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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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Gemälde so wenig wie irgend eines der übrigen in der Pinakothek be-
findlichen Tafelbilder mit Polygnotos etwas zu thun hat, dass vielmehr
die beiden einzigen Gemälde, die Pausanias an jener Stelle als
von Polygnotos herrührend erwähnt, Achill auf Skyros und Odys-
seus bei Nausikaa, sich gar nicht in der Pinakothek befanden,
sondern nur als Beispiele für die Abhängigkeit oder Abweichung
der bildenden Kunst von Homer erwähnt werden, eine Frage,
die vermutlich in der Quelle des Pausanias noch ausführlicher
erörtert war. Wir kennen also weder den Maler noch die Ent-
stehungszeit des erwähnten Bildes; eine gewisse Wahrscheinlichkeit
spricht dafür, dass es nicht älter ist, als die Vollendung der
Propyläen (Ol. 86, 4. 433), zumal es kein eigentliches Votivgemälde
gewesen zu sein scheint. Denn bei einem solchen wäre allerdings
der Fall denkbar, dass es ursprünglich etwa im Parthenon auf-
gestellt gewesen, dann aber, als dort der Raum zu enge war, in
einem besonderen Raum der Propyläen untergebracht worden
wäre, die ja auch, wie überhaupt die ganze Burg, der Athena
heilig waren. So kann das Gemälde ebenso wohl in dem vierten
ja in einem noch späteren Jahrhundert gemalt worden sein, als
in den letzten Jahrzehnten des fünften: an einen Zusammenhang,
der an der Spitze dieses Kapitels aufgezählten Vasen mit diesem

teils Pinakotheke, ein Indicium, das Viele, vor allem der hochverdiente
Letronne, mit Unrecht abschwächen wollten. Ist es nun denkbar, dass
Polygnot Tafelbilder gemalt hat? Tafelbilder, die durchaus Votivgemälde
waren, allerdings; so gut wie Aglaophon die eben in der Pinakothek be-
findlichen Votivgemälde für Alkibiades. Aber auch Tafelbilder mythologischen
Inhalts? Ich denke, wenn man nicht jede Entwickelungsgeschichte der
griechischen Malerei leugnen und unseren Quellenschriftstellern allen Glauben
absprechen will, muss dies unbedingt verneint werden. Denn wie will man
die Notiz über Apollodor von Athen (Plin. 35, 60) neque ante eum tabula
ullius ostenditur quae teneat oculos
mit dem Ruhm und der Grösse Polygnots
in Einklang bringen, wenn auch dieser Tafelbilder gemalt hat? Die that-
sächlichen Verhältnisse haben hier bestätigt, was Gottfried Hermann (Opusc.
V 207) durch einfache philologische Interpretation der Stelle des Pausanias
längst festgestellt hatte, ohne, wenigstens bei der archäologischen Forschung
den verdienten Glauben zu finden, dass die Bilder des Polygnot nicht als
in der Pinakothek befindlich, sondern nur als Beispiele angeführt werden.

Gemälde so wenig wie irgend eines der übrigen in der Pinakothek be-
findlichen Tafelbilder mit Polygnotos etwas zu thun hat, daſs vielmehr
die beiden einzigen Gemälde, die Pausanias an jener Stelle als
von Polygnotos herrührend erwähnt, Achill auf Skyros und Odys-
seus bei Nausikaa, sich gar nicht in der Pinakothek befanden,
sondern nur als Beispiele für die Abhängigkeit oder Abweichung
der bildenden Kunst von Homer erwähnt werden, eine Frage,
die vermutlich in der Quelle des Pausanias noch ausführlicher
erörtert war. Wir kennen also weder den Maler noch die Ent-
stehungszeit des erwähnten Bildes; eine gewisse Wahrscheinlichkeit
spricht dafür, daſs es nicht älter ist, als die Vollendung der
Propyläen (Ol. 86, 4. 433), zumal es kein eigentliches Votivgemälde
gewesen zu sein scheint. Denn bei einem solchen wäre allerdings
der Fall denkbar, daſs es ursprünglich etwa im Parthenon auf-
gestellt gewesen, dann aber, als dort der Raum zu enge war, in
einem besonderen Raum der Propyläen untergebracht worden
wäre, die ja auch, wie überhaupt die ganze Burg, der Athena
heilig waren. So kann das Gemälde ebenso wohl in dem vierten
ja in einem noch späteren Jahrhundert gemalt worden sein, als
in den letzten Jahrzehnten des fünften: an einen Zusammenhang,
der an der Spitze dieses Kapitels aufgezählten Vasen mit diesem

