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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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hier wie öfter, um anzudeuten, dass der Autor auf die ausführliche
Darlegung der näheren Umstände verzichtet 5). Hygin kann also
das Opfer nicht erwähnt haben.

Es ist klar, dass, um die ursprüngliche griechische Sagen-
form zu erhalten, zunächst diese sämtlichen Zusätze aus Vergil
auszuscheiden sind. Dann lautet die Fabel folgendermassen:
Laocoon Capyos filius Anchisae frater Apollinis sacerdos contra
voluntatem Apollinis cum uxorem duxisset atque liberos pro-
creasset, Apollo occasione data dracones misit duos, qui filios
eius Antiphatem et Thymbraeum necarent
. Der Schluss ist offen-
bar durch die Interpolation verdrängt; es kann diesem Um-
stand zugeschrieben werden, dass von einem Zusammenhang mit
dem Auszug des Aineias nicht die Rede ist, aber andererseits
muss darauf hingewiesen werden, dass nach dieser Fassung ein
solcher Zusammenhang auch nicht notwendig war, ja dass es gar
nicht gesagt ist, ob die Katastrophe gerade mit dem Unter-
gang Ilions zusammentrifft; sie kann lange vorher, vielleicht
überhaupt vor die Ankunft der Griechen, gefallen sein. Das
Charakteristische dieser Version ist, dass Laokoon eine Schuld
auf sich geladen hat und für sie büsst; Apollo hat dem Laokoon
verboten, sich zu vermählen -- ein aus der Laiossage bekanntes
Motiv; -- da er dies Verbot übertritt, rächt Apollo den Un-
gehorsam an der Frucht dieses Ehebündnisses, und darum müssen
nach dieser Version beide Söhne, nicht einer, wie bei Arktinos,
sterben; aber auch, wenigstens nach der Absicht des Gottes, nur
die Söhne. Es wäre zwar möglich, dass auch in dieser Version
der Vater umkam, sei es, dass er, wie bei Vergil, den Knaben
Hilfe bringen wollte und dabei selbst von den Schlangen um-
strickt wurde, sei es, dass er sich aus Verzweiflung über den
Tod seiner Söhne selbst den Tod gab; aber Nichts berechtigt
uns, diese Möglichkeit als sichere Thatsache hinzustellen, zumal
auch Quintus Smyrnaeus den Laokoon seine Söhne überleben
lässt -- gewiss nach älterer poetischer Tradition.

Dieselbe oder eine sehr ähnliche Sagenform, wie wir sie

5) Hygin schreibt auch so occasione nacta, s. Muncker zu Fab. I Anm. e.

hier wie öfter, um anzudeuten, daſs der Autor auf die ausführliche
Darlegung der näheren Umstände verzichtet 5). Hygin kann also
das Opfer nicht erwähnt haben.

