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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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kurz abgefertigt: obgleich Achills Teilnahme von entschiedenster
Wichtigkeit sei, habe sich auch (?) hier die Vasenmalerei auf
die Erziehung bei Cheiron und auf Abschied und Auszug be-
schränkt.

So bleiben also nur die drei oben aufgezählten Vorgänge
übrig; worauf gründet sich nun gerade bei diesen dreien der
Anspruch, für Kern- und Knotenpunkte der Sage zu gelten? Die
Motivierung für die beiden ersten haben wir eben gehört, weil
sie die durch den Ratschluss des Zeus gewollten Ausgangspunkte
des ganzen Krieges seien, das heisst das Resultat der Beratung
des Zeus und der Themis. Nun, ob der Ringkampf des Peleus
und der Thetis überhaupt in den Kyprien erwähnt war, bleibt
zunächst diskutabel. Man verstehe mich recht, die Sage ist sehr

Aristarch zu jener Stelle richtig bemerkt; aber ebenso sicher ist es, dass
gerade jene Iliasstelle der Keim ist, aus dem sich jene Anschauung ent-
wickelt hat. An den beiden Stellen, wo die Sage für uns zuerst auftritt, bei
Pindar und Pherekydes, erscheint gleichzeitig die Motivierung: Peleus habe
das Kind zu Cheiron gebracht, nachdem Thetis ihn verlassen habe. Pind.-
Pyth. VI 21 ta pot en ouresi phanti megalosthene | Philuras uion orphanizomeno
Peleida parainein. Pherekydes -- denn dieser ist, da aus ihm sowol der An-
fang wie der Schluss des von Peleus handelnden Abschnittes nachweislich ge-
flossen ist (de Apollodori bibl. p. 67), auch für diesen Teil unbedenklich als
Quelle anzusehen -- erzählt bei Apollodor III 13, 6, 2 Thetis ... nepion ton paida
apolipousa pros Nereidas okheto, komizei de ton paida pros Kheirona Peleus.
Wenn sich die Vasenmaler dieses Zusammenhangs nicht immer mehr klar be-
wusst sind und zuweilen bei der Übergabe des kleinen Achilleus an Cheiron
Thetis noch gegenwärtig sein lassen (z. B. Gerhard A. V. III 71. 183. Benndorf
Griech. u. sicil. Vasenbild. XLI 1), so ist man deshalb noch lange nicht be-
rechtigt, eine andere Sagenversion als Quelle für die Vasenmalerei anzu-
nehmen; vielmehr erklärt sich die Gegenwart der Thetis hinlänglich aus dem
oben im ersten und namentlich im Eingang des zweiten Kapitels Bemerkten.
Von den hesiodeischen Katalogen steht fest, dass sie die Hochzeit des Peleus
und der Thetis ausführlich schilderten, (fr. 93 Markscheff.), aber auch auf die
früheren Schicksale des Peleus eingingen und namentlich seine Vermählung
mit Polydore berichteten (fr. 94), gerade wie Apollodor-Pherekydes III 13, 4.
Demnach ist es nicht unwahrscheinlich, dass dies Gedicht, wie öfter, so auch
für diese Sage die gemeinsame Quelle von Pindar und Pherekydes war; und
was die Kunstdarstellungen betrifft, so hat es mindestens den gleichen An-
spruch, für die Quelle derselben zu gelten, wie die Kyprien.

kurz abgefertigt: obgleich Achills Teilnahme von entschiedenster
Wichtigkeit sei, habe sich auch (?) hier die Vasenmalerei auf
die Erziehung bei Cheiron und auf Abschied und Auszug be-
schränkt.

So bleiben also nur die drei oben aufgezählten Vorgänge
übrig; worauf gründet sich nun gerade bei diesen dreien der
Anspruch, für Kern- und Knotenpunkte der Sage zu gelten? Die
Motivierung für die beiden ersten haben wir eben gehört, weil
sie die durch den Ratschluſs des Zeus gewollten Ausgangspunkte
des ganzen Krieges seien, das heiſst das Resultat der Beratung
des Zeus und der Themis. Nun, ob der Ringkampf des Peleus
und der Thetis überhaupt in den Kyprien erwähnt war, bleibt
zunächst diskutabel. Man verstehe mich recht, die Sage ist sehr

