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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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44, 2) und später als siebzigjähriger Greis durch den Biss
einer Schlange getötet wird (Asklepiades im schol. Orest. 1. 1.).

Für einen früheren Moment hingegen bietet vielleicht die
Notiz einen schwachen Anhalt, dass im zweiten Buch der Oresteia
Palamedes erwähnt war (Bekker Anecd. II 783, 14. Stesichoros fr.
31 Bergk). So wenig ich verkenne, wie trügerisch im Allgemeinen
Schlüsse sind, die sich auf eine solche gelegentliche und lakonische
Notiz stützen, und so gern ich zugebe, dass gerade in einem
lyrischen Gedicht Personen Mythen Gegenstände aller Art erwähnt
sein konnten, die mit dem eigentlichen Gang der Handlung gar
Nichts zu thun haben, so scheint mir doch in diesem Falle geboten,
wenigstens auf eine Möglichkeit hinzuweisen, in welchem Zusammen-
hang Palamedes erwähnt gewesen sein könne. Das Schicksal des
Palamedes und sein schmählicher Untergang vor Ilion wird all-
mählich in eine enge Verbindung gesetzt mit dem Verderben
Agamemnons und seines Hauses. Wie sicher bei Sophokles,
vielleicht schon in den Nosten Nauplios es ist, der, um seinen
Sohn zu rächen, den Schiffbruch bei den kaphareischen Felsen,
sei es herbeiführt, sei es ausnutzt, so finden wir in der späteren
Poesie und Kunst seine Söhne Oiax und Nausimedon als Gegner
des Orestes auf Seiten des Aigisthos und der Klytaimnestra.

Auf einem in dem später als Pinakothek verwandten Nord-
flügel der Propyläen befindlichen Gemälde war dargestellt (Paus.
I 22, 6) Orestes ... Aigisthon phoneuon kai Pulades tous paidas tous
Naupliou boethous elthontas Aigistho. Es darf heute wohl als
sicheres Resultat der Forschung31) betrachtet werden, dass dies

daimon ist (schol. Eurip. Orest. 46), also für Orestes die Flucht nach der
Parrhasia besonders nahe liegt. -- Gelegentlich mag bemerkt werden, dass
die Ausführung des Pausanias VIII 34, 4, wie die jetzt ganz in der Luft
schwebende Erwähnung des Tyndareos beweist, augenscheinlich auch aus
einem Kommentar zu unserer Stelle des Orestes stammt.
31) Dass der unfertige Zustand der Wände der Pinakothek jeden Ge-
danken an Wandgemälde ausschliesst, hat schon Ivanoff (Ann. d. Inst. 1861
S. 278) konstatiert und Leop. Julius (Mitt. d. athen. Instituts II S. 192) aufs
Neue hervorgehoben; die in jenem Gemach befindlichen Bilder müssen also
Tafelbilder gewesen sein. Dies zeigt auch schon der Name dieses Gebäude-

44, 2) und später als siebzigjähriger Greis durch den Biſs
einer Schlange getötet wird (Asklepiades im schol. Orest. 1. 1.).

Für einen früheren Moment hingegen bietet vielleicht die
Notiz einen schwachen Anhalt, daſs im zweiten Buch der Oresteia
Palamedes erwähnt war (Bekker Anecd. II 783, 14. Stesichoros fr.
31 Bergk). So wenig ich verkenne, wie trügerisch im Allgemeinen
Schlüsse sind, die sich auf eine solche gelegentliche und lakonische
Notiz stützen, und so gern ich zugebe, daſs gerade in einem
lyrischen Gedicht Personen Mythen Gegenstände aller Art erwähnt
sein konnten, die mit dem eigentlichen Gang der Handlung gar
Nichts zu thun haben, so scheint mir doch in diesem Falle geboten,
wenigstens auf eine Möglichkeit hinzuweisen, in welchem Zusammen-
hang Palamedes erwähnt gewesen sein könne. Das Schicksal des
Palamedes und sein schmählicher Untergang vor Ilion wird all-
mählich in eine enge Verbindung gesetzt mit dem Verderben
Agamemnons und seines Hauses. Wie sicher bei Sophokles,
vielleicht schon in den Nosten Nauplios es ist, der, um seinen
Sohn zu rächen, den Schiffbruch bei den kaphareischen Felsen,
sei es herbeiführt, sei es ausnutzt, so finden wir in der späteren
Poesie und Kunst seine Söhne Oiax und Nausimedon als Gegner
des Orestes auf Seiten des Aigisthos und der Klytaimnestra.

