Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite
2. Frühsaracenische Rankenornamentik.

Fig. 186 steht nicht vereinzelt da. Es gehören hieher u. a. aus
Prisse eine zweite Füllung von derselben Moschee; ferner zwei Fül-
lungen von der Moschee Thelai Abu-Rezik, wovon eines noch fast rein
justinianisch, das andere ähnlich Fig. 186, mit durchgeschlungenen
arabischen Schriftzügen.

Die letzteren zwei Beispiele versetzt Prisse in das 12. Jahrh.; ist
diese Datirung in der That nicht zu spät angesetzt, so erscheint uns
damit ein überraschendes Zeugniss geliefert für den Conservatismus,
mit welchen die kairenischen Arbeiter in einzelnen kunsttechnischen
Zweigen an der Rankenornamentik rein byzantinischer Stilisirung fest-
gehalten haben. Ungefähr auf der gleichen Stufe stehen die Orna-
mente von der Marmorkanzel der Moschee von Cordova, wie Fig. 18781)

[Abbildung] Fig. 187.

Steinerne Friesfüllung aus Cordova

[Abbildung] Fig. 188.

Sternfüllung in Stuck.
Aus der Cuba (Palermo).

beweist. Es ist dies ein Ausschnitt aus einem Bordürestreifen, einen
Bogenfries mit gereihten Lotusblüthen und Palmetten in akanthisirender
Uebertragung enthaltend. An der letzteren Bedeutung lassen die rund
herausgebohrten "Pfeifen" keinen Zweifel aufkommen. Eine Inschrift
bezieht sich auf das Jahr 965 der christlichen Aera; die Kanzel stammt
somit aus der 2. Hälfte des 10. Jahrh. und wäre hienach um mehrere
Jahrhunderte älter als Fig. 186, der sie aber in der Entwicklung eher
voraus ist. Man beachte in Fig. 187 noch den aus zwei Akanthushalb-
blättern gebildeten Kelch an der niedrigeren Blüthe (die die Stelle
einer Palmette des alten Lotusblüthen-Palmetten-Schemas vertritt). Die
sachliche Identität dieses skulpirten Kelches mit dem gemalten Akan-
thuskelch Fig. 180 liegt wohl klar zu Tage.


81) Nach Girault de Prangey, Essai sur l'architecture des Arabes et des
Mores Taf. 4 No. 6.
2. Frühsaracenische Rankenornamentik.

Fig. 186 steht nicht vereinzelt da. Es gehören hieher u. a. aus
Prisse eine zweite Füllung von derselben Moschee; ferner zwei Fül-
lungen von der Moschee Thelai Abu-Rezik, wovon eines noch fast rein
justinianisch, das andere ähnlich Fig. 186, mit durchgeschlungenen
arabischen Schriftzügen.

Die letzteren zwei Beispiele versetzt Prisse in das 12. Jahrh.; ist
diese Datirung in der That nicht zu spät angesetzt, so erscheint uns
damit ein überraschendes Zeugniss geliefert für den Conservatismus,
mit welchen die kairenischen Arbeiter in einzelnen kunsttechnischen
Zweigen an der Rankenornamentik rein byzantinischer Stilisirung fest-
gehalten haben. Ungefähr auf der gleichen Stufe stehen die Orna-
mente von der Marmorkanzel der Moschee von Cordova, wie Fig. 18781)

[Abbildung] Fig. 187.

Steinerne Friesfüllung aus Cordova

[Abbildung] Fig. 188.

Sternfüllung in Stuck.
Aus der Cuba (Palermo).

beweist. Es ist dies ein Ausschnitt aus einem Bordürestreifen, einen
Bogenfries mit gereihten Lotusblüthen und Palmetten in akanthisirender
Uebertragung enthaltend. An der letzteren Bedeutung lassen die rund
herausgebohrten „Pfeifen“ keinen Zweifel aufkommen. Eine Inschrift
bezieht sich auf das Jahr 965 der christlichen Aera; die Kanzel stammt
somit aus der 2. Hälfte des 10. Jahrh. und wäre hienach um mehrere
Jahrhunderte älter als Fig. 186, der sie aber in der Entwicklung eher
voraus ist. Man beachte in Fig. 187 noch den aus zwei Akanthushalb-
blättern gebildeten Kelch an der niedrigeren Blüthe (die die Stelle
einer Palmette des alten Lotusblüthen-Palmetten-Schemas vertritt). Die
sachliche Identität dieses skulpirten Kelches mit dem gemalten Akan-
thuskelch Fig. 180 liegt wohl klar zu Tage.


