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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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Die Arabeske.

Dagegen ergiebt eine nahe Verwandschaft mit dem Ornamenta-
tionssystem, das wir an Elfenbeinarbeiten des 10. Jahrh. (Fig. 174, 175)
angetroffen haben, die Betrachtung der sicilianischen Arbeiten, die
zumeist im 12. Jahrh. für die normannischen Könige von deren sarace-
nischen Unterthanen gefertigt worden sind. Als Probe diene Fig. 18882)
von der Stuckbekleidung eines Kuppelgewölbes der Cuba bei Palermo.
Die gefiederartige Behandlung des Akanthus erinnert sehr an jene er-
wähnten Elfenbeinschnitzereien; auch die Palmetten mit seitwärts ge-
schlagenen Akanthushalbblättern und den scharf herausgebohrten Kelch-
voluten finden sich an Fig. 174 bzw. 175; ihre byzantinische Vorstufe
haben wir in Fig. 183 kennen gelernt.

[Abbildung] Fig. 189.

Holzgeschnitzte Friesfüllung. Aus Kairo.

Eine vollendete Arabeske tritt uns in Fig. 18983) entgegen.
Wenn man von dem mit Kreisfiguren besetzten Bande absieht, das in
lambrequinartiger Zeichnung mitten durch den Ornamentfries sich hin-
durchwindet und denselben in zwei reciproke Rundzackenreihen theilt,
ist die Verzierung durchweg von Rankenwerk bestritten. Die Führung
der Ranken ist bereits eine sehr mannigfaltige und komplicirte, nament-
lich nicht mehr auf die Kreisbewegung beschränkte, die Motive aber,
mit Ausnahme von kleinen Spiralschösslingen und Akanthusablegern
nach frühbyzantinischer Art (S. 277 f.), von glatten Konturen umrissene

82) Nach Girault de Prangey a. a. O. Taf. 12 No. 1.
83) Von der holzgeschnitzten Kanzel der Moschee von Kus, nach Prisse
d'Avennes aus dem XII. Jahrh.
Die Arabeske.

Dagegen ergiebt eine nahe Verwandschaft mit dem Ornamenta-
tionssystem, das wir an Elfenbeinarbeiten des 10. Jahrh. (Fig. 174, 175)
angetroffen haben, die Betrachtung der sicilianischen Arbeiten, die
zumeist im 12. Jahrh. für die normannischen Könige von deren sarace-
nischen Unterthanen gefertigt worden sind. Als Probe diene Fig. 18882)
von der Stuckbekleidung eines Kuppelgewölbes der Cuba bei Palermo.
Die gefiederartige Behandlung des Akanthus erinnert sehr an jene er-
wähnten Elfenbeinschnitzereien; auch die Palmetten mit seitwärts ge-
schlagenen Akanthushalbblättern und den scharf herausgebohrten Kelch-
voluten finden sich an Fig. 174 bzw. 175; ihre byzantinische Vorstufe
haben wir in Fig. 183 kennen gelernt.

[Abbildung] Fig. 189.

Holzgeschnitzte Friesfüllung. Aus Kairo.

Eine vollendete Arabeske tritt uns in Fig. 18983) entgegen.
Wenn man von dem mit Kreisfiguren besetzten Bande absieht, das in
lambrequinartiger Zeichnung mitten durch den Ornamentfries sich hin-
durchwindet und denselben in zwei reciproke Rundzackenreihen theilt,
ist die Verzierung durchweg von Rankenwerk bestritten. Die Führung
der Ranken ist bereits eine sehr mannigfaltige und komplicirte, nament-
lich nicht mehr auf die Kreisbewegung beschränkte, die Motive aber,
mit Ausnahme von kleinen Spiralschösslingen und Akanthusablegern
nach frühbyzantinischer Art (S. 277 f.), von glatten Konturen umrissene

82) Nach Girault de Prangey a. a. O. Taf. 12 No. 1.
83) Von der holzgeschnitzten Kanzel der Moschee von Kus, nach Prisse
d’Avennes aus dem XII. Jahrh.
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[332/0358] Die Arabeske. Dagegen ergiebt eine nahe Verwandschaft mit dem Ornamenta- tionssystem, das wir an Elfenbeinarbeiten des 10. Jahrh. (Fig. 174, 175) angetroffen haben, die Betrachtung der sicilianischen Arbeiten, die zumeist im 12. Jahrh. für die normannischen Könige von deren sarace- nischen Unterthanen gefertigt worden sind. Als Probe diene Fig. 188 82) von der Stuckbekleidung eines Kuppelgewölbes der Cuba bei Palermo. Die gefiederartige Behandlung des Akanthus erinnert sehr an jene er- wähnten Elfenbeinschnitzereien; auch die Palmetten mit seitwärts ge- schlagenen Akanthushalbblättern und den scharf herausgebohrten Kelch- voluten finden sich an Fig. 174 bzw. 175; ihre byzantinische Vorstufe haben wir in Fig. 183 kennen gelernt. [Abbildung Fig. 189. Holzgeschnitzte Friesfüllung. Aus Kairo. ] Eine vollendete Arabeske tritt uns in Fig. 189 83) entgegen. Wenn man von dem mit Kreisfiguren besetzten Bande absieht, das in lambrequinartiger Zeichnung mitten durch den Ornamentfries sich hin- durchwindet und denselben in zwei reciproke Rundzackenreihen theilt, ist die Verzierung durchweg von Rankenwerk bestritten. Die Führung der Ranken ist bereits eine sehr mannigfaltige und komplicirte, nament- lich nicht mehr auf die Kreisbewegung beschränkte, die Motive aber, mit Ausnahme von kleinen Spiralschösslingen und Akanthusablegern nach frühbyzantinischer Art (S. 277 f.), von glatten Konturen umrissene 82) Nach Girault de Prangey a. a. O. Taf. 12 No. 1. 83) Von der holzgeschnitzten Kanzel der Moschee von Kus, nach Prisse d’Avennes aus dem XII. Jahrh.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/358>, abgerufen am 05.05.2024.