Auf einem in dem später als Pinakothek verwandten Nord-
flügel der Propyläen befindlichen Gemälde war dargestellt (Paus.
I 22, 6) Ὀρέστης … Αἴγισϑον φονεύων καὶ Πυλάδης τοὺς παῖδας τοὺς
Ναυπλίου βοηϑοὺς ἐλϑόντας Αἰγίσϑῳ. Es darf heute wohl als
sicheres Resultat der Forschung31) betrachtet werden, daſs dies

daimon ist (schol. Eurip. Orest. 46), also für Orestes die Flucht nach der
Parrhasia besonders nahe liegt. — Gelegentlich mag bemerkt werden, daſs
die Ausführung des Pausanias VIII 34, 4, wie die jetzt ganz in der Luft
schwebende Erwähnung des Tyndareos beweist, augenscheinlich auch aus
einem Kommentar zu unserer Stelle des Orestes stammt.
31) Daſs der unfertige Zustand der Wände der Pinakothek jeden Ge-
danken an Wandgemälde ausschlieſst, hat schon Ivanoff (Ann. d. Inst. 1861
S. 278) konstatiert und Leop. Julius (Mitt. d. athen. Instituts II S. 192) aufs
Neue hervorgehoben; die in jenem Gemach befindlichen Bilder müssen also
Tafelbilder gewesen sein. Dies zeigt auch schon der Name dieses Gebäude-
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[182/0196] 44, 2) und später als siebzigjähriger Greis durch den Biſs einer Schlange getötet wird (Asklepiades im schol. Orest. 1. 1.). Für einen früheren Moment hingegen bietet vielleicht die Notiz einen schwachen Anhalt, daſs im zweiten Buch der Oresteia Palamedes erwähnt war (Bekker Anecd. II 783, 14. Stesichoros fr. 31 Bergk). So wenig ich verkenne, wie trügerisch im Allgemeinen Schlüsse sind, die sich auf eine solche gelegentliche und lakonische Notiz stützen, und so gern ich zugebe, daſs gerade in einem lyrischen Gedicht Personen Mythen Gegenstände aller Art erwähnt sein konnten, die mit dem eigentlichen Gang der Handlung gar Nichts zu thun haben, so scheint mir doch in diesem Falle geboten, wenigstens auf eine Möglichkeit hinzuweisen, in welchem Zusammen- hang Palamedes erwähnt gewesen sein könne. Das Schicksal des Palamedes und sein schmählicher Untergang vor Ilion wird all- mählich in eine enge Verbindung gesetzt mit dem Verderben Agamemnons und seines Hauses. Wie sicher bei Sophokles, vielleicht schon in den Nosten Nauplios es ist, der, um seinen Sohn zu rächen, den Schiffbruch bei den kaphareischen Felsen, sei es herbeiführt, sei es ausnutzt, so finden wir in der späteren Poesie und Kunst seine Söhne Oiax und Nausimedon als Gegner des Orestes auf Seiten des Aigisthos und der Klytaimnestra. Auf einem in dem später als Pinakothek verwandten Nord- flügel der Propyläen befindlichen Gemälde war dargestellt (Paus. I 22, 6) Ὀρέστης … Αἴγισϑον φονεύων καὶ Πυλάδης τοὺς παῖδας τοὺς Ναυπλίου βοηϑοὺς ἐλϑόντας Αἰγίσϑῳ. Es darf heute wohl als sicheres Resultat der Forschung 31) betrachtet werden, daſs dies 30) 31) Daſs der unfertige Zustand der Wände der Pinakothek jeden Ge- danken an Wandgemälde ausschlieſst, hat schon Ivanoff (Ann. d. Inst. 1861 S. 278) konstatiert und Leop. Julius (Mitt. d. athen. Instituts II S. 192) aufs Neue hervorgehoben; die in jenem Gemach befindlichen Bilder müssen also Tafelbilder gewesen sein. Dies zeigt auch schon der Name dieses Gebäude- 30) daimon ist (schol. Eurip. Orest. 46), also für Orestes die Flucht nach der Parrhasia besonders nahe liegt. — Gelegentlich mag bemerkt werden, daſs die Ausführung des Pausanias VIII 34, 4, wie die jetzt ganz in der Luft schwebende Erwähnung des Tyndareos beweist, augenscheinlich auch aus einem Kommentar zu unserer Stelle des Orestes stammt.

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/196>, abgerufen am 28.04.2024.