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Riehl, Wilhelm Heinrich: Jörg Muckenbuber. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 67–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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fischt oder im Wald gefunden hätte wie ein crepirtes Vieh, das war auch nicht nach seinem Geschmack.

Nun hatte er oft den Tod am Galgen als den schönsten preisen hören, und wenn seine Genossen von den "besten Männern" und "Helden" erzählten, so waren diese Helden immer Leute, welche auf der obersten Sprosse der Galgenleiter die höchste Stufe ihrer Laufbahn erstiegen hatten. Sich hängen lassen, hieß bei den Genossen Hochzeit halten; der Delinquent war der Bräutigam, der Galgen die Braut, der Henkersknecht der Kranzelherr und der Henker der Pfarrer, welcher mit der stärksten Copula, dem Strick, copulirte; der Tanz in der Luft der Hochzeitstanz.

Um dem Leben, welches ihm reizlos geworden, ein glänzendes und ehrenvolles Ende zu machen, ging Jörg nach Nördlingen, als einer wegen hurtiger Justiz damals berühmten Stadt, und meldete sich.

Uebrigens, sagte Jörg, er würde selbst dann keinen Menschen, ja nicht einmal einen Juden umgebracht haben, wenn er auch vorher gewußt hätte, daß man hier so viel Umstände mache. Zuletzt schloß er dann wieder mit dem Satze, womit er begonnen: er habe sich nun verbissen mit den Rathsherren und wolle Recht behalten; hätte man ihn gleich am ersten Tage peinlich gefragt, so würde man die Wahrheit herausgepreßt haben, ja, es hätte damals nur eines Buckels voll Schläge bedurft, aber eines recht tüchtigen Buckels voll. Jetzt möge man ihn mit glühenden Zangen zwicken,

fischt oder im Wald gefunden hätte wie ein crepirtes Vieh, das war auch nicht nach seinem Geschmack.

Nun hatte er oft den Tod am Galgen als den schönsten preisen hören, und wenn seine Genossen von den „besten Männern“ und „Helden“ erzählten, so waren diese Helden immer Leute, welche auf der obersten Sprosse der Galgenleiter die höchste Stufe ihrer Laufbahn erstiegen hatten. Sich hängen lassen, hieß bei den Genossen Hochzeit halten; der Delinquent war der Bräutigam, der Galgen die Braut, der Henkersknecht der Kranzelherr und der Henker der Pfarrer, welcher mit der stärksten Copula, dem Strick, copulirte; der Tanz in der Luft der Hochzeitstanz.

Um dem Leben, welches ihm reizlos geworden, ein glänzendes und ehrenvolles Ende zu machen, ging Jörg nach Nördlingen, als einer wegen hurtiger Justiz damals berühmten Stadt, und meldete sich.

Uebrigens, sagte Jörg, er würde selbst dann keinen Menschen, ja nicht einmal einen Juden umgebracht haben, wenn er auch vorher gewußt hätte, daß man hier so viel Umstände mache. Zuletzt schloß er dann wieder mit dem Satze, womit er begonnen: er habe sich nun verbissen mit den Rathsherren und wolle Recht behalten; hätte man ihn gleich am ersten Tage peinlich gefragt, so würde man die Wahrheit herausgepreßt haben, ja, es hätte damals nur eines Buckels voll Schläge bedurft, aber eines recht tüchtigen Buckels voll. Jetzt möge man ihn mit glühenden Zangen zwicken,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:09:41Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Riehl, Wilhelm Heinrich: Jörg Muckenbuber. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 67–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riehl_muckenhuber_1910/19>, abgerufen am 25.11.2024.