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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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post ipsum auxilio subeuntem ac tela ferentem
corripiunt spirisque ligant ingentibus,

und mit 229
scelus expendisse merentem
Laocoonta ferunt, sacrum qui cuspide robur
laeserit et tergo sceleratam intorserit hastam.

Auf letztere Übereinstimmung hat auch schon M. Schmidt hin-
gewiesen; aber auch schon vorher stimmt, wie derselbe Heraus-
geber bemerkt, der Satz sorte ductus -- Neptuno ad litus fast
wörtlich mit Vergil überein, er ist einfach Paraphrase von 201:
Laocoon ductus Neptuno sorte sacerdos,

und ebenso wird man die Worte a Tenedo per fluctus maris,
gleichfalls nach Schmidts Vorgang, auf 203:
ecce autem gemini a Tenedo tranquilla per alta

zurückzuführen haben. Ob diese Zusätze aus Vergil von Hygin
selbst oder einem späteren Interpolator herrühren, der das Fabel-
buch mit dem Hauptgedicht der Schullektüre gerade so in Ein-
klang setzen wollte, wie die griechischen Schulmeister ihre
mythologischen Handbücher mit Homer, ist für die hier be-
handelte Frage zunächst gleichgültig. Letzteres für das richtige
zu halten, veranlasst mich nicht sowohl die vielleicht nur subjek-
tive Überzeugung 4), dass in dem ursprünglichen Werk des Hygin
auf die römische Litteratur überhaupt fast keine Rücksicht genom-
men ward, als die sprachlich wie sachlich gleich anstössige Ver-
bindung der Worte Laocoon -- occasione data; sprachlich, denn
selbst durch Schmidts Vorschlag, essetque vor ductus einzusetzen,
wird nur ein sehr holpriger Satz und eine sehr ungelenke Aus-
druckweise hergestellt; sachlich, denn es ist absolut unerfindlich,
warum der Moment, wo Laokoon am Meere dem Poseidon
opfert, eine besonders passende Gelegenheit für Apollo sein soll,
die Strafe an ihm zu vollziehen. Vielmehr steht occasione data

4) S. Eratosthenes p. 15. 232.
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post ipsum auxilio subeuntem ac tela ferentem
corripiunt spirisque ligant ingentibus,

und mit 229
scelus expendisse merentem
Laocoonta ferunt, sacrum qui cuspide robur
laeserit et tergo sceleratam intorserit hastam.

Auf letztere Übereinstimmung hat auch schon M. Schmidt hin-
gewiesen; aber auch schon vorher stimmt, wie derselbe Heraus-
geber bemerkt, der Satz sorte ductus — Neptuno ad litus fast
wörtlich mit Vergil überein, er ist einfach Paraphrase von 201:
Laocoon ductus Neptuno sorte sacerdos,

und ebenso wird man die Worte a Tenedo per fluctus maris,
gleichfalls nach Schmidts Vorgang, auf 203:
ecce autem gemini a Tenedo tranquilla per alta

zurückzuführen haben. Ob diese Zusätze aus Vergil von Hygin
selbst oder einem späteren Interpolator herrühren, der das Fabel-
buch mit dem Hauptgedicht der Schullektüre gerade so in Ein-
klang setzen wollte, wie die griechischen Schulmeister ihre
mythologischen Handbücher mit Homer, ist für die hier be-
handelte Frage zunächst gleichgültig. Letzteres für das richtige
zu halten, veranlaſst mich nicht sowohl die vielleicht nur subjek-
tive Überzeugung 4), daſs in dem ursprünglichen Werk des Hygin
auf die römische Litteratur überhaupt fast keine Rücksicht genom-
men ward, als die sprachlich wie sachlich gleich anstöſsige Ver-
bindung der Worte Laocoon — occasione data; sprachlich, denn
selbst durch Schmidts Vorschlag, essetque vor ductus einzusetzen,
wird nur ein sehr holpriger Satz und eine sehr ungelenke Aus-
druckweise hergestellt; sachlich, denn es ist absolut unerfindlich,
warum der Moment, wo Laokoon am Meere dem Poseidon
opfert, eine besonders passende Gelegenheit für Apollo sein soll,
die Strafe an ihm zu vollziehen. Vielmehr steht occasione data

4) S. Eratosthenes p. 15. 232.
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[195/0209] post ipsum auxilio subeuntem ac tela ferentem corripiunt spirisque ligant ingentibus, und mit 229 scelus expendisse merentem Laocoonta ferunt, sacrum qui cuspide robur laeserit et tergo sceleratam intorserit hastam. Auf letztere Übereinstimmung hat auch schon M. Schmidt hin- gewiesen; aber auch schon vorher stimmt, wie derselbe Heraus- geber bemerkt, der Satz sorte ductus — Neptuno ad litus fast wörtlich mit Vergil überein, er ist einfach Paraphrase von 201: Laocoon ductus Neptuno sorte sacerdos, und ebenso wird man die Worte a Tenedo per fluctus maris, gleichfalls nach Schmidts Vorgang, auf 203: ecce autem gemini a Tenedo tranquilla per alta zurückzuführen haben. Ob diese Zusätze aus Vergil von Hygin selbst oder einem späteren Interpolator herrühren, der das Fabel- buch mit dem Hauptgedicht der Schullektüre gerade so in Ein- klang setzen wollte, wie die griechischen Schulmeister ihre mythologischen Handbücher mit Homer, ist für die hier be- handelte Frage zunächst gleichgültig. Letzteres für das richtige zu halten, veranlaſst mich nicht sowohl die vielleicht nur subjek- tive Überzeugung 4), daſs in dem ursprünglichen Werk des Hygin auf die römische Litteratur überhaupt fast keine Rücksicht genom- men ward, als die sprachlich wie sachlich gleich anstöſsige Ver- bindung der Worte Laocoon — occasione data; sprachlich, denn selbst durch Schmidts Vorschlag, essetque vor ductus einzusetzen, wird nur ein sehr holpriger Satz und eine sehr ungelenke Aus- druckweise hergestellt; sachlich, denn es ist absolut unerfindlich, warum der Moment, wo Laokoon am Meere dem Poseidon opfert, eine besonders passende Gelegenheit für Apollo sein soll, die Strafe an ihm zu vollziehen. Vielmehr steht occasione data 4) S. Eratosthenes p. 15. 232. 13*

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/209>, abgerufen am 03.05.2024.