Aristarch zu jener Stelle richtig bemerkt; aber ebenso sicher ist es, daſs
gerade jene Iliasstelle der Keim ist, aus dem sich jene Anschauung ent-
wickelt hat. An den beiden Stellen, wo die Sage für uns zuerst auftritt, bei
Pindar und Pherekydes, erscheint gleichzeitig die Motivierung: Peleus habe
das Kind zu Cheiron gebracht, nachdem Thetis ihn verlassen habe. Pind.-
Pyth. VI 21 τά ποτ̕ ἐν οὔρεσι φαντὶ μεγαλοσϑενῆ | Φιλύρας υἱὸν ὀρφανιζομένῳ
Πηλεΐδᾳ παραινεῖν. Pherekydes — denn dieser ist, da aus ihm sowol der An-
fang wie der Schluſs des von Peleus handelnden Abschnittes nachweislich ge-
flossen ist (de Apollodori bibl. p. 67), auch für diesen Teil unbedenklich als
Quelle anzusehen — erzählt bei Apollodor III 13, 6, 2 Θέτις … νήπιον τὸν παῖδα
ἀπολιποῦσα πρὸς Νηρηΐδας ᾤχετο, κομίζει δὲ τὸν παῖδα πρὸς Χείρωνα Πηλεύς.
Wenn sich die Vasenmaler dieses Zusammenhangs nicht immer mehr klar be-
wuſst sind und zuweilen bei der Übergabe des kleinen Achilleus an Cheiron
Thetis noch gegenwärtig sein lassen (z. B. Gerhard A. V. III 71. 183. Benndorf
Griech. u. sicil. Vasenbild. XLI 1), so ist man deshalb noch lange nicht be-
rechtigt, eine andere Sagenversion als Quelle für die Vasenmalerei anzu-
nehmen; vielmehr erklärt sich die Gegenwart der Thetis hinlänglich aus dem
oben im ersten und namentlich im Eingang des zweiten Kapitels Bemerkten.
Von den hesiodeischen Katalogen steht fest, daſs sie die Hochzeit des Peleus
und der Thetis ausführlich schilderten, (fr. 93 Markscheff.), aber auch auf die
früheren Schicksale des Peleus eingingen und namentlich seine Vermählung
mit Polydore berichteten (fr. 94), gerade wie Apollodor-Pherekydes III 13, 4.
Demnach ist es nicht unwahrscheinlich, daſs dies Gedicht, wie öfter, so auch
für diese Sage die gemeinsame Quelle von Pindar und Pherekydes war; und
was die Kunstdarstellungen betrifft, so hat es mindestens den gleichen An-
spruch, für die Quelle derselben zu gelten, wie die Kyprien.
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[124/0138] kurz abgefertigt: obgleich Achills Teilnahme von entschiedenster Wichtigkeit sei, habe sich auch (?) hier die Vasenmalerei auf die Erziehung bei Cheiron und auf Abschied und Auszug be- schränkt. So bleiben also nur die drei oben aufgezählten Vorgänge übrig; worauf gründet sich nun gerade bei diesen dreien der Anspruch, für Kern- und Knotenpunkte der Sage zu gelten? Die Motivierung für die beiden ersten haben wir eben gehört, weil sie die durch den Ratschluſs des Zeus gewollten Ausgangspunkte des ganzen Krieges seien, das heiſst das Resultat der Beratung des Zeus und der Themis. Nun, ob der Ringkampf des Peleus und der Thetis überhaupt in den Kyprien erwähnt war, bleibt zunächst diskutabel. Man verstehe mich recht, die Sage ist sehr 58) 58) Aristarch zu jener Stelle richtig bemerkt; aber ebenso sicher ist es, daſs gerade jene Iliasstelle der Keim ist, aus dem sich jene Anschauung ent- wickelt hat. An den beiden Stellen, wo die Sage für uns zuerst auftritt, bei Pindar und Pherekydes, erscheint gleichzeitig die Motivierung: Peleus habe das Kind zu Cheiron gebracht, nachdem Thetis ihn verlassen habe. Pind.- Pyth. VI 21 τά ποτ̕ ἐν οὔρεσι φαντὶ μεγαλοσϑενῆ | Φιλύρας υἱὸν ὀρφανιζομένῳ Πηλεΐδᾳ παραινεῖν. Pherekydes — denn dieser ist, da aus ihm sowol der An- fang wie der Schluſs des von Peleus handelnden Abschnittes nachweislich ge- flossen ist (de Apollodori bibl. p. 67), auch für diesen Teil unbedenklich als Quelle anzusehen — erzählt bei Apollodor III 13, 6, 2 Θέτις … νήπιον τὸν παῖδα ἀπολιποῦσα πρὸς Νηρηΐδας ᾤχετο, κομίζει δὲ τὸν παῖδα πρὸς Χείρωνα Πηλεύς. Wenn sich die Vasenmaler dieses Zusammenhangs nicht immer mehr klar be- wuſst sind und zuweilen bei der Übergabe des kleinen Achilleus an Cheiron Thetis noch gegenwärtig sein lassen (z. B. Gerhard A. V. III 71. 183. Benndorf Griech. u. sicil. Vasenbild. XLI 1), so ist man deshalb noch lange nicht be- rechtigt, eine andere Sagenversion als Quelle für die Vasenmalerei anzu- nehmen; vielmehr erklärt sich die Gegenwart der Thetis hinlänglich aus dem oben im ersten und namentlich im Eingang des zweiten Kapitels Bemerkten. Von den hesiodeischen Katalogen steht fest, daſs sie die Hochzeit des Peleus und der Thetis ausführlich schilderten, (fr. 93 Markscheff.), aber auch auf die früheren Schicksale des Peleus eingingen und namentlich seine Vermählung mit Polydore berichteten (fr. 94), gerade wie Apollodor-Pherekydes III 13, 4. Demnach ist es nicht unwahrscheinlich, daſs dies Gedicht, wie öfter, so auch für diese Sage die gemeinsame Quelle von Pindar und Pherekydes war; und was die Kunstdarstellungen betrifft, so hat es mindestens den gleichen An- spruch, für die Quelle derselben zu gelten, wie die Kyprien.

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/138>, abgerufen am 02.05.2024.