gestattet. Der Regierungsantrag wurde jedoch abgelehnt und die Regierung hat Anträge in dieser Richtung nicht mehr gestellt. Es war offenbar bereits eine gewisse Abkehr von dem System der freien Tilgung in der Entwicklung begriffen.

Das Gesetz vom 18. Mai 1903, betreffend die Tilgung der Staatsschuld und die Umwandlung des 4%igen Staatsanlehens von 1891/92 in eine 31/2%ige Schuld (RBl. S. 201), kehrte teilweise wieder zu den vorsichtigen Grundsätzen der alten Schuldenstatute zurück, nahm sie allerdings nur in sehr gemilderter Form auf. Es bestimmte u. a.:

Art. 1. Vom 1. April 1903 ab ist in jedem Rechnungsjahr eine Tilgung in der Höhe von mindestens 3/5% der am Anfang des Rechnungsjahres bestehenden verzinslichen Staatsschuld vorzunehmen. Die Tilgung findet entweder durch Rückkauf oder durch Kündigung oder teils durch Rückkauf, teils durch Kündigung statt. Eine Verrechnung auf verwilligte Anlehen ist einer Tilgung gleichzuachten. Die Tilgung auf dem Wege der Verlosung einzelner Schuldverschreibungen ist für künftige Anlehen ausgeschlossen.

Die erforderlichen Beträge sind durch den Hauptfinanzetat unter Einrechnung der für eine vertragsmäßige Tilgung von Staatsschulden bestimmten Summen bereitzustellen. Soweit die vertragsmäßigen Tilgungsbeträge den in Abs. 1 bestimmten Tilgungsbetrag übersteigen, bleibt es bei den vertragsmäßigen Tilgungsbeträgen.

Art. 2. Ergibt sich nach der Jahresrechnung ein Überschuß des Staatshaushaltes, so sind im folgenden Rechnungsjahre neben der nach Art. 1 erfolgenden Tilgung zwei Fünftel des Überschusses zur Schuldentilgung bzw. Verrechnung auf verwilligte Anlehen zu verwenden.

Damit war die Rückkehr zur gesetzlichen Zwangstilgung vollzogen.

Die Begründung des württembergischen Gesetzes von 1903 läßt erkennen, daß man es vorgezogen hätte, anstatt des Mindestsatzes von 3/5% eine Tilgung von wenigstens 4/5% der Schuld im Gesetze vorzuschreiben, daß man aber aus finanziellen Erwägungen von dieser strengeren Vorschrift Abstand nahm.

Die Entwicklung des Deutschen Reiches läßt in der neuesten Zeit eine rasch zunehmende Verschärfung der Anschauungen über das Maß des erforderlichen Tilgungsprozentes erkennen.

Die Begründung zum Entwurf des Reichsgesetzes vom 15. Juli 1909, betreffend Änderungen im Finanzwesen, sagt (Reichstagsverhandlungen 1908/09; Anlagenband 10, Anlage 992, S. 10) über die Reform des Schuldenwesens:

Feste Normen hinsichtlich der Schuldentilgung seien erst durch das Gesetz vom 3. Juni 1906 (RGBl. S. 620) geschaffen worden. Vorher habe nur vorübergehend in einzelnen Jahren eine Tilgung stattgefunden, u. zw. lediglich durch Herabsetzung des Anleihesolls.“

Dieses Gesetz vom 3. Juni 1906, betreffend die Ordnung des Reichshaushalts und die Tilgung der Reichsschuld, bestimmt in § 4, daß die Reichsanleiheschuld vom Jahre 1908 ab jährlich mit wenigstens 3/5% des sich jeweils nach der Denkschrift über die Ausführung der Anleihegesetze ergebenden Schuldbetrages – also mit dem gleichen Satze, wie ihn das württembergische Gesetz vom 18. Mai 1903 vorschreibt – zu tilgen ist, daß eine Absetzung vom Anleihesoll, d. h. eine Verrechnung auf bewilligte Anlehen, der Tilgung gleichzuachten ist, und daß die zur Tilgung erforderlichen Beträge im Etat bereitzustellen sind.

Diese Bestimmungen haben mangels ausreichender Mittel keine Verwirklichung gefunden.

Viel strenger sind die Vorschriften, die das Reichsgesetz vom 15. Juli 1909, betreffend Änderungen

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[174/0183] Diesen starren Zwang für Regierung und Stände gab das Gesetz vom 4. September 1853, betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen des revidierten Staatsschuldenstatuts vom 22. Februar 1837, auf. Es bestimmte nämlich, daß der für jedes Jahr auszusetzende Kapitaltilgungsfonds für die kündbare Schuld nach den den einzelnen Bestandteilen dieser Schuld zu grunde liegenden vertragsmäßigen Bestimmungen über deren Tilgung zu bemessen sei. Die Zwangstilgung blieb also bestehen, aber die Art der Tilgung wurde dadurch beweglicher gemacht, daß die näheren Bestimmungen der vertragsmäßigen Regelung überlassen wurden. In der Tat wurde auch die Tilgungsdauer und der Beginn der Tilgung bei den Tilgungsplänen der einzelnen Anlehen ganz verschieden festgesetzt. Durchwegs wurde bestimmt, daß die Gläubiger ein Recht zur Kündigung nicht haben und daß die Rückzahlung durch die im Tilgungsplane berechneten Annuitäten erfolgen solle. 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Juli 1909, betreffend Änderungen im Finanzwesen, sagt (Reichstagsverhandlungen 1908/09; Anlagenband 10, Anlage 992, S. 10) über die Reform des Schuldenwesens: „Feste Normen hinsichtlich der Schuldentilgung seien erst durch das Gesetz vom 3. Juni 1906 (RGBl. S. 620) geschaffen worden. Vorher habe nur vorübergehend in einzelnen Jahren eine Tilgung stattgefunden, u. zw. lediglich durch Herabsetzung des Anleihesolls.“ Dieses Gesetz vom 3. Juni 1906, betreffend die Ordnung des Reichshaushalts und die Tilgung der Reichsschuld, bestimmt in § 4, daß die Reichsanleiheschuld vom Jahre 1908 ab jährlich mit wenigstens 3/5% des sich jeweils nach der Denkschrift über die Ausführung der Anleihegesetze ergebenden Schuldbetrages – also mit dem gleichen Satze, wie ihn das württembergische Gesetz vom 18. 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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen01_1912/183>, abgerufen am 22.11.2024.