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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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2. Frühsaracenische Rankenornamentik.
Halbpalmetten und Gabelranken, zum Theil auch Vollmotive84). Er-
örtern wir die ersteren, als die wichtigsten, im Einzelnen.

In a erkennen wir zwei zu einem Vollmotiv (nach Art der ge-
sprengten Palmette) zusammengestellte Halbpalmetten (oder Akanthus-
halbblätter mit streng gezeichnetem Fächer); Kelch und Fächer er-
scheinen vegetabilisch gegliedert, wie z. B. in Fig. 174, aber glatt um-
rissen: ich verweise auch auf die Schlitze in der Mitte der einzelnen
Halbblätter85). Beide Fächer setzen sich wieder rankenartig fort zu
einer ähnlich behandelten Gabelranke u. s. w.

Die vegetabilische Gliederung von a fehlt der Halbpalmette b.
Deutlich scheidet sich bloss das gekrümmte Kelchblatt und der Fächer,
sowie eine ausladende Zwickelfüllung dazwischen. Was aber den

[Abbildung] Fig. 189 a. Fig. 189 b. Fig. 189 c. Fig. 190.

Details von Füllungen in Holzschnitzerei, aus Kairo.

breiten Körper dieses arabesken Motivs ausfüllt, das ist uns kostbarer
als alle akanthisirende Gliederung. Es ist nämlich eine leibhaftige
griechische Ranke mit allen ihren Eigenthümlichkeiten, die uns da
entgegentritt. Dort wo sie sich zum ersten Male gabelt, ist ein Pal-
mettenfächer eingesetzt, in der Richtung der zwickelfüllenden Aus-
ladung im Aussenkontur. Nach Links endigt die Ranke alsbald in eine
regelmässige griechische Vollpalmette, nach Rechts rollt sie in einer
typischen fortlaufenden Wellenranke dahin, mit spiraligen Schösslingen
und peinlich beobachteten Zwickelfüllungen.

Nehmen wir dazu die Halbpalmette c. Von derselben ist das Gleiche
zu sagen wie von b, mit dem Unterschiede, dass wir in der Ranken-
füllung diesmal eine deutliche Halbpalmette nach altgriechischem Muster
(Fig. 126) vorfinden. Den Uebergang von der reinen und selbständigen
Palmettenranke zur akanthisirenden Gliederung des arabesken Halb-

84) Den palmettenartigen Vollmotiven in Fig. 189 liegen wohl Bildungen
in der Art von Fig. 181 zu Grunde.
85) Vgl. Fig. 167, 168 S. 304, 306.

2. Frühsaracenische Rankenornamentik.
Halbpalmetten und Gabelranken, zum Theil auch Vollmotive84). Er-
örtern wir die ersteren, als die wichtigsten, im Einzelnen.

In a erkennen wir zwei zu einem Vollmotiv (nach Art der ge-
sprengten Palmette) zusammengestellte Halbpalmetten (oder Akanthus-
halbblätter mit streng gezeichnetem Fächer); Kelch und Fächer er-
scheinen vegetabilisch gegliedert, wie z. B. in Fig. 174, aber glatt um-
rissen: ich verweise auch auf die Schlitze in der Mitte der einzelnen
Halbblätter85). Beide Fächer setzen sich wieder rankenartig fort zu
einer ähnlich behandelten Gabelranke u. s. w.

Die vegetabilische Gliederung von a fehlt der Halbpalmette b.
Deutlich scheidet sich bloss das gekrümmte Kelchblatt und der Fächer,
sowie eine ausladende Zwickelfüllung dazwischen. Was aber den

[Abbildung] Fig. 189 a. Fig. 189 b. Fig. 189 c. Fig. 190.

Details von Füllungen in Holzschnitzerei, aus Kairo.

breiten Körper dieses arabesken Motivs ausfüllt, das ist uns kostbarer
als alle akanthisirende Gliederung. Es ist nämlich eine leibhaftige
griechische Ranke mit allen ihren Eigenthümlichkeiten, die uns da
entgegentritt. Dort wo sie sich zum ersten Male gabelt, ist ein Pal-
mettenfächer eingesetzt, in der Richtung der zwickelfüllenden Aus-
ladung im Aussenkontur. Nach Links endigt die Ranke alsbald in eine
regelmässige griechische Vollpalmette, nach Rechts rollt sie in einer
typischen fortlaufenden Wellenranke dahin, mit spiraligen Schösslingen
und peinlich beobachteten Zwickelfüllungen.

Nehmen wir dazu die Halbpalmette c. Von derselben ist das Gleiche
zu sagen wie von b, mit dem Unterschiede, dass wir in der Ranken-
füllung diesmal eine deutliche Halbpalmette nach altgriechischem Muster
(Fig. 126) vorfinden. Den Uebergang von der reinen und selbständigen
Palmettenranke zur akanthisirenden Gliederung des arabesken Halb-

84) Den palmettenartigen Vollmotiven in Fig. 189 liegen wohl Bildungen
in der Art von Fig. 181 zu Grunde.
85) Vgl. Fig. 167, 168 S. 304, 306.
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[333/0359] 2. Frühsaracenische Rankenornamentik. Halbpalmetten und Gabelranken, zum Theil auch Vollmotive 84). Er- örtern wir die ersteren, als die wichtigsten, im Einzelnen. In a erkennen wir zwei zu einem Vollmotiv (nach Art der ge- sprengten Palmette) zusammengestellte Halbpalmetten (oder Akanthus- halbblätter mit streng gezeichnetem Fächer); Kelch und Fächer er- scheinen vegetabilisch gegliedert, wie z. B. in Fig. 174, aber glatt um- rissen: ich verweise auch auf die Schlitze in der Mitte der einzelnen Halbblätter 85). Beide Fächer setzen sich wieder rankenartig fort zu einer ähnlich behandelten Gabelranke u. s. w. Die vegetabilische Gliederung von a fehlt der Halbpalmette b. Deutlich scheidet sich bloss das gekrümmte Kelchblatt und der Fächer, sowie eine ausladende Zwickelfüllung dazwischen. Was aber den [Abbildung Fig. 189 a. Fig. 189 b. Fig. 189 c. Fig. 190. Details von Füllungen in Holzschnitzerei, aus Kairo.] breiten Körper dieses arabesken Motivs ausfüllt, das ist uns kostbarer als alle akanthisirende Gliederung. Es ist nämlich eine leibhaftige griechische Ranke mit allen ihren Eigenthümlichkeiten, die uns da entgegentritt. Dort wo sie sich zum ersten Male gabelt, ist ein Pal- mettenfächer eingesetzt, in der Richtung der zwickelfüllenden Aus- ladung im Aussenkontur. Nach Links endigt die Ranke alsbald in eine regelmässige griechische Vollpalmette, nach Rechts rollt sie in einer typischen fortlaufenden Wellenranke dahin, mit spiraligen Schösslingen und peinlich beobachteten Zwickelfüllungen. Nehmen wir dazu die Halbpalmette c. Von derselben ist das Gleiche zu sagen wie von b, mit dem Unterschiede, dass wir in der Ranken- füllung diesmal eine deutliche Halbpalmette nach altgriechischem Muster (Fig. 126) vorfinden. Den Uebergang von der reinen und selbständigen Palmettenranke zur akanthisirenden Gliederung des arabesken Halb- 84) Den palmettenartigen Vollmotiven in Fig. 189 liegen wohl Bildungen in der Art von Fig. 181 zu Grunde. 85) Vgl. Fig. 167, 168 S. 304, 306.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/359>, abgerufen am 05.05.2024.