Es ist klar, daſs, um die ursprüngliche griechische Sagen-
form zu erhalten, zunächst diese sämtlichen Zusätze aus Vergil
auszuscheiden sind. Dann lautet die Fabel folgendermaſsen:
Laocoon Capyos filius Anchisae frater Apollinis sacerdos contra
voluntatem Apollinis cum uxorem duxisset atque liberos pro-
creasset, Apollo occasione data dracones misit duos, qui filios
eius Antiphatem et Thymbraeum necarent
. Der Schluſs ist offen-
bar durch die Interpolation verdrängt; es kann diesem Um-
stand zugeschrieben werden, daſs von einem Zusammenhang mit
dem Auszug des Aineias nicht die Rede ist, aber andererseits
muſs darauf hingewiesen werden, daſs nach dieser Fassung ein
solcher Zusammenhang auch nicht notwendig war, ja daſs es gar
nicht gesagt ist, ob die Katastrophe gerade mit dem Unter-
gang Ilions zusammentrifft; sie kann lange vorher, vielleicht
überhaupt vor die Ankunft der Griechen, gefallen sein. Das
Charakteristische dieser Version ist, daſs Laokoon eine Schuld
auf sich geladen hat und für sie büſst; Apollo hat dem Laokoon
verboten, sich zu vermählen — ein aus der Laiossage bekanntes
Motiv; — da er dies Verbot übertritt, rächt Apollo den Un-
gehorsam an der Frucht dieses Ehebündnisses, und darum müssen
nach dieser Version beide Söhne, nicht einer, wie bei Arktinos,
sterben; aber auch, wenigstens nach der Absicht des Gottes, nur
die Söhne. Es wäre zwar möglich, daſs auch in dieser Version
der Vater umkam, sei es, daſs er, wie bei Vergil, den Knaben
Hilfe bringen wollte und dabei selbst von den Schlangen um-
strickt wurde, sei es, daſs er sich aus Verzweiflung über den
Tod seiner Söhne selbst den Tod gab; aber Nichts berechtigt
uns, diese Möglichkeit als sichere Thatsache hinzustellen, zumal
auch Quintus Smyrnaeus den Laokoon seine Söhne überleben
läſst — gewiſs nach älterer poetischer Tradition.

Dieselbe oder eine sehr ähnliche Sagenform, wie wir sie

5) Hygin schreibt auch so occasione nacta, s. Muncker zu Fab. I Anm. e.
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[196/0210] hier wie öfter, um anzudeuten, daſs der Autor auf die ausführliche Darlegung der näheren Umstände verzichtet 5). Hygin kann also das Opfer nicht erwähnt haben. Es ist klar, daſs, um die ursprüngliche griechische Sagen- form zu erhalten, zunächst diese sämtlichen Zusätze aus Vergil auszuscheiden sind. Dann lautet die Fabel folgendermaſsen: Laocoon Capyos filius Anchisae frater Apollinis sacerdos contra voluntatem Apollinis cum uxorem duxisset atque liberos pro- creasset, Apollo occasione data dracones misit duos, qui filios eius Antiphatem et Thymbraeum necarent. Der Schluſs ist offen- bar durch die Interpolation verdrängt; es kann diesem Um- stand zugeschrieben werden, daſs von einem Zusammenhang mit dem Auszug des Aineias nicht die Rede ist, aber andererseits muſs darauf hingewiesen werden, daſs nach dieser Fassung ein solcher Zusammenhang auch nicht notwendig war, ja daſs es gar nicht gesagt ist, ob die Katastrophe gerade mit dem Unter- gang Ilions zusammentrifft; sie kann lange vorher, vielleicht überhaupt vor die Ankunft der Griechen, gefallen sein. Das Charakteristische dieser Version ist, daſs Laokoon eine Schuld auf sich geladen hat und für sie büſst; Apollo hat dem Laokoon verboten, sich zu vermählen — ein aus der Laiossage bekanntes Motiv; — da er dies Verbot übertritt, rächt Apollo den Un- gehorsam an der Frucht dieses Ehebündnisses, und darum müssen nach dieser Version beide Söhne, nicht einer, wie bei Arktinos, sterben; aber auch, wenigstens nach der Absicht des Gottes, nur die Söhne. Es wäre zwar möglich, daſs auch in dieser Version der Vater umkam, sei es, daſs er, wie bei Vergil, den Knaben Hilfe bringen wollte und dabei selbst von den Schlangen um- strickt wurde, sei es, daſs er sich aus Verzweiflung über den Tod seiner Söhne selbst den Tod gab; aber Nichts berechtigt uns, diese Möglichkeit als sichere Thatsache hinzustellen, zumal auch Quintus Smyrnaeus den Laokoon seine Söhne überleben läſst — gewiſs nach älterer poetischer Tradition. Dieselbe oder eine sehr ähnliche Sagenform, wie wir sie 5) Hygin schreibt auch so occasione nacta, s. Muncker zu Fab. I Anm. e.

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/210>, abgerufen am 24.11.2024.