teils Πινακοϑήκη, ein Indicium, das Viele, vor allem der hochverdiente
Letronne, mit Unrecht abschwächen wollten. Ist es nun denkbar, daſs
Polygnot Tafelbilder gemalt hat? Tafelbilder, die durchaus Votivgemälde
waren, allerdings; so gut wie Aglaophon die eben in der Pinakothek be-
findlichen Votivgemälde für Alkibiades. Aber auch Tafelbilder mythologischen
Inhalts? Ich denke, wenn man nicht jede Entwickelungsgeschichte der
griechischen Malerei leugnen und unseren Quellenschriftstellern allen Glauben
absprechen will, muſs dies unbedingt verneint werden. Denn wie will man
die Notiz über Apollodor von Athen (Plin. 35, 60) neque ante eum tabula
ullius ostenditur quae teneat oculos
mit dem Ruhm und der Gröſse Polygnots
in Einklang bringen, wenn auch dieser Tafelbilder gemalt hat? Die that-
sächlichen Verhältnisse haben hier bestätigt, was Gottfried Hermann (Opusc.
V 207) durch einfache philologische Interpretation der Stelle des Pausanias
längst festgestellt hatte, ohne, wenigstens bei der archäologischen Forschung
den verdienten Glauben zu finden, daſs die Bilder des Polygnot nicht als
in der Pinakothek befindlich, sondern nur als Beispiele angeführt werden.
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[183/0197] Gemälde so wenig wie irgend eines der übrigen in der Pinakothek be- findlichen Tafelbilder mit Polygnotos etwas zu thun hat, daſs vielmehr die beiden einzigen Gemälde, die Pausanias an jener Stelle als von Polygnotos herrührend erwähnt, Achill auf Skyros und Odys- seus bei Nausikaa, sich gar nicht in der Pinakothek befanden, sondern nur als Beispiele für die Abhängigkeit oder Abweichung der bildenden Kunst von Homer erwähnt werden, eine Frage, die vermutlich in der Quelle des Pausanias noch ausführlicher erörtert war. Wir kennen also weder den Maler noch die Ent- stehungszeit des erwähnten Bildes; eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daſs es nicht älter ist, als die Vollendung der Propyläen (Ol. 86, 4. 433), zumal es kein eigentliches Votivgemälde gewesen zu sein scheint. Denn bei einem solchen wäre allerdings der Fall denkbar, daſs es ursprünglich etwa im Parthenon auf- gestellt gewesen, dann aber, als dort der Raum zu enge war, in einem besonderen Raum der Propyläen untergebracht worden wäre, die ja auch, wie überhaupt die ganze Burg, der Athena heilig waren. So kann das Gemälde ebenso wohl in dem vierten ja in einem noch späteren Jahrhundert gemalt worden sein, als in den letzten Jahrzehnten des fünften: an einen Zusammenhang, der an der Spitze dieses Kapitels aufgezählten Vasen mit diesem 31) 31) teils Πινακοϑήκη, ein Indicium, das Viele, vor allem der hochverdiente Letronne, mit Unrecht abschwächen wollten. Ist es nun denkbar, daſs Polygnot Tafelbilder gemalt hat? Tafelbilder, die durchaus Votivgemälde waren, allerdings; so gut wie Aglaophon die eben in der Pinakothek be- findlichen Votivgemälde für Alkibiades. Aber auch Tafelbilder mythologischen Inhalts? Ich denke, wenn man nicht jede Entwickelungsgeschichte der griechischen Malerei leugnen und unseren Quellenschriftstellern allen Glauben absprechen will, muſs dies unbedingt verneint werden. Denn wie will man die Notiz über Apollodor von Athen (Plin. 35, 60) neque ante eum tabula ullius ostenditur quae teneat oculos mit dem Ruhm und der Gröſse Polygnots in Einklang bringen, wenn auch dieser Tafelbilder gemalt hat? Die that- sächlichen Verhältnisse haben hier bestätigt, was Gottfried Hermann (Opusc. V 207) durch einfache philologische Interpretation der Stelle des Pausanias längst festgestellt hatte, ohne, wenigstens bei der archäologischen Forschung den verdienten Glauben zu finden, daſs die Bilder des Polygnot nicht als in der Pinakothek befindlich, sondern nur als Beispiele angeführt werden.

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/197>, abgerufen am 27.04.2024.