81) Nach Girault de Prangey, Essai sur l’architecture des Arabes et des
Mores Taf. 4 No. 6.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0357" n="331"/>
          <fw place="top" type="header">2. Frühsaracenische Rankenornamentik.</fw><lb/>
          <p>Fig. 186 steht nicht vereinzelt da. Es gehören hieher u. a. aus<lb/>
Prisse eine zweite Füllung von derselben Moschee; ferner zwei Fül-<lb/>
lungen von der Moschee Thelai Abu-Rezik, wovon eines noch fast rein<lb/>
justinianisch, das andere ähnlich Fig. 186, mit durchgeschlungenen<lb/>
arabischen Schriftzügen.</p><lb/>
          <p>Die letzteren zwei Beispiele versetzt Prisse in das 12. Jahrh.; ist<lb/>
diese Datirung in der That nicht zu spät angesetzt, so erscheint uns<lb/>
damit ein überraschendes Zeugniss geliefert für den Conservatismus,<lb/>
mit welchen die kairenischen Arbeiter in einzelnen kunsttechnischen<lb/>
Zweigen an der Rankenornamentik rein byzantinischer Stilisirung fest-<lb/>
gehalten haben. Ungefähr auf der gleichen Stufe stehen die Orna-<lb/>
mente von der Marmorkanzel der Moschee von <hi rendition="#g">Cordova</hi>, wie Fig. 187<note place="foot" n="81)">Nach Girault de Prangey, Essai sur l&#x2019;architecture des Arabes et des<lb/>
Mores Taf. 4 No. 6.</note><lb/><figure><head>Fig. 187.</head><lb/><p>Steinerne Friesfüllung aus Cordova</p></figure><lb/><figure><head>Fig. 188.</head><lb/><p>Sternfüllung in Stuck.<lb/>
Aus der Cuba (Palermo).</p></figure><lb/>
beweist. Es ist dies ein Ausschnitt aus einem Bordürestreifen, einen<lb/>
Bogenfries mit gereihten Lotusblüthen und Palmetten in akanthisirender<lb/>
Uebertragung enthaltend. An der letzteren Bedeutung lassen die rund<lb/>
herausgebohrten &#x201E;Pfeifen&#x201C; keinen Zweifel aufkommen. Eine Inschrift<lb/>
bezieht sich auf das Jahr 965 der christlichen Aera; die Kanzel stammt<lb/>
somit aus der 2. Hälfte des 10. Jahrh. und wäre hienach um mehrere<lb/>
Jahrhunderte älter als Fig. 186, der sie aber in der Entwicklung eher<lb/>
voraus ist. Man beachte in Fig. 187 noch den aus zwei Akanthushalb-<lb/>
blättern gebildeten Kelch an der niedrigeren Blüthe (die die Stelle<lb/>
einer Palmette des alten Lotusblüthen-Palmetten-Schemas vertritt). Die<lb/>
sachliche Identität dieses skulpirten Kelches mit dem gemalten Akan-<lb/>
thuskelch Fig. 180 liegt wohl klar zu Tage.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[331/0357] 2. Frühsaracenische Rankenornamentik. Fig. 186 steht nicht vereinzelt da. Es gehören hieher u. a. aus Prisse eine zweite Füllung von derselben Moschee; ferner zwei Fül- lungen von der Moschee Thelai Abu-Rezik, wovon eines noch fast rein justinianisch, das andere ähnlich Fig. 186, mit durchgeschlungenen arabischen Schriftzügen. Die letzteren zwei Beispiele versetzt Prisse in das 12. Jahrh.; ist diese Datirung in der That nicht zu spät angesetzt, so erscheint uns damit ein überraschendes Zeugniss geliefert für den Conservatismus, mit welchen die kairenischen Arbeiter in einzelnen kunsttechnischen Zweigen an der Rankenornamentik rein byzantinischer Stilisirung fest- gehalten haben. Ungefähr auf der gleichen Stufe stehen die Orna- mente von der Marmorkanzel der Moschee von Cordova, wie Fig. 187 81) [Abbildung Fig. 187. Steinerne Friesfüllung aus Cordova] [Abbildung Fig. 188. Sternfüllung in Stuck. Aus der Cuba (Palermo).] beweist. Es ist dies ein Ausschnitt aus einem Bordürestreifen, einen Bogenfries mit gereihten Lotusblüthen und Palmetten in akanthisirender Uebertragung enthaltend. An der letzteren Bedeutung lassen die rund herausgebohrten „Pfeifen“ keinen Zweifel aufkommen. Eine Inschrift bezieht sich auf das Jahr 965 der christlichen Aera; die Kanzel stammt somit aus der 2. Hälfte des 10. Jahrh. und wäre hienach um mehrere Jahrhunderte älter als Fig. 186, der sie aber in der Entwicklung eher voraus ist. Man beachte in Fig. 187 noch den aus zwei Akanthushalb- blättern gebildeten Kelch an der niedrigeren Blüthe (die die Stelle einer Palmette des alten Lotusblüthen-Palmetten-Schemas vertritt). Die sachliche Identität dieses skulpirten Kelches mit dem gemalten Akan- thuskelch Fig. 180 liegt wohl klar zu Tage. 81) Nach Girault de Prangey, Essai sur l’architecture des Arabes et des Mores Taf. 4 No. 6.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/357
Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/357>, abgerufen am 05.05.2024.